Energiepreis-Protest > Stadtwerke Lingen
LG Osnabrück Berufung 30.01.08, AG Lingen 13.11.06
enerveto:
01.02.2008
Stadtwerke Lingen GmbH, Energiepreise, Einwand gem. § 315 BGB
Landgericht Osnabrück, Berufungsverfahren 2 S 636/06
vorher Amtsgericht Lingen12 C 423 / 06 (X) wegen Gaspreis
… (Kläger) ./. Stadtwerke Lingen GmbH (Beklagte)
Prozessvertreter: RA Bauer pp (Florian Dälken) ./. RA Rosken pp (Hubert Wintermann)
Vorsitzender Richter am LG Schneider,
Richterin am LG Kirchhoff, Richterin am LG Lichte
Mündliche Verhandlung und Beweisaufnahme, BE: Richterin am LG Lichte
Verhandlung am 30.01.2008 von 10.00 bis 11.20 Uhr, Saal 87
Urteil am 22.02.2008, 09.00 Uhr, LG Osnabrück Saal 87
(C) Fazit
Sehr geehrte MitstreiterInnen!
Es war eine vom vorsitzenden Richter dominierte äußerst moderate Verhandlung.
Die beisitzenden Richterinnen haben sich während der Verhandlung nicht geäußert.
Der Prozessvertreter RA Dälken machte freundlich zaghafte Einwendungen.
Der Prozessvertreter RA Wintermann hat sich nur belanglos zum Schluss der Verhandlung geäußert.
Die Prozessvertreterin RA Dr.Kalver hat sich gar nicht geäußert.
Welche Unterlagen und Zahlen von der Stadtwerke Lingen GmbH die Prozesspartei des Klägers (RA Dälken) zur Verfügung hatte, war nicht feststellbar.
Zur Darlegungs- und Beweislast der Stadtwerke Lingen GmbH genügten dem Gericht anscheinend die Schriftsätze der Stadtwerke Lingen GmbH und die Zeugenaussage eines Mitarbeiters der Stadtwerke hierzu sowie ein so genanntes Gutachten eines Wirtschaftsprüfers für die Stadtwerke Lingen GmbH und seine Zeugenaussage hierzu.
Welche Unterlagen dem Landgericht Osnabrück abweichend gegenüber dem Amtsgericht Lingen dargelegt wurden, war nicht erkennbar.
Ob und inwieweit ein Vertriebsleiter für die Kostenrechnung (Kostenarten, Kostenstellen, Kostenträger) einschließlich Bezugskosten und Kalkulation der Verkaufspreise zuständig ist, wurde nicht hinterfragt.
Der Wirtschaftsprüfer hat angeblich eine „Spartenrechnung“ überprüft, ohne dies näher darzulegen. Im Rahmen einer üblichen Wirtschaftsprüfung werden Bestandteile einer Kosten- und Leistungsrechnung („Spartenrechnung“) nicht geprüft. Ob, inwieweit und mit welchem Ergebnis hier ein besonderer Prüfungsauftrag vorlag, wurde nicht dargelegt.
So einfach kann „Rechtsfindung“ im Berufungsverfahren mit § 315 BGB sein.
Eine „streitige Verhandlung“ sollte die Unterschiede deutlicher werden lassen.
Anlass für den „Appell“ des Richters an die Stadtwerke Lingen GmbH und sein „Betroffenheitsgeständnis als Kunde“ war wohl die Anwesenheit von Zuschauern/-hörern, mit denen man nicht gerechnet hatte.
Die beiden Zuschauer/-hörer verfolgten mit zunehmender „Verblüffung“ die Art der „Rechtsfindung“.
Waren sie in eine andere „Veranstaltung“ geraten?
Alles, was bisher zum Thema „Billigkeitskontrolle von Energiepreisen nach § 315 BGB“ im
> von Rechtsanwalt Thomas Fricke, Jena, im Sonderheft 1 Energie Depesche, April 2006,
> von Richterin am BGH (X. Zivilsenat) Barbara Ambrosius in der Fachzeitschrift ZNER 2007, Heft 2, Seite 95 ff und
> im Forum Bund der Energieverbraucher,
von - juristischen Laien - an Kenntnissen erworben wurde, war bis zur Unkenntlichkeit dargeboten.
So ist das also, wenn gesagt wird: „Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand!“
Da war doch mal bei einem Fußballspiel die „Gottes Hand“ wirksam.
„Gottes Hand“ kann in vielfältiger Variation auftreten. Eine wirkte im Gerichtssaal am 30.01.2008.
Das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) wurde nicht erwähnt.
„§ 1 (1) Zweck des Gesetzes ist eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas.
§ 2 (1) Energieversorgungsunternehmen sind im Rahmen der Vorschriften dieses Gesetzes zu einer Versorgung im Rahmen des § 1 dieses Gesetzes verpflichtet.“
Möglichst preisgünstig heißt, so preisgünstig wie überhaupt nur möglich (BGH Urteil vom 02.10.1991 – VIII ZR 240/90, unter III. 2a).
Von einer „möglichst preisgünstigen“ Versorgung war nicht die Rede, ebenso nicht von einer „energiewirtschaftlich-rationellen Betriebsführung“.
So sieht es das OLG Koblenz im Beschluss vom 09.02.2007 – W 50/07 Kart:
„Die Prüfung, ob die Entgeltbestimmung der Beklagten billigem Ermessen nach § 315 Abs. 3 BGB entspricht, richtet sich auch nach dem EnWG. Denn nach § 1 Abs. 1 EnWG ist Zweck des Gesetzes eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas. Damit ist auch für Gaslieferungsverträge und damit für die Entgeltbestimmungen der Beklagten der das gesamte Energiewirtschaftsrecht beherrschende Grund der preisgünstigen Versorgung zu berücksichtigen.“
Der vorsitzende Richter legt aber besonderen Wert auf den „Rechtsfrieden“.
BGH Urteil vom 13.06.2007 – VIII ZR 36/06:
„a) Einseitige Tariferhöhungen eines Gasversorgers gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV unterliegen der gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 Ab s. 3 BGB. …
c) Die auf einer vorgelagerten Lieferstufe praktizierte Bindung des Erdgaspreises an den Preis für leichtes Heizöl (sog. Anlegbarkeitsprinzip) ist nicht Gegenstand der Billigkeitskontrolle einer einseitigen Erhöhung des Gaspreises, den ein Gasversorger seinen Tarifkunden in Rechnung stellt.
d) Eine Tariferhöhung, mit der lediglich gestiegene Bezugskosten des Gasversorgers an die Tarifkunden weitergegeben werden, entspricht grundsätzlich der Billigkeit; sie kann allerdings unbillig sein, wenn und soweit der Anstieg der Bezugskosten durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen wird.“
RA Thomas Fricke, Jena, 19.10.2007 Forum Bund der Energieverbraucher:
„Der gesetzliche Anspruch auf eine möglichst preisgünstige Energieversorgung wird somit praktisch ausgehebelt, weil die Verbraucher nur die überteuerten Preisangebote annehmen können, welche die Energieversorgungsunternehmen einseitig vorgeben.
Diese Rechtsprechung entbindet die Energieversorger faktisch von dieser klaren gesetzlichen Verpflichtung. Damit setzt sich die Rechtsprechung über den eindeutigen Willen des Gesetzgebers hinweg. Was nutzen aber die besten Gesetze, wenn Gerichte sie nicht berücksichtigen und anwenden?!“
Warum aufgrund der widersprüchlichen Rechtslage aus dem Aufsatz von Richterin am BGH Barbara Ambrosius vom LG Osnabrück keine Revision zugelassen wird, ist auch unverständlich.
Mit freundlichen Grüßen
RR-E-ft:
@enerveto
Nochmals Danke für den umfassenden Bericht.
Erst einmal das Urteil des LG Osnabrück abwarten. Wenn die Revision nicht zugelassen werden sollte, besteht ggf. gleichwohl die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH, wobei der Erfolg einer solchen ganz besondere Klimmzüge erfordert.
DocTom:
Das o.g. Gerichtsverfahren verdeutlicht wieder einmal die geradezu erstaunliche Vorgehensweise zahlreicher Gerichte im Zusammenhang mit dem § 315 BGB.
Ich empfinde es im höchsten Maße bedauerlich, dass nach dem Totalversagen der Politik die Verbraucher offenbar auch von der unabhängige Justiz keine Unterstützung erwarten können.
Man muss an die Gerichte die Frage stellen, unter welchen Voraussetzungen ein Unbilligkeitseinwand nach § 315 BGB im o.g. Zusammenhang überhaupt hypothetisch anwendbar sein soll.
Dass die Vorgaben des EnWG ignoriert werden, scheint sich offensichtlich immer mehr zu verbreiten.
Dass aber ein ggf. theoretisch unbilliger Vorlieferantenpreis (der einem Einwand des Endverbrauchers im Gerichtsverfahren aufgrund fehlender Vertragsbeziehung ohnehin nicht zugänglich ist) durch die blosse Weiterreichung an den Endkunden automatisch zum billigen Endpreis wird, ist mir nach den Grundsätzen der Logik nicht nachvollziehbar.
mit freundlichen Grüssen
DocTom
enerveto:
E-Mail: redaktion@lingener-tagespost.de
Lingener Tagespost, Redaktion
Schlachterstraße 6 – 8, 49808 Lingen (Ems)
02.02.2008
Zur Information
Berichterstattung zum Geschäftsgebaren der Stadtwerke Lingen GmbH –
Energiepreise Gas und Strom
Bürger der Stadt Lingen (Ems) als Kunde bei einem mehrheitlich kommunalen Unternehmen
Berufungsverfahren wegen Gaspreiserhöhungen, Landgericht Osnabrück am 30.01.2008
zum Urteil Amtsgericht Lingen vom 13.11.2006 – 12 C 423/06 (X)
Sehr geehrte Damen und Herren der Redaktion,
Sie wollen „das komplexe Thema“ in einem möglichst breiten Meinungsbild in der LT abbilden, und dabei versuchen, dieses so ausgewogen wie möglich zu behandeln.
Zu diesem Versuch wollen wir auch einen Beitrag leisten.
Zum Ergebnis des Berufungsverfahren der Stadtwerke Lingen GmbH zum Urteil des Amtsgerichts Lingen vom 13.11.2006 - Az: 12 C 423/06 (X) – haben Sie vermutlich schon von der Geschäftsführung der Stadtwerke Lingen GmbH einen Bericht erhalten.
Mindestens ebenso interessant könnte es sein, wie und unter welchen Voraussetzungen dieses Ergebnis entstanden ist.
Dazu erhalten Sie mit separaten EMails unsere Meinung als Zuschauer/-hörer in dieser Verhandlung am 30.01.2008:
Stadtwerke Lingen GmbH, Energiepreise, Einwand gem. § 315 BGB
Landgericht Osnabrück, Berufungsverfahren 2 S 636/06
vorher Amtsgericht Lingen12 C 423 / 06 (X) wegen Gaspreis
… (Kläger) ./. Stadtwerke Lingen GmbH (Beklagte)
Prozessvertreter: RA Bauer pp (Florian Dälken) ./. RA Rosken pp (Hubert Wintermann)
Vorsitzender Richter am LG Schneider,
Richterin am LG Kirchhoff, Richterin am LG Lichte
Mündliche Verhandlung und Beweisaufnahme, BE: Richterin am LG Lichte
Verhandlung am 30.01.2008 von 10.00 bis 11.20 Uhr, Saal 87
Urteil am 22.02.2008, 09.00 Uhr, LG Osnabrück Saal 87
(A) Kurzfassung zur Verhandlung
(B) Prozessverlauf skizziert nach Kurznotizen
(C) Fazit
Weitere Informationen und Stellungnahmen hierzu erhalten Sie auf der Web-Seite vom
Bund der Energieverbraucher e.V.:
im Forum „Versorger – Stadtwerke Lingen“
>“LG Osnabrück Berufung 30.01.08, AG Lingen 13.11.06“
enerveto:
Verbraucherzentrale Hamburg
Email: info@vzhh.de
04.02.2008
Klageverfahren E.ON Hanse AG, LG Hamburg, Gaspreis
LG Osnabrück, mündliche Verhandlung 30.01.2008 wegen Gaspreis
Grundlage BGH Urteil vom 13.06.2007 - VIII ZR 36/06
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie unterstützen die Sammelklage von 54 Kunden mit Klägervertreter Rechtsanwalt Joachim Bluhm (Hamburg) vor dem Landgericht Hamburg gegen den Versorger E.ON Hanse AG auf Unangemessenheit der Gaspreise.
Die Klage wurde schon im April 2005 eingereicht.
Bisher ist u. a. deshalb kein Urteil ergangen, weil auf eine Entscheidung des BGH gewartet wurde.
Diese Entscheidung des BGH liegt mit Urteil vom 13.06.2007 - VIII ZR 36/06 nun vor.
Herr RA Joachim Bluhm hat in Zusammenarbeit mit Ihrer Verbraucherzentrale dazu eine Bewertung des BGH-Urteils vorgenommen, die auf Ihrer Web-Seite veröffentlicht ist.
Das Landgericht Osnabrück hat aus Anlass der Berufung eines Urteils vom Amtsgericht Lingen vom 13.11.2006 – 12 C 423 /06 (X) – zu Gaspreiserhöhungen - in einer mündlichen Verhandlung am 30.01.2008 das Urteil des BGH vom 13.06.2007 zur Grundlage der Entscheidungsfindung gemacht.
Es könnte für Sie interessant sein, wie und unter welchen Voraussetzungen diese „Entscheidungsfindung“ entstanden ist.
Dazu erhalten Sie als Vergleich das Urteil des AG Lingen vom 13.11.2006 und mit separaten EMails unsere Meinung als Zuschauer/-hörer in dieser Verhandlung am 30.01.2008:
Stadtwerke Lingen GmbH, Energiepreise, Einwand gem. § 315 BGB
Landgericht Osnabrück, Berufungsverfahren 2 S 636/06
vorher Amtsgericht Lingen12 C 423 / 06 (X) wegen Gaspreis
… (Kläger) ./. Stadtwerke Lingen GmbH (Beklagte)
Prozessvertreter: RA Bauer pp (Florian Dälken) ./. RA Rosken pp (Hubert Wintermann)
Vorsitzender Richter am LG Schneider,
Richterin am LG Kirchhoff, Richterin am LG Lichte
Mündliche Verhandlung und Beweisaufnahme, BE: Richterin am LG Lichte
Verhandlung am 30.01.2008 von 10.00 bis 11.20 Uhr, Saal 87
Urteil am 22.02.2008, 09.00 Uhr, LG Osnabrück Saal 87
(A) Kurzfassung zur Verhandlung
(B) Prozessverlauf skizziert nach Kurznotizen.
(C) Fazit
Weitere Informationen und Stellungnahmen hierzu erhalten Sie auf der Web-Seite vom
Bund der Energieverbraucher e.V.:
im Forum „Versorger – Stadtwerke Lingen“
>“LG Osnabrück Berufung 30.01.08, AG Lingen 13.11.06“
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