Sehr geehrter Herr Ahlers,
es geht hier sicher nicht darum, was ich glaube. Wenn Sie meinen, es sei meine Aufgabe, Sie in die Lage zu versetzen, Veranstaltungen zu bestreiten, auf denen Sie vor großem Auditorium zu Rechtsfragen Rede und Antwort stehen möchten, oder sonst eine eigene Rechtsberatung zu betreiben, liegen Sie ganz gewiss falsch.
Längstens wurde klar gestellt, dass ich nicht dafür die Verantwortung übernehme, wie wer an welchem Berg kraxelt, wer in welcher Seilschaft unterwegs ist. Daran hat sich nichts geändert.
Es gibt keine generellen Antworten. Punkt. Mitglieder des Bundes der Energieverbraucher können über entsprechende Angebote des Vereins eine entgeltliche Beratung durch einen Rechtsanwalt in Anspruch nehmen, bei welcher ihre konkreten Verträge und Rechnungen geprüft werden und bei denen, die verschiedenen Möglichkeiten aufgezeigt werden. Die Änwälte beraten dabei bekanntlich in eigener Verantwortung. Das ist auch Ihnen bekannt und gilt sicher auch für alle Mitglider Ihrer Regionalgruppe.
Darauf kann man ja verweisen. Für Veranstaltungen der Regionalgruppen können gewiss auch ausgebildete Referenten gewonnen werden, die zum einen mit der Materie betraut sind und sich zum anderen auch genügend verständlich machen können.
Mein voller Respekt dem, der versucht, ohne entsprechende Ausbildung, Frage und Antwort zu stehen. Als realistisch schätze ich das allerdings nicht ein. Die Materie ist doch recht komplex und es liegt gewiss nicht an \"Blödheit\", dass eine juristische Ausbildung lange Jahre harter Arbeit erfordert. Sollte es an der \"Blödheit\" der Kollegen liegen, dass sie so lange studieren mussten, und komplexe Fragen nicht in drei eingängigen, einfachen Sätzen vermitteln können, erübrigt sich dazu jedweder Kommentar.
Die Rechtslage, die der Gesetzgeber festgelegt hat, habe ich immer wieder umfassend dargstellt. Damit ist es auch genug.
Auch ich verfüge über keine Glaskugel und kann deshalb nicht wissen, was der BGH im Wortlaut des Urteils vom 13.06.2007 genau ausführt.
Ich ging davon aus, dass Sie die
entsprechende Pressemitteilung des BGH zuvor selbst gelesen hatten.
Es ist lediglich möglich, die verschiedenen Auffassungen wiederzugeben, die dazu - auch vom Bundesgerichtshof und der dortigen Richter - vertreten werden.
Der BGH hat zu Tarifkunden bisher vertreten, dass
- durch die bloße Entnahme aus dem Netz ein Tarifkundenvertrag zustande kommt, dabei keine Einigung auf einen Preis erfolgt und deshalb eine Billigkeitskontrolle des gesamten Tarifs stattzufinden hat, wenn sich der Kunde auf § 315 BGB beruft,- im Falle überhöhter Tarife erst der vom Gericht festgelegte niedrigere Tarif mit dem Urteil fällig wird,- bei Entnahme aus dem Netz ohne Vereinbarung eines konkreten Preises eine Billigkeitskontrolle der Preise gem. § 315 BGB stattfindet - der Tarifkunde auch nach vorbehaltlosen Zahlungen nachträglich sich auf die Unbilligkeit berufen und Geld zurückverlangen kann- bei Preisen in Form Allgemeiner Tarife zu \"jeweils geltenden Preisblättern\" ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vereinbart wurde und deshalb eine Billigkeitskontrolle der Entgelte gem. § 315 BGB stattzufinden hat.Wenn der Tarifkunde für die Vergangenheit sogar Geld zurückverlangen kann, dann kann er auch gegenwärtig und für die Zukunft kürzen, so auch RinBGH Ambrosius.Möglicherweise beurteilt der VIII. Zivilsenat jetzt die Rechtslage so, dass man sich mit dem Lieferanten (
nachträglich) auf die in der Rechnung aufgeführten Preise
geeinigt hat, allein dadurch, dass man auf einen zuvor einseitig festgelgten Preis vorbehaltlos und beanstandungslos vollständig gezahlt hatte. Demnach hätten die zuvor einseitig festgelegten Preise nur
vorübergehend, nämlich bis zur
nachträglichen Einigung durch vorbehaltlose vollständige Zahlung einer Billigkeitskontrolle unterlegen, nach der (nachträglichen) Einigung aber
nicht mehr. Diese Beurteilung hielte ich aus genannten Gründen für nicht überzeugend. Nach dieser Beurteilung wäre für viele, die sich nicht von Anfang an gegen die Preise und Preiserhöhungen gewehrt und alle Rechnungen vorbehaltlos und vollständig gezahlt hatten, der Zug abgefahren. Neueinstieg nicht möglich, weil der Zug gerade abgefahren ist. Kunden sind erst bei nächster Preiserhöhung hoffentlich wieder am Zug.
Dadurch wäre indes wohl auch meine These bestätigt, dass man auf einseitig festgelegte Entgelte nach Unbilligkeitseinrede am besten erst einmal gar nichts zahlt, um keiner Rechte verlustig zu gehen. Vollständige Zahlung auf einseitig festgelegte Preise habe ich mir bisher durch vollständige Kürzung selbst erspart.
Was Sie als \"Sonderabkommen und Exoten\" bezeichnen wollen, ist landläufig der Regelfall bei Heizgaskunden. Oft werden nur diejenigen als Tarifkunden beliefert, die mit Gas kochen oder Warmwasser bereiten. Diese haben als erste die Möglichkeit, relativ unproblematisch auf einen anderen Energieträger umzustellen.
Beim Vertragsabschluss mit Tarifkunden gibt es neben den Verträgen, die gem. § 2 Abs. 2 AVBV durch bloße Entnahme aus dem Netz zustande kamen, auch solche, die gem. § 2 Abs. 1 AVBV schriftlich abgeschlossen wurden, in denen ein konkreter Preis eingetragen war, und den der Kunde unterschrieben hatte.
In der Literatur wird vertreten, dass bei einem solchen, schriftlichen Vertragsabschluss mit Eintragung eines Preises der konkrete Preis am Anfang vereinbart worden sei. Wenn es mir nicht gelungen sein sollte, zu erklären, warum ich dies für nicht überzeugend halte, will ich es auch gar nicht noch einmal neu versuchen.
Ob nun ein Kunde bei Vertragsabschluss einen konkreten Preis vereinbart hatte oder nicht, ist eine Frage des Einzelfalles. Es kommt darauf an, ob und ggf. welche übereinstimmenden Willenserklärungen zum Vertragsabschluss führten.Hatte man zu Beginn einen konkreten Preis vereinbart, so unterliegt dieser vereinbarte Preis keiner Billigkeitskontrolle.
Hatte man keinen konkreten Preis vereinbart, so besteht ein Vertrag überhaupt
nur dann, wenn ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vereinbart wurde, sonst wurde ein Vertrag wegen fehlender Einigung (Dissens) gem. § 154 BGB nicht wirksam geschlossen.
Bei Dissens kein Vertragsabschluss.Im Einzelfall mag es möglich sein, dass man sich bei Vertragsabschluss nicht auf einen konkreten Preis geeinigt und einen solchen vereinbart hatte und sich auch nicht nachweisen lässt, dass ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vereinbart wurde.
Dann besteht gar kein Vertrag, auch wenn der Versorger behauptet, es sei ein Tarifkundenvertrag abgeschlossen worden und er den Verbrauch zu den Allgemeinen Tarifpreisen abrechnete.
Nach meiner Einschätzung sind die wenigsten Kunden, die mit Gas heizen und deshalb einen Verbrauch über 10.000 kWh/ Jahr haben, Tarifkunden.
Jedenfalls in den neuen Bundesländern werden regelmäßig nur diejenigen Gaskunden als Tarifkunden zu den bis 1998 in der BTOGas geregelten Grundpreistarif G und Kleinverbrauchstarif K beliefert, die nur mit Gas kochen oder Warmwasser bereiten. So ist es auch in den Versorgungsgebieten der Oldenburger
EWEDie meisten Kunden im Sonderabkommen.Nur für diese sog. Gaskleinkunden gelten heute, auch dann, wenn der Vertrag durch bloße Entnahme aus dem Netz zustande kommt, die Grundversorgungspreise, weil sich das Preisangebot des Grundversorgers nur an solche Kunden mit geringem Jahresverbrauch unter 10.000 kWh richtet.
Grundversorgungspreise nur für Verbrauch unter 10.000 kWh / Jahr Entnimmt jemand mit höherem Verbrauch Gas aus dem Netz, so wird er vom Versorgungsunternehmen oft in Sonderabkommen (S I und II) \"eingeordnet\" bzw. \"eingestuft\". Wenn eine solche Einordnung/ Einstufung erfolgte, wurde der Preis nicht vereinbart, sondern gegenüber dem Kunden vom Versorgungsunternehmen zu Beginn des Vertragsverhältnisses einseitig festgelegt. Man spricht auch gern von \"Norm- Sonderkunden\".
Hier werden Heizgas- Kunden oft zu einseitig festgelegten Sonderabkommenpreisen beliefert, die seit 1999 qaurtalsweise nach einer Preisformel vom Liferanten berechnet werden sollen, welche mit den Kunden bei Vertragsabschluss jedoch gar nicht vereinbart wurde (§ 305 BGB).
Nun versucht man diesen Kunden, wie aktuell auch 4000.000 RWE- Kunden, neue schriftliche Verträge schmackhaft zu machen.Die
einseitige Preisfestsetzung - und nur diese - unterliegt der Billigkeitskontrolle.
Hatte sich indes ein Kunde mit so hohem Jahresverbrauch beim Versorger angemeldet und den Preis für das Sonderabkommen am Anfang vereinbart, so unterliegt dieser vereinbarte Preis wegen der Einigung keiner Billigkeitskontrolle.
Mancher Kunde denkt vielleicht, Tarifkunde zu sein, ist es aus vorgenannten Gründen aber überhaupt nicht.
Es kommt also immer auf den Einzelfall an. Jeder Fall liegt etwas anders.
Und deshalb lassen sich auch keine generellen Aussagen treffen.An der Rechtslage ändert sich auch durch die Urteile des BGH vom 28.03.2007 und 13.06.2007 überhaupt nichts.
Die Rechtslage
ändern kann nur der Gesetzgeber.
Möglicherweise
beurteilt aber der für Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat heute die Rechtslage anders als in seinen bisherigen Entscheidungen und anders als der Kartellsenat des BGH in den ebenfalls genannten Entscheidungen.
Dann wird man, nachdem man die Entscheidungsgründe kennt, fragen, ob diese neue Beurteilung überzeugt.
Für Streitigkeiten zwischen Grundversorger und Kunden darüber, ob ein Grundversorger gegen seine gesetzliche Verpflichtung zu einer möglichst preisgünstigen Versorgung gem. §§ 2, 36, 38 EnWG verstößt, ist ausschließlich der Kartellsenat des BGH zuständig.
Nachdem die Rechtslage und möglicherweise die verschiedenen Beurteilungen der selben in verschiednen Entscheidungen durch verschiedene Senate des Bundesgerichtshofes ggf. verstanden wurden, möchte bitte niemand von mir erwarten, dass ich eine Aussage darüber treffe, wie der Bundesgerichtshof diese Fragen zukünftig beurteilen wird. Die Rechtsprechung kann sich immer wieder ändern.
Aus den verschiedenen, mit überzeugenden und weniger überzeugenden Argumenten vertretenen, verschiedenen Auffassungen, kann ich sicher nicht die einzige wahre und ewig geltende Meinung raussuchen und festlegen. Selbst der Papst in Rom, der nach dem Dogma über die Unfehlbarkeit ggf. über solche Möglichkeiten verfügt, tut sich damit bekanntlich schwer. So konnte sich das Weltbild immer weiter entwickeln.
Zudem sind Gerichte im Instanzenzug unabhängig darin, ob sie der Argumentation des Kartellsenates folgen, wonach bei Preisen in Form Allgemeiner Tarife auch der Anfangspreis der Billigkeitskontrolle unterliegt, oder der jüngeren Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats, wonach bei Preisen in Form Allgemeiner Tarife der Anfangspreis vereinbart ist und deshalb keiner Billigkeitskontrolle unterliegt, oder ob sie aber eine eigene Lösung zur Rechtsfortbildung entwickeln, welcher sich der BGH dann in der Revision anschließt oder auch nicht.
Die Rechtslage ändert also nur der Gesetzgeber.
Die Gerichte
beurteilen die Rechtslage im
jeweiligen Einzelfall.
@superhaase
Ob die von Ihnen angedachte Vorgehensweise sinnvoll ist, vermag man nicht zu beurteilen.
Wo sich etwa das Preisangebot des Grundversorgers schon nur an Kunden mit geringem Jahresverbrauch richtet und man von Anfang an weiß, dass man einen größeren Verbrauch hat, stellt sich die Frage, ob überhaupt und wenn ja, zu welchen Konditionen ein Vertrag allein durch Entnahme aus dem Netz zustande kommen kann.
Auch für den Abschluss eines Sonderabkommens ist es wegen § 154 Abs. 1 BGB zwingend erforderlich, dass man sich bei Vertragsabschluss entweder auf einen konkreten Preis
oder auf ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht
einigt.
Zu einer entsprechenden Einigung gehören immer zwei.
Wenn der
Kunde sich also
nicht auf einen konkreten Preis
einigen will und der
Lieferant sich - aus möglicherweise auch Ihnen verständlichen Gründen -sich demgegenüber auch
nicht auf ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 BGB
einigen will, so kommt
gar kein Vertrag wirksam zustande.
Wo kein wirksamer Vertrag abgeschlossen wurde, besteht auch kein vertraglicher Lieferanspruch des Kunden. Der Versorger ist also von Anfang an überhaupt nicht (vertraglich) verpflichtet, überhaupt Gas zu liefern.
Das kann dann auch schon einmal bedeuten, dass die Stube kalt bleiben muss. Hoffentlich erinnert man sich dann an den, der den Rat gegeben hatte, um sich bei diesem angemessen zu bedanken.
Wenn Sie wissen möchten, wofür der Bund der Energieverbraucher da ist, dann wenden Sie sich ggf. an diesen oder informieren sich darüber in der Satzung des Vereins.