@sonoio
Es ist meines Erachtens derzeit nicht damit zu rechnen, dass einzelne Kunden wegen kleiner Forderungen verklagt werden.
Allenfalls Mahnbescheide, gegen die man ohne weiteres Widerspruch einlegen kann, sind derzeit zu erwarten:
Das Risiko von Klagen ist wohl wegen der Kosten und wegen der zu besorgenden divergierenden Rechtsprechung der Amtsgerichte auch für die Versorger zu groß.
Einzelne Versorger haben in umfangreichen Gesprächen mit Verbraucherzentralen, an denen auch immer Konzern-Vertreter z. B. eigens aus München angereiste juristische Mitarbeiter der E.on- Tochter Thüga (welche wiederum an vielen Stadtwerken beteiligt ist) beteiligt waren, zum Ausdruck gebracht ggf. "Musterverfahren" zu erwägen.
Die Versorger stimmen ihr Vorgehen wohl über ihre Verbände und über ihre jeweiligen Konzerne ab.
Diese haben selbst ersichtlich kein Interesse daran, dass etwa ein kleines Konzernunternehmen (Stadtwerk) "aus der Reihe tanzt", um unbedacht etwa neben von beiden Seiten professionell betreuten "Pilot- bzw. Musterverfahren" nachteilige Präzedenzfälle zu schaffen.
Diese sollen sich wohl zurückhalten, bis eine gerichtliche Klärung in "Musterverfahren" erfolgt ist.
So waren erst gestern in einer kleinen SPD- Ortsveranstaltung in Dinslaken zu den Gaspreise neben den Geschäftsführern der Stadtwerke auch namhafte Vertreter des BGW (
http://www.bgw.de ) und des VKU (
http://www.vku.de ) zugegen. Dabei wurde auch nur die vage Aussage getroffen, man müsse jetzt darüber nachdenken, ggf. auch Kunden zu verklagen.
Ebenso waren bei einer Veranstaltung zu den Gaspreisen in Münster im Januar 2005 ebenfalls BGW- und Konzernvertreter beteiligt, um vor Ort nichts dem Zufall zu überlassen.
Vom Nachdenken über Klagen redet E.on Hanse bereits seit November 2004. E.on Westfalen Weser deutete auf der Veranstaltung in Paderborn am 21.01.2005, an der auch namhafte BGW- Vertreter sowie ein spezialisierter Kollege von Freshfields Bruckhaus Deringer
(
http://www.der-syndikus.de//briefings/vw/vw_034.htm )
beteiligt waren, an, man müsse "über Klagen nachdenken".
Einzelne Kunden hatten sich gemeldet und sogar verlangt, verklagt zu werden. Passiert ist aber bisher nichts. Nach Unternehmensangaben wollte man auf jeden Fall das erste Quartal 2005 abwarten, wie sich die Dinge weiter entwickeln, siehe hierzu unter
http://www.gaspreise-runter-owl.de (Presse)
Wenn das für die Versorger mit dem Klagen also so unproblematisch wäre, wie diese immer vorgeben, hätte es längst schon Gelegenheiten dazu gegeben, zumal wenn die Kunden sich die Klagen sogar öffentlich ausdrücklich wünschten.
Bisher hat ja deshalb auch kein Versorger geklagt, allein Verbraucher sind mit Feststellungsklagen vorgegangen, um eine gerichtliche Klärung zu erzwingen.
An einer "Klagewelle" mit ungewissem Ausgang sind die Versorger in ihrer Gesamtheit, aber auch im einzelnen aus oben genannten Gründen nicht interessiert:
Wenn die Versorger bei einer Zahlungsklage gezwungen sind, ihre Kalkulation offen zu legen und dabei würde sich erweisen, dass die Preise bereits zuvor längstens zu hoch waren - wofür einiges spricht - hätten
alle Kunden, auch jene, die bisher noch gar nicht nur unter Vorbehalt gezahlt haben, einen entsprechenden
Rückzahlungsanspruch für die letzten drei Jahre und könnten also
allesamt Geld zurück verlangen.
Das ist ein erhebliches wirtschaftliches Risiko, dass nicht jeder einzugehen bereit ist. Zudem müssten ggf. bereits jetzt entsprechende Rückstellungen gebildet werden.
Wenn ein Versorger aber seine Kunden mit einer "Klagewelle" überzieht und dann von den Gerichten gesagt bekommt, dass er zum Nachweis der Billigkeit seine Kalkulation offen legen muss, kann der Versorger ja dann nicht mehr schnell noch alle Klagen wieder zurücknehmen, um ein Urteil zu vermeiden.
Bei einem einzelnen Kunden wäre dies vielleicht noch ohne viel Aufhebens möglich. Bei einer großen Anzahl von Klagen, die für den Versorger mit vorzuschießenden Gerichtskosten verbunden sind, scheidet eine solche "Erledigung" jedoch aus:
Alle Welt würde brechtigt fragen, warum die Klagen zurückgenommen wurden, wer die entstandenen Kosten und wer die Verantwortung dafür trägt.
Für den Versorger geht es deshalb um weit mehr, als die aus seiner Sicht vernachlässigbaren "paar EURO" von einem einzelnen Kunden.
Für den Versorger steht sehr viel mehr auf dem Spiel.
Deshalb sind wohl allenfalls "Musterverfahren" angestrebt.
Solche Pilot- oder Musterverfahren, wenn sie denn überhaupt kommen, können u. a. von den Verbraucherzentralen auf Seiten der Verbraucher begleitet werden.
Hierfür stehen auch Kollegen zur Verfügung. Unter den Verbraucherverbänden findet ständig ein Wissenstransfer zur aktuellen Rechtsprechung statt.
"Fachanwälte" für Energierecht gibt es nicht, sondern nur auf das Gebiet spezialisierte Kollegen. Solche, die für Verbraucher tätig sind, tauschen sich auch regelmäßig untereinander aus und werden zudem immer mehr Möglichkeiten finden, auch noch immer mehr Kollegen entsprechend zu befähigen.
Deshalb ist es nach wie vor angezeigt, nach dem Unbilligkeitseinwand in Ruhe abzuwarten und sich nicht einschüchtern zu lassen.
Sollten ie tatsächlich eine Klage erhalten, setzen Sie sich unverzüglich mit der Verbraucherzentrale und dem Bund der Energieverbraucher in Verbindung.
Innerhalb der zwei- Wochen- Frist ab Zustellung für die Abgabe der Verteidigungsanzeige bestehen dann genügend Möglichkeiten, damit sich die juristischen Spezialisten der Verbraucherverbände mit dem Fall befassen können.
Informieren Sie die Verbraucherverbände schnellstmöglich auch, wenn Sie schon einen eigenen Anwalt eingeschaltet haben sollten und diesem eine Klage zugestellt wird, damit dieser ggf. eine entsprechende Unterstützung erfahren kann.
Freundliche Grüße
aus Jena
Thomas Fricke
Rechtsanwalt