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Autor Thema: Vortrag Prof. Dr. Dr. Dr. Säcker zur direkten Anwendung des § 315 BGB auf Energiepreise (Strom)  (Gelesen 2355 mal)

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Vortrag Prof. Säcker zur direkten Anwendung des § 315 BGB

Kritisch ist der anzustrebende \"Gleichklang\" zwischen Billigkeitskontrolle und Kartellrecht zu werten. Dieser überzeugt schon allein deshalb nicht, weil es für die Billigkeitskontrolle in direkter Anwendung überhaupt nicht auf eine marktbeherrschende Stellung ankommt:

Wurde ein besonders günstiger Preis bei Vertragsabschluss vereinbart, können nur Kostensteigerungen (gestiegene Gesamtkosten) unter Zugrundelegung effizienter Kosten eine Preiserhöhung rechtfertigen, da sonst der Gewinnanteil steigt.

\"Selbst produzierte\" überhöhte Kosten können demnach nicht zur Rechtfertigung von Preiserhöhungen herangezogen werden.

Aufgabe der Billigkeitskontrolle ist es gerade, das einmal konsensual vereinbarte Äquivalenzverhältnis zu wahren. Der Gewinnanteil, der in den konkreten Vertragspreis einkalkuliert ist, darf sich gerade nicht erhöhen.

Es ist demnach nicht möglich, eine Preiserhöhung damit zu rechtfertigen, man habe sich mit dem neuen Preis in den Durchschnitt eines Benchmarks begeben.

Der Benchmark selbst kann das Ergebnis von brancheninternen Preisabsprachen sein.

Das Preisniveau wird also unmittelbar beeinflusst vom Grad des bereits  herrschenden Wettbewerbs auf einem Markt. Auf dem deutschen  Strommarkt gibt es bisher keinen wirksamen Wettbewerb.

Bei dynamischer Verweisung auf jeweils geltende Preisblätter soll es sich auch nach Säcker um die Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts handeln, so dass auch der Anfangspreis bereits einseitig bestimmt ist und der Billigkeitskontrolle in direkter Anwendung des § 315  BGB unterliegt.

Verwirkung der Billigkeitskontrolle gegen in der Vergangenheit überhöhte Preise im Anschluss an BGH, Urt. v. 05.02.2003 - VIII ZR 111/02 = NJW 2003, 1449: drei Jahre, so wie die Verjährung entsprechender Rückforderungsansprüche des Kunden gem. § 812 BGB.

Hatte etwa ein Stadtwerk bisher besonders günstige Strompreise mit den Kunden vereinbart, wird vermutet, dass diese Preise bei Vertragsabschluss vollständig rentabel waren.

Dieses Stadtwerk kann die Preise im laufenden Vertragsverhältnis nicht um 34 Prozent erhöhen, auch wenn sich die danach erhöhten Strompreise im Durchschnitt der von anderen Stromlieferanten verlangten Preise bewegen würden.

Es käme vielmehr darauf an, ob  bei effizienter Betriebsführung gestiegene Gesamtkosten nach Vertragsabschluss die Preiserhöhung rechtfertigen.

Gestiegene Beschaffungskosten können durch Kostensenkungen an anderer Stelle der Gesamtkalkulation ganz oder teilweise ausgeglichen werden.

Nur resultierende Gesamtkosten könnten eine Preiserhöhung rechtfertigen, weil nur dann ausgeschlossen ist, dass der Gewinnanteil am Preis nach Vertragsabschluss erhöht wird, was per se unbillig wäre.


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