RR-E-Ft:
Sonst ist es [der Preis] unverbindlich (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB). Eine \"soweit\"- Verbindlichkeit, also teilweise Verbindlichkeit, kennt die gesetzliche Regelung des § 315 BGB überhaupt nicht. Sie ist ihr fremd. Deshalb scheinen auch einige der gebildeten Leitsätze mit der insoweit ganz klaren gesetzlichen Regelung des § 315 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 BGB schwer vereinbar.
In seinem Leitsatz (e) bezeichnet der BGH den bisherigen Tarif nicht als
soweit verbindlich sondern
soweit unbillig überhöht. Er argumentiert doch gerade, dass die Summe aus einem vereinbarten und einem
nicht unbillig überhöhten Preisbestandteil insgesamt auch nicht unbillig überhöht sei.
Problematisch daran finde ich, dass der Sockelbetrag garnicht einer Billigkeitsprüfung unterzogen wird. Er kann also unbillig überhöht sein und soll nur aufgrund einer vermuteten anfänglichen oder nachträglichen Vereinbarung verbindlich werden.
Fliesst dieser unbillig überhöhte Sockelbetrag durch eine Preiserhöhung - die für sich genommen angemessen ist - in einen neuen Preis ein, dann ist dieser natürlich unbillig überhöht.
Durch seinen Leitsatz (d) eröffnet der BGH jedoch jedem Kunden, bei jeder Preiserhöhung im Ergebnis den Gesamtpreis überprüfen zu lassen:
...; sie kann allerdings unbillig sein, wenn und soweit der Anstieg der Bezugskosten durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen wird.
Kein Kunde sollte sich also mit einem Gutachten als Nachweis zufrieden geben müssen, in dem nicht
jeder Kostenbestandteil untersucht wird. Wie sonst kann ausgeschlossen werden, dass bei anderen Kostenbestandteilen (insbesondere in der Rubrik
Wucherprofit) keine Einsparungen möglich sind?
Die GVU werden in den kommenden Monaten den oben zitierten zweiten Satz des Leitsatzes (d) beflissendlich übergehen und versuchen, mit Gutachten über einzelne Preisbestandteile beliebige Preisaufschläge auf bisher unbeanstandet bezahlte und damit nach BGH-Lesart vereinbarte Preise durchzudrücken.
Damit ließe sich aber leicht eine regelrechte
Preispumpe installieren, wie folgendes Gedankenexperiment illustriert:
- 2007: Die GVS berechnet der ESG einen Bezugspreis von 5 Cent/kWh.
Ein Kunde der ESG bezahlte bislang 6 Cent/kWh unbeanstandet.
- 2008: Die GVS berechnet der ESG einen Bezugspreis von 0 Cent/kWh.
Der Kunde der ESG erfährt von dieser Bezugskostensenkung nichts.
Er erhält keine Preissenkung und bezahlt weiterhin 6 Cent/kWh
- 2009: Die GVS berechnet der ESG einen Bezugspreis von 5 Cent/kWh.
Ein PwC-Gutachten bescheinigt der ESG eine Bezugskostensteigerung von 5 Cent/kWh.
Die ESG erhöht ihre Preise angemessen um nur 4 Cent/kWh auf 10 Cent/kWh.
Der Kunde kann nichts dagegen tun, denn er hat ja 6 Cent/kWh nicht beanstandet
und die Erhöhung um 4 Cent/kWh ist ja angemessen.
- 2010: Die GVS berechnet der ESG einen Bezugspreis von 0 Cent/kWh.
Der Kunde der ESG erfährt von dieser Bezugskostensenkung nichts.
Er erhält keine Preissenkung und bezahlt weiterhin 10 Cent/kWh
- 2011: Die GVS berechnet der ESG einen Bezugspreis von 5 Cent/kWh.
Ein PwC-Gutachten bescheinigt der ESG eine Bezugskostensteigerung von 5 Cent/kWh.
Die ESG erhöht ihre Preise angemessen um nur 4 Cent/kWh auf 14 Cent/kWh.
Der Kunde kann nichts dagegen tun, denn er hat ja 6 Cent/kWh nicht beanstandet
und die Erhöhungen um jeweils 4 Cent/kWh waren ja angemessen.
- 2012: Die GVS berechnet der ESG einen Bezugspreis von 0 Cent/kWh.
Der Kunde der ESG erfährt von dieser Bezugskostensenkung nichts.
Er erhält keine Preissenkung und bezahlt weiterhin 14 Cent/kWh
- 2013: Die GVS berechnet der ESG einen Bezugspreis von 7 Cent/kWh.
Ein PwC-Gutachten bescheinigt der ESG eine Bezugskostensteigerung von 7 Cent/kWh.
Laut einem zusätzlichen Vertrag, der weder der PwC noch sonst jemandem vorgelegt wird,
erhält die ESG von der GVS für jede verkaufte kWh eine \"Provision\" von 2 Cent.
Die ESG erhöht ihre Preise angemessen um nur 6 Cent/kWh auf 20 Cent/kWh.
Der Kunde kann nichts dagegen tun, denn er hat ja 6 Cent/kWh nicht beanstandet
und die Erhöhungen um jeweils 4 bzw. 6 Cent/kWh waren ja angemessen.
Aus diesen Überlegungen folgt meines Erachtens, dass selbst dann, wenn die Auffassung des Zivilsenats des BGH zur anfänglichen Preisvereinbarung Bestand haben sollte, ein anfänglich oder nachträglich vereinbarter Preis höchstens bis zur darauf folgenden Preisanpassung verbindlich sein kann.
Danach kann auf jeden Fall eine Überprüfung des Gesamtpreises verlangt werden - da können sich die GVU winden wie sie wollen. Tarifkunden könnten sogar ausbleibende Preissenkungen als unbillig rügen, wenn sie vermuten, dass Kostensenkungen verheimlicht werden. Nur so kann eine missbräuchliche Preistreiberei, wie oben skizziert, verhindert werden.
Aus diesem Grund wiederum kann man das
soweit in dem zitierten Leitsatz nicht so interpretieren, dass damit bestenfalls Preiserhöhungen abgewendet werden, Preissenkungen jedoch nicht verlangt werden könnten; der (vermeintlich) vereinbarte Preis also zu einem Mindestpreis wird.
Daher könnte folgendes Zitat regelrecht als
Leitsatz für uns Kunden dienen:
RR-E-Ft:
Weiter hat der BGH klargestellt, dass man bei der Billigkeitskontrolle einer einzelnen Preiserhöhung nicht allein auf Bezugskostensteigerungen abstellen kann, weil gestiegene Bezugskosten durch Kostensenkungen an anderer Stelle ganz oder teilweise ausgeglichen werden können.
Es bleibt also jedem anderen betroffenen Gastarifkunden, der sich gegen einseitige Tariferhöhungen zur Wehr setzt, überlassen, besser zu bestreiten, so dass eine umfassendere gerichtliche Prüfung der tatsächlichen Kostenänderungen, auf denen eine einseitige Tariferhöhung beruhen soll, erfolgen muss.
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Gruss,
ESG-Rebell