Energiepreis-Protest > E.ON Avacon

Was ist ein Vertragabschluss / Wie werden Preise akzeptiert?

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Dillbert76:
Hallo allerseits!

Darf ich eigentlich protestieren? Wir sind im Dezember 2005 umgezogen. Im neuen Haus habe ich mich dann telefonisch beim örtlichen Versorgern angemeldet, das ist bei uns e.on Avacon. Jetzt frage ich mich natürlich, insbesondere im Hinblick auf die Entscheidung des BGH ob ich damit nicht einen Vertrag abgeschlossen habe und in dem Zusammenhang dann die zu dem Zeitpunkt gültigen Preise akzeptiert habe.

So ähnlich war es doch wohl in dem in Potsdam verhandelten Fall um den es in der BGH-Entscheidung ging, oder? Demnach kann ich eigentlich nur gegen die Erhöhungen seit Dezember 2005 Unbilligkeiteinwand erheben.

Im Moment antworte ich e.on allerdings erstmal auf die erste Mahnung in der gleich ein gerichtliches Mahnverfahren angedroht wird... Mal sehen wie das so weiter läuft.

elmex:
Sie haben in der Tat einen Grundversorgungsvertrag abgeschlossen, indem Sie Ihrem Grundversorger die Abnahme von Energie angezeigt haben. Ein Grundversorgungsvertrag kommt indes zustande, ohne dass man sich (wie bei anderen Verträgen zwingend notwendig) auf einen Preis geeinigt hat. Nach Kunstgriff des Bundesgerichtshofes kann ein solcher Vertrag nur wirksam zustandekommen, wenn vom Versorger ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht ausgeübt werden kann, da ja kein einvernehmlicher Anfangspreis vereinbart wurde. Dieses einseitige Leistungsbestimmungsrecht unterliegt aber der Bestimmung des § 315 BGB, d.h. der einseitig festgelegte Preis muss der "Billigkeit" entsprechen.

Folglich gibt es keinen vereinbarten Anfangspreis, an dem sich ein möglicher Widerspruch zu orientieren hat... Bitte beachten Sie auch folgendes: Um "auf Nummer sicher" zu gehen, sollte man stets den gesamten Preis -nicht nur die jeweiligen Preiserhöhungen- als unbillig rügen, um nicht etwa Gefahr zu laufen, dass eine gerichtliche Überprüfung ergibt, die getätigte Erhöhung sei tatsächlich angemessen. Solche Fälle sind schon vorgekommen und harren jetzt einer Grundsatzentscheidung durch den BGH.

Dillbert76:
Vielen Dank für die Info!

Ich habe selbstverständlich den gesamten Preis gerügt. Wie gesagt, Mahnung ist eingegangen. Eine Antwort habe ich jetzt auch fertig in der ich noch mal auf den Unbilligkeitseinwand hinweise und darum bitte weitere Schritte, insbesondere das angedrohte Mahnverfahren, zu unterlassen.

Aber das gehört hier ja nicht her.

RR-E-ft:
@Dilbert76

Wenn man bei einer telefonischen Anmeldung keinen konkreten Tarif und Preis vereinbart hat, der für die gesamte Vertragsdauer gilt, kam ein Vertragsabschluss nur dann zustande, wenn dem Versorger ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt, ein solches also vereinbart wurde.

In der Grundversorgung will sich der Versorger bei Vertragsabschluss grundsätzlich selbst nicht an einen konkreten Preis binden und einen solchen vereinbaren, sondern im laufenden Vertragsverhältnis den Preis jederzeit einseitig - bisher allein durch öffentliche Bekanntmachung - jeweils festlegen können.

Die Grundversorgerpreise unterliegen deshalb als vertragsgemäß jeweils vom Versorger einseitig festgelegte Preise der Billigkeitskontrolle, vgl. nur § 17 Abs. 1 Satz 3 StromGVV.

Diese einseitig festgelegten Preise sind deshalb für den Kunden  insgesamt nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entsprechen, § 315 III 1 BGB.

Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein konkreter Preis für die Dauer des Vertragsverhältnisses wirksam vereinbart wurde. Es müsste dafür zumindest über einen Preis gesprochen worden sein und beide Seiten müssten sich an diesen Preis also bei Vertragsabschluss für die Zukunft fest gebunden haben, was es hindert, den Preis zukünftig (30 Minuten, zwei Tage, eine Woche, einen Montat ....nach Vertragsabschluss) einseitig neu festzulegen.

Eine Einigung auf einen konkreten Preis ist also auch dann nicht erfolgt, wenn der Versorger den Preis nach Vertragsabschluss jederzeit einseitig neu festlegen kann (etwa durch öffentliche Bekanntmachung schon am nächsten Tag).

Hilfreich kann ein Blick in die schriftliche Vertragsbestätigung des Versorgers (Textform) sein, ob darin ein vertraglich vereinbarter Preis genannt wurde. Dies liefert einen Anhaltspunkt dafür, ob sich der Versorger an einen konkreten Preis binden wollte.

Im Falle eines vereinbarten einseitigen Leistungsbestimmungsrechts sollen nach der Rechtsprechung des BGH auch vorbehaltlose Zahlungen auf Stromrechnungen nicht dazu führen, dass der Preis akzeptiert wird. Vielmehr verbleibt wegen unbillig überhöhter Strompreise dann ein Rückforderungsanspruch, der seinerseits der Verjährung unterliegt (vgl. BGH, Urt. v. 05.02.2003 - VIII ZR 111/02 = NJW 2003, 1449; LG Mühlhausen, Urt. v. 12.04.2005).

Mit Rücksicht auf das Urteil des OLG Hamm vom 08.08.2006 erscheint es indes sicherer, nach der Unbilligkeitseinrede die Zahlungen bis zum Nachweis der Billigkeit zu kürzen.

Zum Umfang des notwendigen Billigkeitsnachweises einseitig festgelegter Strompreise vgl. BGH, Urt. v. 02.10.1991 - VIII ZR 240/90 unter III., LG Mühlhausen, Urt. v. 12.04.2005 und LG Gera, Beschluss vom 08.11.2006.



Freundliche Grüße
aus Jena


Thomas Fricke
Rechtsanwalt

elmex:
@RR-E-ft:


--- Zitat von: \"RR-E-ft\" ---
Wenn man bei einer telefonischen Anmeldung keinen konkreten Tarif und Preis vereinbart hat, der für die gesamte Vertragsdauer gilt, kam ein Vertragsabschluss nur dann zustande, wenn dem Versorger ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt, ein solches also vereinbart wurde.

--- Ende Zitat ---


Nur zum besseren dogmatischen Verständnis... Worin ist hier die Einigung über ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zu sehen? Wird eine solche -konkludente- Einigung automatisch beim Eingehen eines Grundversorgungsverhältnisses fingiert, um überhaupt in den Bereich einer vertraglichen Beziehung zu gelangen und nicht über Bereicherungsrecht abwickeln zu müssen? Eine ausdrückliche Einigung kommt beim Eingehen eines Grundversorgungsvertrages wohl kaum in betracht. Die für Grundversorgungsverträge einschlägige GVV führt hierzu ebenfalls nichts auf.

Schon jetzt besten Dank im Voraus und allgemein vielen Dank für die äusserst wertvolle juristische Hilfestellung in all den anderen Postings

Elmex

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