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Autor Thema: Gaspreis runter für Neukunden???  (Gelesen 4895 mal)

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Offline sebdan

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Gaspreis runter für Neukunden???
« am: 15. Februar 2005, 21:39:54 »
Hallo,

wir haben unseren Gasanschluss genau in der Umstellungsphase bekommen. Somit ging die erste Abrechnung bereits mit den neuen höheren Preisen los. Somit kann ich nicht auf eine alte Rechnung + 2 % Zuschlag zurückgreifen und die Rechnung daraufhin kürzen. Gibt es auch für solche Kunden wie wir eine Möglichkeit sich gegen den höheren Gaspreis zu wehren?

Wolfgang

Offline RR-E-ft

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Gaspreis runter für Neukunden???
« Antwort #1 am: 16. Februar 2005, 15:37:12 »
Sie können die Preise als unbillig im Sinne von § 315 BGB rügen und sich bis zum Nachweis der Billigkeit der geforderten Preise damit einverstanden erklären, nur die Preise, die bis zum September 2004 ggf. zzgl. Sicherheitsaufschlag zu leisten.

Im Übrigen wie sonst auch.

Der § 315 BGB findet nicht nur direkte Anwendung auf Preiserhöhungen, sondern nach der Rechtsprechung des BGH auch entsprechende Anwendung auf Allgemeine Tarife.

Allein wenn Sie einen Sondervertrag abgeschlossen haben, haben Sie vorerst Pech.

Ich empfehle allen Verbrauchern, die gerade den Gasbezug beginnen, den Preisen des Versorgers zu widersprechen und diesem die Preisbestimmung nach §§ 315, 316 BGB zu überlassen.

Zum einen ist sichergestellt, dass Sie sich nicht mit Ihrem Versorger auf einen Preis geeinigt haben.

Zum anderen ist der § 315 BGB dann direkt auf den gesamten Preis anwendbar.


Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline 20artur01

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Gaspreis runter für Neukunden???
« Antwort #2 am: 22. Februar 2005, 17:39:01 »
Hallo Herr Fricke,

aus Ihrem obigen Beitrag habe ich entnommen, dass es bei den Sonderverträgen generell (?) nicht möglich ist den § 315 heranzuziehen.

Mein Sondervertrag mit eon Hanse bezieht sich in Abs. 1.3 auf den AVBGasV vom 21.6.79.
Ein sog. frei vereinbarter Preis zwischen mir und eon Hanse hat es auch nicht gegeben, da ich ja eh nur die Tarifpreise akzepieren muss und lt Absatz 2 Preisänderungen möglich sind.

Meine Frage: Gibt es für sog. Sonderverträge also überhaupt keine Möglichkeit des Widerstandes?

Viele Grüße aus Schleswig-Holstein

Offline RR-E-ft

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Gaspreis runter für Neukunden???
« Antwort #3 am: 22. Februar 2005, 19:04:19 »
@20artur01

Da bin ich wohl missverstanden worden.

Sondervertragskunden können sich gegen Preiserhöhungen in Sonderverträgen wehren.

Denn § 315 BGB greift immer dann, wenn eine Seite den Preis einseitig bestimmt.

Das nimmt der Versorger ja gerade für sich in Anspruch, obschon man ihn immer fragen muss, woraus sich sein Recht zu einseitigen Preisänderungen ergeben soll.

Ihr Versorger verweist dabei auf die AVBGasV.

Ich persönlich bin der Auffassung, dass § 4 AVBV gar kein Recht zu einseitigen Preisanpassungen begründet, sondern vielmehr ein solches vertraglich vereinbartes Recht - nämlich im Versorgungsvertrag - voraussetzt. Wenn es jedoch im konkreten Vertrag nicht vereinbart ist, fehlt es eben.

Derjenige, der sich auf ein solches Recht beruft, hat es nachzuweisen, so schon das Reichsgericht (Palandt, BGB, § 315 Rn. 19).

Die Kommentierung zu § 4 AVBV sieht es anders, aber die stammt auch von den Leuten aus der Versorgungswirtschaft und warum sollten die Kollegen gegen ihre eigenen Interessen etwas anderes in den Kommentar schreiben.

§ 4 AVBV muss man immer im Zusammenhang mit den Bestimmungen der Bundestarifordnung Elektrizität sehen. Preiserhöhungen bedürfen einer behördlichen Genehmigung. So galt das auch bis 1998 bei den Gastarifen im Kleinabnehmerbereich.

Der Versorger konnte und kann also keinesfalls nach § 4 AVBV allein nach seinem Gusto die Preise erhöhen.

Deshalb reicht die vertragliche Einbeziehung der Vorschriften der AVBV in einen Sondervertrag nicht aus, sondern es bedarf vielmehr der vertraglichen Vereinbarung einer Preisanpassungsklausel und diese muss zudem noch AGB- rechtlich überhaupt zulässig sein. Viele Klauseln sind es schon nicht.

In der neuen \"Energiedepesche\" März 2005, die Sie als Mitglied des Bundes der Energieverbraucher erhalten oder gesondert bestellen bzw. abbonieren können, sind die Erfahrungen zu Gerichtsentscheidungen zu den Preisanpassungsklauseln von Flüssiggasanbietern berichtet. Die wenigsten der Klauseln sind überhaupt wirksam. Diese hatten vor Gericht allesamt keinen Bestand.

Im Urteil des BGH vom 30.04.2003 - VIII ZR 278/02 kann mn auch lesen, dass der Bundesgerichtshof der entsprechenden Kommentierung zur AVBV nicht gefolgt ist, sondern die sonst auch üblichen allgemeinen Grundsätze und vor allem wohl auch den gesunden Menschenverstand bemüht hat.

Nur eben den ursprünglich individuell vereinbarten Preis bei Vertragsabschluss kann man wohl nicht nach § 315 BGB überprüfen lassen, so jedenfalls die bisherige Rechtsprechung.

Wenn es aber im Gasbereich schon keine Tarifaufsicht und genehmigte Preise gibt, ist wohl jedes Angebot des Versorgers, welches er allen seinen Kunden unter bestimmten Voraussetzungen anbietet und auch allen unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung im Rahmen der sog. Daseinsvorsorge (mittelbare Wirkung Artikel 3 Grundgesetz) gewähren muss, ein \"Allgemeiner Tarif\".

Der Versorger kann sich natürlich nicht der \"entsprechenden\" Anwendung des § 315 BGB auf Allgemeine Tarife dadurch entziehen, dass er seinen Tarifen nun wohlklingende Namen verleiht und behauptet, das seien allesamt Sondertarife.

Die Kernfrage, die sich dabei immer stellt, ist die, ob tatsächliche Preisverhandlungen stattgefunden haben, so wie man sich das in einer Marktwirtschaft vorzustellen hat, wo Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen und zwei Vertragspartner ihren Preis in Verhandlungen suchen.

Wenn der Gasversorger nicht wirklich mit sich verhandeln läßt, sondern nur vorgibt:

Das sind meine Preise Modell 1, 2 und 3 und nur eines davon auf den Kunden passt, weil die anderen ja gerade nicht passen können, so kann man von wirklichen Preisverhandlungen, wie sich der Gesetzgeber solche vorgestellt haben mag, nicht sprechen.

Es ist eher wie früher in den volkseigenen Verkaufsstellen hier vor Ort:

Entweder nehmen oder nicht, über den Preis gibt es nichts zu verhandeln.
Schlussendlich musste man froh sein, überhaupt etwas zu bekommen.

Eine solche Situation läßt es aus der Verbrauchersicht gerechtfertigt erscheinen, auch dabei den § 315 BGB entsprechend anzuwenden, da der marktmächtige Gasversorger, zudem Monopolist vor Ort, immer seine Preise durchsetzen kann- wenn der Kunde unbedingt mit Erdgas versorgt werden möchte.

Die Situation ist für den Verbraucher nicht anders als beim sog. Allgemeinen Tarif.

Der Versorger bräuchte ja schon nur neben seinen regulären Angeboten einen extrem hohen Allgemeinen Tarif  quasi als \"Feigenblatt\" anbieten, den dann sowieso schon keiner wählt, um hinterher immer zu sagen, der Kunde habe sich ja vollkommen frei für ein besonders günstiges Produkt entschieden und bedürfe deshalb nicht des besonderen Schutzes der gerichtlichen Billigkeitskontrolle.

Hierzu gibt es indes jedoch ersichtlich wohl noch keine entsprechende Rechtsprechung.

Rechtsprechung gibt es nur zum Strombereich, wo es jedoch bisher eine klare Unterscheidung zwischen genehmigtem Allgemeinen tarif und sog. Sonderprodukt gibt, welches preislich darunter liegt. Und da sagen die Gerichte, dass auf Sonderprodukte § 315 BGB im Gegensatz zum Allgemeinen tarif keine Anwendung findet.

Bis gestern waren die Gasversorger ja schon noch der Auffassung, § 315 BGB fände auch ihre Preise überhaupt keine Anwendung.

Für die entsprechende Rechtsprechung müssen wir also erst noch sorgen, indem wir keine Ruhe geben.

Ich hoffe, ich konnte es halbwegs verständlich erklären:

Sie können sich als Sondervertragskunde gegen unbillige Preiserhöhungen mit § 315 BGB zur Wehr setzen.


Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline 20artur01

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Gaspreis runter für Neukunden???
« Antwort #4 am: 22. Februar 2005, 23:09:41 »
Hallo Herr Fricke,

recht vielen Dank für Ihre Mitteilung.

Die Klauseln über die Ausgestaltung der sog. Vertragsfreiheit zwischen den gleichberechtigten Parteien (Kunden - Energieversorgern) mit Rechtspositionen weit hinter das Reichsgesetzblatt von 1935 lassen einen schon schwindlig werden.

Schönen Gruß aus Schleswig-Holstein!

 

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