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Autor Thema: Reaktion der Gasag auf Widerspruch  (Gelesen 7896 mal)

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Reaktion der Gasag auf Widerspruch
« am: 26. Februar 2005, 01:15:31 »
Die Gasag hat auf meinen Widerspruch im Sinne von § 315 BGB mit den inzwischen hinlänglich bekannten Formeln reagiert. Ich stelle das Schreiben aber mal hier ins Forum, um von anderen Gasag-Kunden, die widersprochen haben, zu hören, ob sich der Text mit den Reaktionen der Gasag auf ihre Widersprüche deckt.

\"Die Preiserhöhung der Gasag ist wirtschaftlich begründet und berechtigt nicht zur anteiligen Kürzung von Abschlags- oder Rechnungsbeträgen durch die Verbraucher. Wir geben nur die Mehrkosten, die uns selbst beim Gasbezug entstehen, an unsere Kunden weiter. Die höheren Gasbezugskosten erklären sich durch den im Jahresverlauf stark gestiegenen Ölpreis, da die Ölpreisbindung Bestandteil unserer Bezugsverträge ist.

Die Kopplung an die Ölpreisentwicklung ist aber keineswegs eine Einbahnstraße nach oben. Nach zwei Preissenkungen um insgesamt 0,4 Cent/kWh liegt die letzte Preiserhöhung der Gasag, die größtenteils durch eine Steuererhöhung begründet war, fast zwei Jahre zurück.

Die Offenlegung der Preiskalkulation ist im Wirtschaftsleben unüblich und findet auch keinerlei Grundlage im Gesetz. Sie ist keine Anforderung innerhalb der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB - falls diese Vorschrift im Einzelfall überhaupt anwendbar ist. Dies hat nichts mit Heimlichtuerei zu tun, sondern vielmehr damit, dass die Preiskalkulation zu den normalen Geschäftsgeheimnissen eines Unternehmens gehört.

Außerdem hat ein unabhängiger Wirtschaftsprüfer der Gasag attestiert, mit den Preiserhöhungen zum 1.12.2004 lediglich die Erhöhung ihrer eigenen Bezugskosten an die Kunden weiter gegeben zu haben. Dieses Wirtschaftsprüfertestat ist zur Vorlage beim Kartellamt, das für die Bekämpfung von Preismissbrauch zuständig ist, bestimmt. Es darf aufgrund der branchenüblichen Vertraulichkeitsverpflichtungen gegenüber den Wirtschaftsprüfern auch nur gegenüber der Kartellbehörde verwendet werden.

Seitens des Kartellamts ist ein Missbrauchsverfahren gegen die Gasag weder eingeleitet worden, noch ist eine Rückfrage zur Preisgestaltung der Gasag erfolgt. Sie können daher davon ausgehen, dass die Preisgestaltung der Gasag nicht zu beanstanden ist.

Wir bitten um Verständnis, dass wir Ihrem Wunsch nach Offenlegung unserer Preiskalkulation aus den beschriebenen Gründen nicht nachkommen können.

Trotzdem haben Sie selbstverständlich das Recht, die Angemessenheit unserer Preise gerichtlich überprüfen zu lassen.

Eine Kürzung der Abschläge bzw. der Rechnung Ihrerseits führt dazu, dass die Gasag ein gerichtliches Verfahren wegen der auflaufenden Zahlungsrückstände führen müsste. Wir gehen aus den oben genannten Gründen davon aus, dass die Berechtigung unserer Forderungen dann gerichtlich festgestellt wird. Dann wären Sie mit dem Risiko belastet, die Kosten des gerichtlichen Verfahrens tragen zu müssen.

Wir möchten Sie daher bitten, Ihre geplante Vorgehensweise noch einmal zu überdenken.\"

Bemerkenswert finde ich höchstens, dass die Gasag die Existenz eines Wirtschaftsprüfertestats zugibt (um im selben Atemzug dessen \"branchenübliche Vertraulichkeit\" zu reklamieren), das zur Vorlage beim Kartellamt bestimmt sei - obwohl im folgenden Absatz erklärt ist, das Kartellamt habe weder ein Missbrauchsverfahren eingeleitet noch eine Preisgestaltungsrückfrage gestellt. Muß wohl vorauseilendes schlechtes Gewissen gewesen sein, ein solches Testat anfertigen zu lassen.

Zur Senkung des Arbeitspreises um insgesamt 0,4 Cent/kWh (1.10.2001 und 1.5.2002) ist übrigens anzumerken, dass die Gasag lieber nicht erwähnt hat, den Arbeitspreis 2000 drei Mal um insgesamt 1,79 Pf/kWh erhöht zu haben, was damals rund 30% waren, während die beiden späteren Senkungen 10% betrugen, die aber durch eine Erhöhung Anfang 2003 (fast) wieder zurückgenommen wurden. Und zum 1.12.2004 noch einmal 7,7% dazu, so dass der Arbeitspreis seit Anfang 2000 insgesamt um rund 34% gestiegen wäre.

Zum Schluß noch eine Frage zu einem kleinen Dilemma, auf die vielleicht einer der Experten hier eine Antwort weiß. Zusammen mit meinem Widerspruch hatte ich die Gasag aufgefordert, die nicht korrekt berechnete Jahresabrechnung zu korrigieren. Das wurde auch getan, bei der Gelegenheit aber gleichzeitig der überzahlte Betrag für die Preiserhöhung seit dem 1.12.2004 aus der Abrechnung gestrichen, den ich – abzüglich des 2%-igen Sicherheitszuschlages – zusammen mit dem übrigen Guthaben ebenfalls zurückverlangt hatte. Dazu hieß es in dem Gasag-Schreiben nur: „Die berichtigte Rechnung wurde unter Berücksichtigung der Preiserhöhung vom 1.12.2004 erstellt.“ Die Frage ist: wie läßt sich jetzt an diesen Betrag kommen, um zu verhindern, dass die Preiserhöhung als gezahlt gilt? Schriftlich zurückfordern und im Fall der Nichtzahlung vom nächsten Abschlag abziehen?

Erstaunt hat mich übrigens auch, dass in der korrigierten Abrechnung plötzlich ein anderer Brennwert berechnet wird als in der ersten Abrechnung. Ich dachte bisher, dass Brennwerte in gegebenen Zeiträumen feste Größen sind.

Schöne Grüße aus Berlin
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Offline Neckarsurfer

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Reaktion der Gasag auf Widerspruch
« Antwort #1 am: 26. Februar 2005, 01:38:43 »
Servus

wie groß ist der Unterschied im Brennwert?
Vorteil oder Nachteil?
Wahrscheinlich haben die für die neue Rechnung den aktuellen Brennwert verwendet.

Gruß, Jens

Offline up

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Reaktion der Gasag auf Widerspruch
« Antwort #2 am: 26. Februar 2005, 01:57:35 »
Hi,

der Unterschied ist nicht groß (dritte Stelle hinterm Komma) und auch nicht zu meinem Nachteil - aber wenn man schon mal anfängt genau hinzusehen, fallen einem solche Sachen auf.

Gruß up

Offline RR-E-ft

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Reaktion der Gasag auf Widerspruch
« Antwort #3 am: 28. Februar 2005, 14:27:38 »
@up

Nach der hier vertretenen Rechtsauffassung, die sich auf die höchstrichterliche Rechtsprechung des BGH stützt, vgl. die Urteile vom 30.04.2003 VIII ZR 279/02 und 278/02 unter www.bundesgrichtshof.de (Entscheidungen) ist der neue Preis nach dem Einwand der Unbilligkeit gem. § 315 BGB zunächst, d. h. bis auf weiteres vollkommen unverbindlich.

Es gilt deshalb zunächst - bis auf weiteres - der alte Preis weiter.

Deshalb ist der Versorger schon nicht berechtigt, wegen einer bis auf weiteres vollkommen unverbindlichen Preisänderung die Abschlagshöhe gem. § 25 Abs. 2 AVBV zu ändern, da dies bei der Jahresverbrauchsabrechnung im Falle der Unbilligkeit der Preiserhöhung jedenfalls zu einer Überzahlung zu Lasten des Kunden führen würde.

Der Kunde müßte deshalb auf Rückzahlung klagen.
Der Versorger würde so die Rechtsprechung des BGH aushebeln.

Wenn Ihr Versorger schon nicht zu Abschalagserhöhungen wegen der bis auf weiteres vollkommen unverbindlichen Tarifänderung berechtigt ist, ist der Kunde nicht erst darauf verwiesen, die Abschläge zu kürzen.

Sie können mit dieser Begründung eine Korrektur der letzten Jahresverbrauchsabrechnung gem. § 21 AVBV und die unverzügliche Auskehr des sich ergebenden Betrages zur Meidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung verlangen.

In den WIBERA- Gutachten steht oftmals, dass die Tariferhöhung hinter der (von WIBERA selbst prognostizierten) Erhöhung der Bezugskosten zurückgeblieben sei.

Das WIBERA- Gutachten zur GASAG ist bisher nicht bekannt geworden.

Jedoch liegen WIBERA- Schreiben zu Stadtwerken bereits vor:

Aus denen geht nur hervor, dass die Aussagen der WIBERA auf von den Gasversorgern mitgeteilten Daten beruhen, die von diesen Gasversorgern selbst bestätigt wurden.

Die dem Gutachten zugrundegelegten Zahlen müssen deshalb schon nicht stimmen. Ein entsprechendes Gutachten wäre deshalb wertlos.

Offen bleibt dabei auch immer, ob die Tarifpreiserhöhung  prozentual oder absolut hinter der Bezugskostenerhöhung zurückbleibt.

Prozentual muss die Tarifänderung immer hinter der Erhöhung der Bezugskosten zurück bleiben. Das ergibt sich allein daraus, dass die Bezugskosten nur einen Bruchteil am Endverbraucherpreis ausmachen.

Die Kosten des Leitungsnetzes, die Allgemeinen Verwaltungskosten und die Personalkosten sind schließlich nicht an den Ölpreis gekoppelt.

Ein solches Gutachten kann deshalb nichts über die Billigkeit aussagen. Hierüber haben allein Gerichte zu befinden.

Für eine gerichtliche  Entscheidung muss dem Gericht die Kalkulation eröffnet werden, vgl. den Beschluss des Amtsgerichts Heilbronn vom 04.02.2005 unter \"Neuigkeiten\".

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang noch, dass GASAG die Preise im April nicht erhöhen will, was unter sonst gleichen Bedingungen in Bezug auf alle anderen Gasversorger in Deutschland für eine bereits erfolgte vorsorgliche Preiserhöhung spricht \"um zu glätten\".

Vorsorgliche Preiserhöhungen sind unbillig, da diese für den Verbraucher bereits in der Heizperiode und nicht erst nach dem 01.04.2005 zum Tragen kommen.
 


Freundliche Grüße
aus Jena


Thomas Fricke
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Offline Schwalmtaler

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Reaktion der Gasag auf Widerspruch
« Antwort #4 am: 28. Februar 2005, 15:03:29 »
bei mir weigert sich mein Versorger die Jahresrechnung 2004 zu korrigieren \"Wir sind weiterhin, schon aus Gleichbehandlungsgrundsätzen, nicht bereit, Ihnen eine neue Jahresrechnung auszustellen, da wir von der Richtigkeit der Rechnung ausgehen. Ihren Vorbehalt haben wir dennoch zur Kenntnis genommen\"
Was tun? Kann ich ihn dazu zwingen, weil sich mein Guthaben dadurch von 0,09€ auf 14,90€ erhöhen würde? Ansonsten würde sich der Streit doch auf die nächste Rechnung verlagern, da ich bis zur Billigkeitsprüfung des Gerichtes neben den Abschlägen die 14,90€ als von mir geleistete Zahlung ansehe!

Offline RR-E-ft

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Reaktion der Gasag auf Widerspruch
« Antwort #5 am: 28. Februar 2005, 15:18:45 »
@Schwalmtaler

Zwingen kann man den Versorger nur durch eine Rückzahlungsklage, die mit bekannten Wagnissen und einem Kostenrisiko verbunden ist.

Wenn Sie den Streit verlieren sollten, hätten Sie nicht nur den Differenzbetrag nicht, sondern auch noch Prozesskosten in Höhe von 237,50 EUR zu tragen.

Deshalb könnte hier allenfalls eine Musterklage eines Verbraucherverbandes Klarheit schaffen.


Freundliche Grüße
aus Jena


Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline Schwalmtaler

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Reaktion der Gasag auf Widerspruch
« Antwort #6 am: 28. Februar 2005, 15:25:54 »
Danke für Ihre schnelle Antwort Herr Fricke.

OK, wenn mein Versorger den Streit auf die nächste Rechnung verschieben will - ich kann warten! Denn für 2005 erwarte ich eine Nachforderung seitens des Versorgers. Mal sehen auf wieviel Geld er dann verzichten möchte oder ob er mich verklagt.

Habe ich das richtig in Erinnerung, das Preisreduzierungen mir nicht vorenthalten werden dürfen? Ich würde meine Preisberechnung um den selben Centbetrag reduzieren wie sich deren Preis verringert, richtig?

Offline up

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Reaktion der Gasag auf Widerspruch
« Antwort #7 am: 28. Februar 2005, 16:26:58 »
Besten Dank für die ausführliche Antwort. Bei der Gelegenheit: Kompliment für Ihr Engagement hier im Forum

Zwei kurze Anmerkungen:

1. Heißt \"unverzügliche Auskehr\" des Betrages also: Rückforderung, ohne dass es aber möglich wäre, ihn mit künftigen Abschlägen zu verrechnen (um das Prozesskostenrisiko zu umgehen)?

2. Ich nehme an, zu den Prozesskosten von € 237,50 kämen bei Verlust des Streites noch Anwaltskosten hinzu?

Schöne Grüße up

Offline RR-E-ft

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Reaktion der Gasag auf Widerspruch
« Antwort #8 am: 28. Februar 2005, 17:47:47 »
@up

\"Auskehr\" meint Auszahlung.

Die genannten Prozesskosten bei einem Streitwert bis 300 EUR beinhalten bereits die Gerichts- und die Anwaltskosten für beide Seiten.


Freundliche Grüße
aus Jena


Thomas Fricke
Rechtsanwalt

 

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