Das genannte Urteil des LG Düsseldorf vom 15.08.2007 - 34 O (Kart) 106/07 Q ist abgedruckt in RdE 2008, Seite 29 f. Das Urteil findet ggf. Eingang in die Urteilssammlung.
Auf den Widerspruch des Versorgers hatte das Gericht durch Urteil eine ohne mündliche Verhandlung ergangene einstweilige Verfügung, mit der die Einstellung von Stromlieferungen untersagt wurde, aufgehoben.
Die Redaktion des Heftes hat dazu folgende nichtamtliche versorgerfreundliche Leitsätze geildet:
1. Macht ein Versorgungsunternehmen einem Kunden nach Kündigung des alten Vertragsverhältnisses ein Angebot auf Abschluss eines neuen Sondervertrags und bezieht der Kunde sodann trotz Widerspruchs in der Folgezeit unverändert seine Energie von dem Versorgungsunternehmen, hat dieser durch konkludentes Verhalten das Angebot angenommen, so dass ein entsprechender Vertrag zu den geänderten Bedingungen zustande gekommen ist.
2. Eine Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB scheidet in diesem Falle aus.
3. Dem Versorgungsunternehmen steht insoweit unter den Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 StromGVV ein Recht zur Unterbrechung der Stromversorgung zu.
Anmerkung:
Keiner dieser von der Redaktion gebildeten Leitsätze kann rechtlichen Bestand haben. Die Entscheidung zeigt, dass Gerichte immer wieder Schwierigkeiten mit der Anwendung des Allgemeinen Teils des BGB zum Abschluss von Vertragsverhältnissen haben, auf welche noch in den Anfangssemestern jeder juristischen Ausbildung sehr großer Wert gelegt wird.
Der zu Grunde liegende Sondervertrag für Heizstromlieferungen soll durch versorgerseitige Erklärung mit Schreiben vom 30.03.2006 \"zum 31.06.2006\" gekündigt worden sein, wobei Streit darüber bestand, ob die Kündigung überhaupt wirksam war. Mit Schreiben vom 16.05.2006 soll der Versorger ein neues Vertragsangebot mit zum 01.07.2006 und 01.01.2007 jeweils erhöhten Strompreisen angeboten haben.
Zu dem neuen Vertragsangebot ab 01.07.2006 soll der Kunde mit Schreiben vom 14.06.2006 erklärt haben, dass er dieses nicht annehmen, den übersendeten Vertragstext nicht unterschreiben werde. Wohl hilfsweise soll er sich auf § 315 BGB berufen haben.
Wenn die Kündigung zum 30.06.2006 wirksam gewesen sein sollte, konnte ein neuer Sondervertrag - wie jeder andere Vertrags auch - nur durch Angebot und Annahme zustande kommen, §§ 145 ff. BGB. War die Kündigung hingegen unwirksam, konnte gar kein neuer Vertrag zustande kommen.
Das Angebot des Versorgers vom 16.05.2006 konnte durch den Kunden nur innerhalb der Frist des § 147 II BGB angenommen werden. Eine solche Annahme erfolgte nicht. Der Kunde hatte zudem mit Schreiben vom 14.06.2006 sogar mitgeteilt, dass er das Angebot nicht annimmt, den zugesandten Vertragstext deshalb nicht unterschreibt.
Eine konkludente Annahme gem. § 151 BGB war wohl allein schon deshalb ausgeschlossen, weil der Versorger zum Zeichen des Einverständnisses die Rücksendung des gegengezeichneten Vertragstextes verlangt hatte.
Zudem bestand nach Ablauf der Frist des § 147 II BGB schon kein annahmefähiges Angebot des Versorgers mehr. Mithin scheidet jedenfalls auch deshalb eine konkludente Annahme gem. § 151 BGB aus.
In Betracht käme allenfalls eine verspätete Annahme gem. § 150 II BGB, die als neuer Antrag des Kunden gilt und der Annahmeerklärung durch den Versorger gem. § 145 ff. BGB innerhalb der Frist des § 147 II BGB bedurfte.
Auch eine verspätete Annahmeerklärung gem. § 150 II BGB lag nicht vor.
Im Gegenteil:
Der Kunde hatte dem Abschluss mit Schreiben vom 14.06.2006 vor dem 01.07.2006 ausdrücklich widersprochen.
Der konkludente Abschluss eines Sondervertrages durch Stromentnahme aus dem Netz ist ausgeschlossen, weil schon § 2 Abs. 2 AVBEltV/ StromGVV für ein solches Vertragsverhältnis nicht gilt (vgl. auch BGH, Urt. v. 2.10.1991 - VIII ZR 240/90 und OLG München, NJW-RR 1999, 421).
Eine Übertragung der Rechtsprechung zu § 2 Abs. 2 AVBEltV scheidet aus.
Die AVBEltV galt gem. § 116 EnWG nur für bereits vor Inkrafttreten des EnWG 2005 bestehende, unveränderte Tarifkundenverträge, also vorliegend gerade nicht. Die StromGVV trat erst am 08.11.2006 in Kraft, konnte also am 01.07.2006 auch nicht gelten, auch nicht für eine zwischenzeitliche Ersatzversorgung, die am 01.10.2006 geendet hätte.
Die Annahme eines konkludenten Vertragsabschlusses und zugleich einer darin bestehenden Preisvereinbarung ist ein Zirkelschluss und verstößt gegen Denkgesetze.
Ein Vertragsabschluss hätte gem. §§ 145 ff. BGB kunstgerecht (lege artis) geprüft werden müssen.
Diese Prüfung hätte ergeben, dass ein Vertrag gerade nicht zustande kam,
weil sich die Parteien nicht über den Preis als vertragswesentliches Element mit übereinstimmenden, zugangsbedürftigen Willenserklärungen geeinigt hatten, § 154 I BGB.
Sollte die Kündigung zum 30.06.2006 tatsächlich wirksam gewesen sein, so wären die Stromlieferungen in der Zeit vom 01.07.2006 ohne wirksamen
Vertragsabschluss im Wege der Ersatzversorgung gem. § 38 EnWG erfolgt.
Dabei handelt es sich um ein gesetzliches Schuldverhältnis sui generis, welches zur Voraussetzung hat, dass eine vertragliche Abrede für die
Stromlieferungen gerade nicht besteht. Bei den Preisen der Ersatzversorgung handelt es sich um einseitige Preisfestsetzungen, die deshalb der Billigkeitskontrolle gem. §§ 315 III 1 BGB, 17 I 3 StromGVV unterliegen. Der Kunde soll sich mit Schreiben vom 11.08.2006 auf § 315 III BGB berufen haben, so dass die entsprechende Einrede erhoben war. Ein Billigkeitsnachweis erfolgte nicht. Die Ersatzversorgung endete als gesetzliches Schuldverhältnis nach Ablauf von drei Monaten, also am 01.10.2006.
Bestand hienach kein vertragliches Stromlieferungsverhältnis, so bestand
auch kein vertraglicher Zahlungsanspruch, aber auch kein Anspruch auf Stromlieferungen, so dass die Einstellung der Versorgung allein aus diesem Grunde erfolgen konnte.
Möglich erscheint indes auch die Auslegung, dass der Kunhde mit Schreiben vom 11.08.2006 den Abschluss eines neuen Sondervertrages rückwirkend ab 01.07.2006 angetragen hatte, bei welchem dem Versorger ein einseitiges Leistungsbestimmungerecht gem. § 315 I BGB eingeräumt wurde. Die Einräumung eines solchen Rechts macht die Einigung
über den Preis gem. § 154 I BGB entbehrlich (vgl. BGH Urt. v. 07.02.2006 -
KZR 8/05 und KZR 24/04).
Dieses Angebot des Kunden kann das EVU gem. § 362 II HGB dadurch angenommen haben, dass es nicht unverzüglich widersprach und weiter Strom lieferte. Dafür spricht, dass auch der Versorger von einem bestehenden Vertragsverhältnis ausging, ohne dass gem. §§ 145 ff. BGBeine Einigung auf die zu zahlenden Preise erfolgt war (vgl. BGH, Urt. v. 07.02.2006 - KZR 8/05).
Wurde ein Sondervertrag abgeschlossen, so ergibt sich ein Recht auf
Abschlagsanforderungen nicht aus dem Gesetz, weil die StromGVV nicht gilt.
Abschläge können nur dann verlangt werden, wenn Abschlagszahlungen vertraglich vereinbart wurden. Wurde ein solches Recht vereinbart und dem Versorger zugleich das Recht eingeräumt, die Höhe der zu zahlenden Abschläge einseitig zu bestimmen, so unterliegen auch diese einseitigen Leistungsbestimmungen der Billigkeitskontrolle gem. § 315 III BGB.
Der Antrag des Kunden auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die angedrohte Versorgungseinstellung konnte deshalb nur dann Erfolg haben, wenn er selbst einen vertraglichen Anspruch auf Stromlieferungen über den 17.05.2007 hinaus hatte.
Dies setzt einen nach dem 31.06.2006 (noch) gültigen bzw. neu begründeten Stromlieferungsvertrag voraus, was nicht ohne weiteres beurteilt werden kann (Auslegungsfrage).
Zudem darf dem Versorger kein Zurückbehaltungsrecht gem. § 320 BGB zustehen. Das ist dann nicht der Fall, wenn sich die Parteien bei Vertragsabschluss auf ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 I BGB geeinigt hatten und der geforderte Billigkeitsnachweis nicht erbracht wurde, § 315 III 1 BGB. Es fehlt dann an einem fälligen Zahlungsanspruch als Gegenrecht, aus dem ein Zurückbehaltungsrecht ausgeübt werden kann.
Das Recht auf Versorgungseinstellung kann sich insbesondere nicht aus § 19 StromGVV ergeben, weil die StromGVV für Sonderverträge schon nicht gilt (vgl. § 1 StromGVV).
Die Entscheidung ist demnach jedenfalls insoweit falsch, als ausgeführt wird, der Kunde habe das im Schreiben vom 16.05.2006 enthaltenene Angebot des Versorgers auf Abschluss eines neuen Vertrages durch unveränderten Strombezug über den 01.07.2006 hinaus angenommen. Die darin genannten Preise seien vertraglich zwischen den Parteien vereinbart worden.
Man muss sich schon die Frage stellen, was außer einem unveränderten Strombezug der Kunde auch hätte tun sollen, nachdem gar kein anderer Heizstromlieferant zur Verfügung stand und eine Umstellung auf einen anderen Energieträger wenn nicht sogar ausgeschlossen, so doch mit einem erheblichen Kostenaufwand verbunden gewesen wäre.
Eine entsprechende Einigung scheitert bereits an § 147 II BGB, zudem daran, dass der Kunde die Preise im Schreiben vom 14.06.2006 als unangemesen monierte, sich zudem auf § 315 BGB berief.
Ob der Kunde im konkreten Fall einen vertraglichen Anspruch auf
Stromlieferungen über den 17.05.2007 hatte, kann aus vorgenannten Gründen nicht beurteilt werden. Ein Lieferanspruch könnte sich aus kartellrechtlichen Vorschriften ergeben, wenn der Versorger bei der Heizstrombelieferung eine Mononopolstellung bzw. marktbeherrschende Stellung einnahm, wie es regelmäßig der Fall ist.
Denkbar wäre, dass die Kündigung zum 30.06.2006 unwirksam war.
Dann hätten die bis dahin vertraglich vereinbarten Preise weiter bezahlt werden müssen. Selbst bei deren Zugrundelegung soll sich der Kunde jedoch in einem Umfang im Rückstand befunden haben, so dass ein Zurückbehaltungsrecht des Versorgers nicht durch § 19 StromGVV ausgeschlossen gewesen sein soll.
Gegen das Urteil wurde beim OLG Düsseldorf Berufung eingelegt. Das OLG Düsseldorf wies darauf hin, dass das Urteil insoweit falsch ist, als das Landgericht Düsseldorf den Neuabschluss eines Wärmestromvertrages ab dem 01.07.2006 unter Einigung auf die vom Versorger angegebenen Preise angenommen hatte.
Womöglich hatte Herr Kollege Dr. Hempel aus Wuppertal, welcher das Urteil des Landgerichts Düsseldorf der Zeitschrift mitgeteilt haben soll, die Redaktion nicht über den Fortgang der Sache informiert, so dass die Redaktion auch keine entsprechende Anmerkung vornehmen konnte.... Möglicherweise hätte sich die Redaktion nach einer entsprechenden Information der Bildung der genannten redaktionellen Leitsätze enthalten.
Thomas Fricke
Rechtsanwalt