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Autor Thema: Rechtsfragen bei Preiserhöhungen des Versorgerungernehmens  (Gelesen 3830 mal)

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Offline Gottschling

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Rechtsfragen bei Preiserhöhungen des Versorgerungernehmens
« am: 19. November 2007, 16:02:18 »
Mir stellen sich einige spezielle Rechtsfragen zu dem Thema Preiserhöhungen des Versorgerungernehmens und evtl. Wechsel des Versorgers.

Ich habe einen Gasliefervertrag Online mit meinem regionalen Versorger rhenag. Dieser kündigt in einer Pressemitteilung vom 14.11.2007 eine Preiserhöhung zum 1.1.2008 an.
In der GasGVV, die meinem Erdgasliefervertrag „Online“ beigefügt war, verpflichtet sich die rhenag nach §5 GasGVV zu folgendem:
„ (2) Änderungen der allgemeinen Preise und der ergänzenden Bedingungen werden jeweils zum Monatsbeginn und erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam, die mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung erfolgen muß. Der Grundversorger ist verpflichtet, zu den beabsichtigten Änderungen zeitgleich mit der öffentlichen Bekanntgabe eine briefliche Mitteilung an den Kunden zu versenden und die Änderungen auf seiner Internetseite zu veröffentlichen.
(3) Änderungen der Allgemeinen Preise und der ergänzenden Bedingungen werden gegenüber demjenigen Kunden nicht wirksam, der bei einer fristgemäßen Kündigung des Vertrages mit dem Grundversorger die Einleitung des Wechsels des Versorgers durch entsprechenden Vertragsabschluß innerhalb eines Monats nach Zugang der Kündigung nachweist.“

Meine Fragen dazu lauten:
1. Die Pressemitteilung habe ich heute, am 19.11.2007 gelesen, weil ich danach gesucht habe. Aber von der rhenag habe ich weder eine briefliche Mitteilung noch eine E-mail-Nachricht dazu erhalten. Kann der Versorgter rhenag gemäß GasGVV die Preiserhöhung überhaupt rechtlich durchsetzen, denn er ist nach § 5 GasGVV seiner Mitteilungspflicht nicht vollständig nachgekommen, denn er hätte mich noch per Brief oder wenigstens per E-Mail-Nachricht anschreiben müssen. Ich habe weder Brief noch eine E-Mail-Nachricht erhalten.
2. Was ist, wenn die rhenag behauptet (wie schon geschehen), sie hätte mir eine E-Mail-Nachricht gesendet, ich aber beim besten Willen keine in meinem E-Mail Postfach vorfinden kann. (Hinweis der E-Mail-Verkehr hat auch mit der rhenag mehrmals funktioniert, insbesondere immer dann, wenn es für die rhenag wichtig war.)
3. Was ist, wenn ich den Erdgasliefervertrag „Online“ fristgerecht kündige und auch die Einleitung des Wechsels des Versorgers durch entsprechenden Vertragsabschluß innerhalb des geforderten Monats nach Zugang der Kündigung nachweisen kann, der neue Versorger aber den Wechsel nicht bis zum Zeitpunkt der ausgesprochenen Kündigung des Erdgasliefervertrags „Online“ (also zum 31.12.2007) umstellen kann. Falle ich dann ab den 1.1.2008 bei der rhenag in den sehr teuren Basistarif oder muß die rhenag abwarten und den Erdgasliefervertrag „Online“ solange aufrechterhalten bis die Vertragsumstellung vollzogen ist (nach meinen Informationen soll das zum 01.02., spätestens zum 01.03.2008 möglich sein)?
Wenn ich bei dem Wechsel für einen Monat in den Basistarif zurückfalle, macht ein Wechsel auf Basis der Sonderkündigung wegen Preiserhöhung keinen Sinn. Der finanzielle Vorteil kompensiert sich dann auf ca. 30 EUR, bei zwei Monaten im Basistarif wäre es schon eine Nullrunde in dem Jahr des Wechsels. Dann kann ich auch die ordentliche Kündigung zum Ablauf des Vertragsjahres in Anspruch nehmen.

Kann mir jemand fundierte Antworten darauf geben?

Offline RR-E-ft

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Rechtsfragen bei Preiserhöhungen des Versorgerungernehmens
« Antwort #1 am: 19. November 2007, 17:35:57 »
@Gottschling

Mit speziellen Rechtsfragen wende man sich vertauensvoll an einen Rechtsanwalt. Dafür gibt es ja den Berufsstand, der von der Rechtsberatung lebt.

Wenn man einen Sondervertrag außerhalb der Grundversorgung hat, dann richtet sich die Frage, ob es überhaupt ein Preiserhöhungsrecht gibt, danach, ob eine Preisänderungsklausel im Vertrag enthalten ist, die dem Transparenzgebot entspricht (vgl. OLG Bremen, Urt. v. 16.11.2007).

Die GVV sieht in §§ 5, 20 kein Sonderkündigungsrecht bei Preiserhöhungen vor. Kunden in der Grundversorgung haben also im Falle von einseitigen Preisneufestsetzungen kein Sonderkündigungsrecht.

Ob es in einem Sondervertrag außerhalb der Grundversorgung ein Sonderkündigungsrecht gibt, richtet sich nach dem Vertrag. Womöglich ist auch darin keines vorgsehen. Und auch ein solches nutzt nicht immer (vgl. BGH, Urt. v. 13.12.2006 - VIII ZR 25/06).

Das Recht zur einseitigen Preisneufestsetzung des Grundversorgers gem. § 5 GVV besteht nur deshalb, weil der Grundversorger den Vertrag gem. § 20 Abs. 1 Satz 3 GVV grundsätzlich nicht kündigen darf und trotzdem die Preise an geänderte Kosten entsoprechend seiner Verpflichtung aus §§ 1, 2 Abs. 1 EnWG zu einer möglichst preisgünstigen, effizienten leitungsgebunden Versorgung anpassen kann.

Ein entsprechendes einseitiges Preisfestsetzungsrecht in einem Sondervertrag lässt sich schon nicht rechtfertigen, wenn für den Lieferanten ein Recht zur ordnungsgemäßen Kündigung des Vertrages besteht (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 08.02.2007; OLG Bremen, Urt. v. 16.11.2007).

Demnach ist zunächst zu prüfen. ob überhaupt ein einseitiges Preisänderungsrecht besteht. Wo dies nicht der Fall ist, stellt sich die Frage nicht.

In der Grundversorgung gilt § 5 Abs. 3 GVV.

Man fällt grundsätzlich in gar keinen Vertrag. Ein Vertragsabschluss setzt eine bewusste Annahme eines Vertragsangebotes voraus. Möglicherwiese besteht ein Ersatzversorgungsverhältnis gem. § 38 EnWG, ein gesetzliches Schuldverhältnis eigener Art.

Merke:

Man kann nicht automatisch in einen Vertrag fallen, sondern allenfalls  auf ein Vertragsangebot reinfallen.

Vielleicht sollte man sich die Frage stellen, warum man sich diese Fragen nicht vor Vertragsabschluss gestellt hatte. .... Teilweise lassen sich Verbraucher völlig ohne Sinn und Verstand auf Verträge ein, deren Tragweite sie selbst gar nicht überblicken.

 

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