Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Welcher Preis für Neueinsteiger ?

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Free Energy:
Hallo Herr Fricke,

trotz des Urteils des BGH`s  vom 13.06.07 würden auch bei uns sehr viele Verbraucher gerne weiterhin Widerspruch gegen die Festsetzung der Gas- und Strompreise insgesamt einlegen.

Allerdings ist seit den Ausführungen des BGH`s zu \"rückwirkenden Preiskürzungen\" hier erhebliche Unsicherheit eingetreten, ob bei neuen Widersprüchen noch auf die alten Preise von 2004 gekürzt werden darf, oder ob die derzeitigen Preise nur noch auf den aktuellen Stand \"eingefroren\" werden können.

Es hieß ja in dem Urteil, dass nur das angezweifelt werden könne, was noch nicht durch eine entsprechende Jahresrechnung bezahlt sei.  Angenommen, ein Verbraucher bekam Mitte 2006 seine letzte Rechnung  und er hat diese damals bezahlt, sind dann nur die anschließenden Preiserhöhungen \"einkürzbar\" auf den letzten Preisstand vor dieser Rechnung, oder wie ist dieser Satz des BGH zu verstehen ?

Wenn dieses Urteil jedoch  früheren BGH-Entscheidungen widerspricht, alle Richter unabhängig urteilen können, und Sie, denke ich, weiterhin annehmen, dass nichts fällig ist, und Sie weiterhin nichts zahlen, bis eine gerichtliche Erklärung erfolgt, frage ich mich allerdings,  warum wir nicht alle weiterhin bei Erhalt der Jahresrechnungen wie bisher eine Kürzung unter Berücksichtigung der Verjährung ( also auf 2004 ) vornehmen ?

Denn solange im jeweiligen Einzellfall nicht richterlich geklärt wurde, welche Preise eigentlich angemessen sind, kann man doch eigentlich zahlen, was man will, Hauptsache, es ist irgenwie plausibel begründet, oder ?

Wenn außerdem in dem Verfahren in Karlsruhe, und in den Vorverfahren in Heilbronn so schwere Fehler, wie das Nichtbestreiten eines Wirtschaftsprüfer-Testates und  die fehlende Beanstandung des Gesamtpreises gemacht worden sind, und der BGH, so wie es sich abzeichnet, möglicherweise in diesem Fall überhaupt nicht anders konnte, als so zu entscheiden, ist diese Entscheidung doch eher \"kurios\" und eigentlich nicht allgemein verbindlich, oder sehe ich das falsch ?

Was spricht dagegen, wie bisher auf 2004 zu kürzen ?

Mit freundlichen Grüßen aus dem Münsterland

Free Energy

superhaase:

--- Zitat ---Original von Free Energy
Denn solange im jeweiligen Einzellfall nicht richterlich geklärt wurde, welche Preise eigentlich angemessen sind, kann man doch eigentlich zahlen, was man will, Hauptsache, es ist irgenwie plausibel begründet, oder ?
...
Was spricht dagegen, wie bisher auf 2004 zu kürzen ?
--- Ende Zitat ---
Nichts, denn wie hier schon x mal offenbart wurde, ist nach dem Unbilligkeitseinwand gegen den Gesamtpreis erst mal nichts fällig, also braucht man eine evtl. freiwillige Zahlung nicht einmal zu \"begründen\". Man kann freiwillig und unter Vorbehalt einen beliebigen Betrag zahlen, 2004 oder irgendeine Verjährung spielen da keine Rolle - ich zahle seit meinem Unbilligkeitseinwand Ende 2006 z.B. 25ct/m³ + 8€/mtl. netto fürs Gas. Das ist vielleicht der Preis von 1980... wer weiß.... wen interessierts......

Erst nach einer Veröffentlichung der Urteilsbegründung dieses BGH-Urteils vom 13.6.07 lohnt sich ein Nachdenken über einen Strategiewechsel. Vorher nicht.

Herr Fricke wird mich schon zurechtstutzen, wenn ichs falsch verstanden haben sollte ;)

/// Edit: ich beziehe mich hierbei natürlich auf Tarifkunden mit einseitig festgelegten Preisen.......

ciao,
sh

RR-E-ft:
@FreeEnergy

Sehr geehrter Herr Ahlers,

ich weiß nicht, warum Sie immer wieder die gleichen Fragen aufwerfen.

Es ist hinlänglich geklärt, dass § 315 BGB nur greift soweit der Preis bei oder nach Vertragsabschluss vom Lieferanten einseitig festgelegt wurde.

Das ist eine Frage des Einzelfalles.

In manchen Sonderabkommen richtet sich das zu zahlenden Entgelt ausdrücklich nach dem \"jeweils geltenden Preisblatt\", was darauf hindeutet, dass ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Lieferanten vereinbart wurde, der die jeweils geltenden Preise mit seinen Preisblättern immer wieder insgesamt neu festlegt, so der Kartellsenat des BGH (Urt. v. 18.10.2005 - KZR 36/04; Urt. v. 07.02.2006 - KZR 8/05).

Entgelt nach jeweils geltendem  Preisblatt = einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 BGB - Randnummer 9 und10!

Ohne Vereinbarung eines konkreten Preises kommt es - vorbehaltlich eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts des Lieferanten - nach der Rechtsprechung des Kartellsenats des BGH  zu gar keinem wirksamen Vertragsabschluss (Urt. v. 07.02.2006 - KZR 24/04).

Ohne Einigung kein Vertrag - Randnummer 21!  

Das bedeutet, dass immer dann, wenn man sich bei Vertragsabschluss weder auf einen Anfangspreis noch auf ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Lieferanten geeinigt hat, gar kein Vertrag wirksam zustande kommt, also weder ein Sonderabkommen, noch ein Tarifkundenvertrag. Es wird jedoch bei Energielieferungen eine ergänzende Vertragsauslegung dahingehend angenommen, dass ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Lieferanten vereinbart ist, um den Vertrags als solchen zu retten, was dem Interesse beider Parteien am besten entspreche.

Ergänzende Vertragsauslegung: Einseitiges Leistungsbestimmungsrecht - Randnummer 12!



Dann gibt es Sonderabkommen, bei denen man sich bei Abschluss auf einen konkreten Preis geeinigt hat und in deren AGB keine wirksamen Preisänderungsklauseln enthalten sind. Dann gilt der bei Vertragsabschluss vereinbarte Preis. Eine Billigkeitskontrolle findet nicht statt.

Zudem gibt es die Tarifkundenversorgung mit gesetzlichem Preisänderungsrecht.

Wenn dort der Versorger mit den jeweiligen öffentlichen Bekanntmachungen gem. § 4 II AVBGasV ausdrücklich angegeben hatte:

\"Mit dieser Veröffentlichung treten die bisherigen Preise (Stand...) außer Kraft\"

so deutet dies darauf hin, dass auch dabei mit Veröffentichung die Preise insgesamt neu festgelegt wurden, weil die vorher geltenden Preise insgesamt außer Kraft gesetzt wurden, mithin auch kein vereinbarter \"Preissockel\" weiter gilt.

Andernfalls könnte man auch dort bei Vertragsabschluss eine Preisvereinbarung annehmen mit der Folge, dass nach Vertragsabschluss nur die Erhöhung als solche angegriffen werden kann, so dass nur die nach Vertragsabschluss vorgenommene einseitige Preisänderung (Erhöhung) der Billigkeitskontrolle unterliegen.

Zudem wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass man, wenn man von einer einseitigen Leistungsbestimmung betroffen sein sollte, diese umgehend schriftlich gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB als unbillig rügen sollte.

Hatte man die einseitigen Preiserhöhungen jahrelang hingenommen und entsprechende Rechnungsbeträge beanstandungslos bzw. \"anstandslos\" vollständig bezahlt, könnte es schon zu spät sein.

Grundsätzlich ist es so, dass jeder Zug nur einmal abfährt.
Zurückgebliebene haben deshalb regelmäßig das Nachsehen und können traurig hinterher winken.

Nach alldem ist ersichtlich, dass es immer Fragen des Einzelfalles sind, man also genau sehen muss, was bei Vertragsabschluss konkret vereinbart wurde und wie sich der Einzelne Kunde danach weiter verhalten hat.
Eine generelle Antwort gibt es nicht.

Dass viele jetzt noch als Neueinsteiger auf die 2004er Preise kürzen wollen, ist allzu verständlich. Dass das nicht geht, wenn man später einen höheren Preis vereinbart hat, liegt auf der Hand. Wer würde nicht gern 30 Prozent weniger zahlen, wenn er es nach einem kurzen \"Dreizeiler\" könnte.

Ebenso gut könnte man versuchen, heute auf dem Wochenmarkt dem Gemüsehändler zu erklären, dass dessen Ware 2004 nachweislich weit  billiger war und man deshalb nur diese Preise zahlen werden, bis dass er die Angemessenheit des zwischenzeitlichen Preisanstiegs nachvollziehbar und prüffähig nachgewiesen hat. Es lässt sich leicht vorstellen, dass dabei - vollkommen zu Recht - laut nach der Polizei gerufen würde.

Deshalb kann auch nicht jeder nicht nur irgendwas zahlen, wenn er es nur plausibel begründet. Wer konkrete Preise vereinbart hat, muss diese zahlen.

Hiesiger Lieferant  war so gnädig, die Preise, die bei Vertragsabschluss gegolten hatten, nach Vertragsbschluss einseitig insgesamt außer Kraft zu setzen und die Preise insgesamt einseitig neu festzusetzen, was sich anhand der entsprechenden Veröffentlichungen nachweisen lässt.
Diesen insgesamt neu festgesetzten Preisen wurde umgehend widersprochen. Dagegen, danach noch darauf Zahlungen zu leisten,  sprechen m. E.  § 315 Abs. 3 Satz 1 und  § 814 BGB, nachdem ein geforedrter  Billigkeitsnachweis nicht erbracht wurde und auch selbst kein konkret der Billigkeit entsprechender Preis \"abgeschätzt\" werden kann.

Bei vielen mag es wieder ganz anders liegen.

Ich hoffe, dass diese Frage hier nicht noch einmal auftaucht.

\"Neueinsteiger\" werden sich oft die Frage stellen müssen, ob sie nicht vielleicht doch eher Zurückgebliebene sind. Auch beim Zug am Bahnhof kann man nicht unbegrenzt neu einsteigen. Schließlich fährt jeder Zug mal ab.

Wer heute in einen Gaslieferungsvertrag neu einsteigt, der sollte sich genau überlegen, was er da bei Vertragsabschluss vereinbart. Diese drängende Frage stellt sich dabei  für Lieferant und Kunde gleichermaßen.

Dies ändert nichts daran, dass man trotzdem vorsorglich den Gesamtpreis als unbillig rügen sollte.

@superhaase

Es gibt ersichtlich keine generelle Antwort.

Wer das für seinen konkreten Vertrag geprüft haben möchte, der sollte sich an einen Rechtsanwalt wenden, der gegen angemessenes Entgelt die Rechtslage prüft.

Lernender:
Hallo zusammen.

Ich kann verstehen dass es zu dieser Frage zu Verwirrrungen kommt. Auf der einen Seite finden wir auf den Seiten des Bundes d. Energieverbraucher, dass es eine regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren gibt, siehe


--- Zitat ---http://www.energieverbraucher.de/files.php?dl_mg_id=533&file=dl_1131030539.doc --> dort Ziffer 38
--- Ende Zitat ---

auf der anderen Seite wird gesagt, dass man, kommt der § 315 BGB zum Zuge, dem Preis an sich, und nicht nur den einzelnen Erhöhungen, widersprüchen soll und ggf. auch auf der Basis des Ursprungspreises zahlen kann oder auch garnichts.

Meine persönliche Meinung (ist sicherlich juristisch völlig unkorrekt) dazu ist die, dass es irgendwann eine Entscheidung geben wird, die in der Mitte liegt, wie so oft. Der Widerspruch hebt ja auf einen angemessenen Preis ab. Ich vermute, dass dort höchstrichterlich ab irgendwann Preiserhöhungen in einer bestimmten Größe als angemessen angesehen werden. Natürlich immer unter der Einzelfall-Betrachtung.

Die Frage für Neueinsteiger nach dem zu zahlenden Betrag ab Widerspruch ist sicherlich jetzt schwieriger als für \"Alteingesässene Widerspruchler\". Weil, um im Bild von Herrn Fricke zu bleiben, der Zug schon in voller Fahrt ist. Hier ist ein Aufspringen schwierig.

Oder besteht die Möglichkeit seriös eine Einschätzung in % abzugeben, dass ein Widerspruch nach 307 und/oder 315 mit Erfolg gekrönt sein kann, wenn alles komplett richtig gemacht wurde?

Ich finde, dass wir diese Zeit der Unsicherheit halt einfach nur aushalten müssen.

Lernender

jroettges:
Was soll man Jemandem raten, der gegenwärtig völlig neu in einen Gaslieferungsvertrag einsteigen muss, weil er weit von außerhalb zuzieht und bisher ganz anders geheizt hat.

Nimmt er einen Sondervertrag an (hier EWE \"Classic\"), akzeptiert er den gegenwärtigen Preis und die dem Vertrag zugrundeliegenden Vertragsbedingungen.
Protest und Kürzungen scheinen aussichtslos, solange es keine erneuten massiven Erhöhungen gibt.

Ist es da nicht besser, sich in die Grundversorgung zu begeben und sofort einen Unbilligkeitseinwand gegen die einseitig festgelegten Preise zu erheben, oder ist dies auch dann aussichtslos?

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