@20artur01
Da bin ich wohl missverstanden worden.
Sondervertragskunden können sich gegen Preiserhöhungen in Sonderverträgen wehren.
Denn § 315 BGB greift immer dann, wenn eine Seite den Preis einseitig bestimmt.
Das nimmt der Versorger ja gerade für sich in Anspruch, obschon man ihn immer fragen muss, woraus sich sein Recht zu einseitigen Preisänderungen ergeben soll.
Ihr Versorger verweist dabei auf die AVBGasV.
Ich persönlich bin der Auffassung, dass § 4 AVBV gar kein Recht zu einseitigen Preisanpassungen begründet, sondern vielmehr ein solches vertraglich vereinbartes Recht - nämlich im Versorgungsvertrag - voraussetzt. Wenn es jedoch im konkreten Vertrag nicht vereinbart ist, fehlt es eben.
Derjenige, der sich auf ein solches Recht beruft, hat es nachzuweisen, so schon das Reichsgericht (Palandt, BGB, § 315 Rn. 19).
Die Kommentierung zu § 4 AVBV sieht es anders, aber die stammt auch von den Leuten aus der Versorgungswirtschaft und warum sollten die Kollegen gegen ihre eigenen Interessen etwas anderes in den Kommentar schreiben.
§ 4 AVBV muss man immer im Zusammenhang mit den Bestimmungen der Bundestarifordnung Elektrizität sehen. Preiserhöhungen bedürfen einer behördlichen Genehmigung. So galt das auch bis 1998 bei den Gastarifen im Kleinabnehmerbereich.
Der Versorger konnte und kann also keinesfalls nach § 4 AVBV allein nach seinem Gusto die Preise erhöhen.
Deshalb reicht die vertragliche Einbeziehung der Vorschriften der AVBV in einen Sondervertrag nicht aus, sondern es bedarf vielmehr der vertraglichen Vereinbarung einer Preisanpassungsklausel und diese muss zudem noch AGB- rechtlich überhaupt zulässig sein. Viele Klauseln sind es schon nicht.
In der neuen \"Energiedepesche\" März 2005, die Sie als Mitglied des Bundes der Energieverbraucher erhalten oder gesondert bestellen bzw. abbonieren können, sind die Erfahrungen zu Gerichtsentscheidungen zu den Preisanpassungsklauseln von Flüssiggasanbietern berichtet. Die wenigsten der Klauseln sind überhaupt wirksam. Diese hatten vor Gericht allesamt keinen Bestand.
Im Urteil des BGH vom 30.04.2003 - VIII ZR 278/02 kann mn auch lesen, dass der Bundesgerichtshof der entsprechenden Kommentierung zur AVBV nicht gefolgt ist, sondern die sonst auch üblichen allgemeinen Grundsätze und vor allem wohl auch den gesunden Menschenverstand bemüht hat.
Nur eben den ursprünglich individuell vereinbarten Preis bei Vertragsabschluss kann man wohl nicht nach § 315 BGB überprüfen lassen, so jedenfalls die bisherige Rechtsprechung.
Wenn es aber im Gasbereich schon keine Tarifaufsicht und genehmigte Preise gibt, ist wohl jedes Angebot des Versorgers, welches er allen seinen Kunden unter bestimmten Voraussetzungen anbietet und auch allen unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung im Rahmen der sog. Daseinsvorsorge (mittelbare Wirkung Artikel 3 Grundgesetz) gewähren muss, ein \"Allgemeiner Tarif\".
Der Versorger kann sich natürlich nicht der \"entsprechenden\" Anwendung des § 315 BGB auf Allgemeine Tarife dadurch entziehen, dass er seinen Tarifen nun wohlklingende Namen verleiht und behauptet, das seien allesamt Sondertarife.
Die Kernfrage, die sich dabei immer stellt, ist die, ob tatsächliche Preisverhandlungen stattgefunden haben, so wie man sich das in einer Marktwirtschaft vorzustellen hat, wo Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen und zwei Vertragspartner ihren Preis in Verhandlungen suchen.
Wenn der Gasversorger nicht wirklich mit sich verhandeln läßt, sondern nur vorgibt:
Das sind meine Preise Modell 1, 2 und 3 und nur eines davon auf den Kunden passt, weil die anderen ja gerade nicht passen können, so kann man von wirklichen Preisverhandlungen, wie sich der Gesetzgeber solche vorgestellt haben mag, nicht sprechen.
Es ist eher wie früher in den volkseigenen Verkaufsstellen hier vor Ort:
Entweder nehmen oder nicht, über den Preis gibt es nichts zu verhandeln.
Schlussendlich musste man froh sein, überhaupt etwas zu bekommen.
Eine solche Situation läßt es aus der Verbrauchersicht gerechtfertigt erscheinen, auch dabei den § 315 BGB entsprechend anzuwenden, da der marktmächtige Gasversorger, zudem Monopolist vor Ort, immer seine Preise durchsetzen kann- wenn der Kunde unbedingt mit Erdgas versorgt werden möchte.
Die Situation ist für den Verbraucher nicht anders als beim sog. Allgemeinen Tarif.
Der Versorger bräuchte ja schon nur neben seinen regulären Angeboten einen extrem hohen Allgemeinen Tarif quasi als \"Feigenblatt\" anbieten, den dann sowieso schon keiner wählt, um hinterher immer zu sagen, der Kunde habe sich ja vollkommen frei für ein besonders günstiges Produkt entschieden und bedürfe deshalb nicht des besonderen Schutzes der gerichtlichen Billigkeitskontrolle.
Hierzu gibt es indes jedoch ersichtlich wohl noch keine entsprechende Rechtsprechung.
Rechtsprechung gibt es nur zum Strombereich, wo es jedoch bisher eine klare Unterscheidung zwischen genehmigtem Allgemeinen tarif und sog. Sonderprodukt gibt, welches preislich darunter liegt. Und da sagen die Gerichte, dass auf Sonderprodukte § 315 BGB im Gegensatz zum Allgemeinen tarif keine Anwendung findet.
Bis gestern waren die Gasversorger ja schon noch der Auffassung, § 315 BGB fände auch ihre Preise überhaupt keine Anwendung.
Für die entsprechende Rechtsprechung müssen wir also erst noch sorgen, indem wir keine Ruhe geben.
Ich hoffe, ich konnte es halbwegs verständlich erklären:
Sie können sich als Sondervertragskunde gegen unbillige Preiserhöhungen mit § 315 BGB zur Wehr setzen.
Freundliche Grüße
aus Jena
Thomas Fricke
Rechtsanwalt