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Autor Thema: Widerspruch nach Wechsel zu anderen Anbietern  (Gelesen 4402 mal)

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Offline henk0011

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Widerspruch nach Wechsel zu anderen Anbietern
« am: 28. Juni 2007, 12:34:54 »
Da auch die kleineren Stromanbieter fleißig und regelmäßig an der Preisschraube drehen, habe ich beschlossen, wieder zu meinem Energielieferer in der Stadt zurückzukehren. Und zwar deshalb, weil man bei den Fremdlieferanten zwar einen Unbilligkeitseinwand vorbringen und anwenden kann, diese aber den Vertrag kündigen können, sodaß man dann sowieso wieder beim stadteigenen Engergieversorger landet.
Der bietet mir nun 3 Tarife an oder die Einstufung in den Standardtarif. Da ich nichts unterschrieben habe, komme ich automatisch in den Standardtarif.
Nun meine beiden Fragen:

1. Muss ich schon vor der Abnahme von Strom am 1. 7. einen Einwand wegen Unbilligkeit einbringen oder erst bei Erhalt der Einstufungsaufstellung mit entsprechenden Abschlagsforderungen?

2. Welchen unter Vorbehalt zahlbaren Preis soll ich einsetzen, ich kenne z.B. den Preis von 2004 nicht, da ich seit der Zeit bei Fremdversorgern Strom bezogen habe. Wäre der Preis von 16,8 Cent/Kwh (inclusive Grundgebühr u. aller Steuern) wie unter

http://www.energieverbraucher.de/de/Energiebezug/Strom/Preise/Angemessener_Strompreis/site__1884/

aufgeführt o.k.?

Gruß
Henk0011

Offline RR-E-ft

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Widerspruch nach Wechsel zu anderen Anbietern
« Antwort #1 am: 28. Juni 2007, 15:09:13 »
@henk001

Fraglich, ob dieser Beschluss wohldurchdacht war.

Man wird wohl fragen, warum Sie  bewusst und freiwillig zu einem Lieferanten zurück wechseln, mit dessen Preisen Sie von Anfang an  überhaupt  nicht einverstanden sind. Dazu gezwungen waren Sie ja wohl nicht.

Dies gilt insbesondere dann, wenn Sie einen Vertrag mit einem Drittlieferanten, der demgegenüber aktuell günstigere Preise hatte, gekündigt haben sollten.

Nicht ganz zu Unrecht.

Anders könnte es wohl zu beurteilen sein, wenn der Drittlieferant nach Widerspruch gegen eine Preiserhöhung das bisher bestehende Vertragsverhältnis  gekündigt hätte.

Möglicherweise wird der Anfangspreis bei Vertragsabschluss mit dem Grundversorger als vereinbarter und deshalb nicht einseitig festgesetzter und allein deshalb keiner Billigkeitskontrolle unterliegender Preis behandelt (vgl. BGH, Urt. v. 28.03.2007 - VIII ZR 144/06).

Einer Billigkeitskontrolle würden dann erst einseitige Preisänderungen nach Vertragsabschluss unterliegen.

Den in Anbetracht der gesetzlichen Verpflichtung gem. §§ 2, 36 EnWG zu einer möglichst preisgünstigen leitungsgebundenen Elektrizitätsversorgung  der Billigkeit entsprechenden Preis kann man nur ermitteln, wenn man die Preiskalkulation kennt (vgl. LG Gera, B. v. 08.11.2006). Das kann man also selbst gar nicht.

Die der Billigkeit entsprechenden Strompreise sind regional verschieden, was an den unterschiedlichen Höhen der Stromnetzentgelte liegt.

Wollte man Grundversorgungstarife verschiedener Grundversorger untereinander vergleichen, müsste sich dies deshalb wohl auf die Differenz zwischen dem Grundversorgungstarif für einen bestimmten Abnahmefall (zB. 2.400 kWh/a oder 3.600 kWh/a) und den regional verschiedenen Netzentgelten gem. § 27 StromNEV beschränken.

Auch dies wird dem normalen Stromkunden nicht möglich sein.

Nicht vollkommen auszuschließen, dass der Grundversorgungstarif der Billigkeit entspricht, wenn es sich denn nachweisen lässt.



Sollte der gesamte Tarifpreis einseitig bestimmt sein und einer Billigkeitskontrolle unterliegen und hat man diesen gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB von Anfang an insgesamt als unbillig gerügt, gilt Folgendes:

BGH, Urt. v. 05.07.2005 - X ZR 60/04 unter II 1 b) und c):

Zitat
b) Die entsprechende Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB hat zur Folge, daß die vom Versorgungsunternehmen angesetzten Tarife für den Kunden nur verbindlich sind, wenn sie der Billigkeit entsprechen (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB). Entspricht die Tarifbestimmung nicht der Billigkeit, so wird sie, sofern das Versorgungsunternehmen dies beantragt, ersatzweise im Wege der richterlichen Leistungsbestimmung durch Urteil getroffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB; vgl. Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 294 f.). Erst die vom Gericht neu festgesetzten niedrigeren Tarife sind für den Kunden verbindlich, und erst mit der Rechtskraft dieses Gestaltungsurteils wird die Forderung des Versorgungsunternehmens fällig und kann der Kunde in Verzug geraten (BGH, Urt. v. 24.11.1995 - V ZR 174/94, NJW 1996, 1054; MünchKomm./Gottwald, BGB, 4. Aufl., § 315 Rdn. 49; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 315 Rdn. 17; Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 276); erst von diesem Zeitpunkt an besteht mithin eine im gerichtlichen Verfahren durchsetzbare Forderung des Versorgungsunternehmens.

c) Das gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich auch dann, wenn, wie hier, die Tarifbestimmung mit Genehmigung der zuständigen Aufsichtsbehörde getroffen worden ist. Denn die rein öffentlich-rechtliche Wirkung der Genehmigung beschränkt sich auf das Verhältnis der Behörde zum Genehmigungsempfänger und ist für die privatrechtliche Überprüfung eines einseitig festgesetzten Entgelts anhand des § 315 Abs. 3 BGB nicht präjudiziell (vgl. nur BGHZ 115, 311, 315; BGH, Urt. v. 02.07.1998 - III ZR 287/97, NJW 1998, 3188, jeweils m.w.N.; vgl. auch Ludwig/Odenthal/Hempel/Franke, Recht der Elektrizitäts-, Gas- und Wasserversorgung, § 30 AVBEltV Rdn. 56).



Den bewussten Gebrauch des Konjunktiv sollte man  dabei selbst  verstanden haben.


Hatte man sich mit dem Grundversorger bei Vertragsabschluss nicht auf einen Preis und auf kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht geeinigt, kommt wegen eines Dissens gem. § 154 Abs. 1 BGB schon gar kein Vertrag zustande.  Fraglich, ob der Einigungsmangel entgegen der Auslegungsregel des § 154 Abs. 1 BGB durch ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Grundversorgers gem. §§ 315, 316 BGB überwunden werden kann.

Wo dies nicht der Fall sein sollte, könnte man für die Dauer von höchstens drei Monate in die Ersatzbelieferung gem. § 38 EnWG fallen. Dies betrifft Fälle, in denen die Belieferung keinem Vertragsverhältnis zugeordnet werden kann.

Offline henk0011

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« Antwort #2 am: 29. Juni 2007, 13:35:37 »
Also ist erst nach einer Preiserhöhung innerhalb oder nach Ablauf der 3 Monate Ersatzbelieferung (wenn keine vertragliche Vereinbarung getroffen wurde) ist ein Einwand wegen Unbilligkeit möglich?

Gruß
Henk0011

Offline RR-E-ft

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« Antwort #3 am: 29. Juni 2007, 14:09:11 »
@henk001

Eine Ersatzbelieferung greift nur dann, wenn man sich hinsichtlich des Preises und seiner Bestimmung nicht geeinigt hat und deshalb gar kein Vertrag geschlossen wurde.

Der Preis für die Ersatzbelieferung ist m. E. deshalb immer einseitig festgelegt und unterliegt der Billigkeitskontrolle von Anfang an.

Wo es schon keinen Vertrag gibt, hat man sich auch auf nichts geeinigt.

Die Ersatzbelieferung endet nach drei Monaten. Ohne Vertrag besteht kein vertraglicher Lieferanspruch, so dass deshalb dann auch gesperrt werden kann. Ohne Vertragsabschluss ist auch der Grundversorger nicht zur weiteren Lieferung verpflichtet. Schließlich hat er ohne Vertragsabschluss keinen vertraglichen Zahlungsanspruch gem. § 433 II BGB. Das besondere Verhältnis nach § 38 EnWG ist zeitlich befristet.

Fraglich nur, ob es sich überhaupt  um eine Ersatzbelieferung handelt oder ob die Rechtsprechung nicht doch von einem faktischen Vertragsschluss in der Grundversorgung  gem. § 2 Abs. 2 StromGVV mit Einigung auf einen Anfangspreis ausgeht, der dann seinserseits infolge der Einigung nicht kontrollierbar ist.

Dazu gibt es verschiedene Ansichten, wohl auch innerhalb des BGH.

Dann wären tatsächlich  nur spätere Preiserhöhungen kontrollierbar. Der Anfangspreis wäre als Basis \"in Zement gegossen\", was m. E. im Ergebnis nicht richtig sein kann.

Unbilligkeit kann man immer gegen den Gesamtpreis einwenden, fraglich nur, ob diese Einrede überhaupt eine Wirkung zeitigt. Keine Wirkung zeitigt die Einrede, soweit der geforderte Preis überhaupt nicht auf einer einseitigen Festlegung, sondern auf einer Einigung der Parteien beruht.

Offline henk0011

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« Antwort #4 am: 29. Juni 2007, 17:34:49 »
Hier steht noch:
Schließen Sie in den 3 Monaten nach Beginn der Ersatzversorgung keinen neuen wirksamen Stromliefervertrag ab, so werden Sie nach diesen 3 Monaten in die Grundversorgung übergeleitet und zu dem derzeit geltenden Grundversorgungstarif \" Unser Strom.standard\" beliefert, d.h. dann komme ich automatisch in ein Vertragsverhältnis obwohl ich gar nichts unterschrieben habe. Ist dann der Lieferpreis bei einer Preiserhöhung trotzdem anfechtbar?

Offline Capo

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« Antwort #5 am: 30. Juni 2007, 08:47:32 »
Die Frage ist eigentlich \"Warum soll man wechseln, wenn eh alle mit der Zeit die Preise erhöhen\" ? Man wird auf die Dauer vom Wechselfieber gepackt und sucht nur noch nach günstigen Anbietern.
Wenn das die Lösung ist??
Ich werde so lange wie möglich den § 315 ziehen und bei meinem Anbieter bleiben.

Bis dann....
Capo

 

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