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Autor Thema: Strompreisbilligung der Bezirksregierung  (Gelesen 4730 mal)

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Offline Pingo

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Strompreisbilligung der Bezirksregierung
« am: 07. Januar 2005, 20:58:52 »
Hallo!
In der Bekanntmachung der EWE (Oldenburg) zu den neuen, natürlich gestiegenen, Strompreisen wird erwähnt das diese Tarife von der Bezirksregierung genehmigt worden sind.
Dazu habe ich zwei Fragen:
1. Ist das nur ein formularer Akt? Sprich Vorschrift?
oder
2. Ist hiermit vielleicht ein Widerspruch zur ca. 6 -7% Preiserhöhung schon nicht mehr möglich, weil abgenickt von oben, oder zweckmäßig?
Ach ja, begründet wird der Anstieg unter anderem mit den höheren Kosten bei Importkohle!
Weiß man von welchem Energieträger, Atom, Gas, Kohle  die EWE Ihren Strom bezieht?
DANKE

Offline RR-E-ft

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Strompreisbilligung der Bezirksregierung
« Antwort #1 am: 12. Januar 2005, 11:13:22 »
Bei den genehmigten Tarifen handelt es sich gem. § 12 BTOElt um gesetzlich höchstzulässige Preise. Es wird also im eigentlichen nicht der Preis, sondern nur die Preisobergrenze festgelegt. Der Versorger ist nicht daran gehindert, weniger zu fordern.

Auch behördlich genehmigte Preise unterfallen somit der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB, vgl. auch unter \"Fragen und Antworten\". Sie können deshalb den Musterbrief für Stromtarifkunden verwenden.

Die Tarifgenehmigung kann allenfalls Indizwirkung für die Billigkeit der geforderten Preise haben. Jedenfalls im Falle von Rückforderungsprozessen des Kunden soll der Tarifgenehmigung eine solche Wirkung zukommen.

Im Zahlungsprozess des Versorgers gegen den Kunden, wo grundsätzlich den Versorger die Darlegungs- und Beweislast für seinen Anspruch trifft, streitet die erteilte Tarifgenehmigung noch weniger für die Billigkeit der geforderten Stromentgelte.

Dem Kunden müssen zumindest alle Antragsunterlagen aus dem Genehmigungsverfahren einschließlich der Kostenträgerrechnungen zur Verfügung gestellt werden, damit dieser prüfen kann, ob diese etwa Zweifel an der Ordnungsgemäßheit des Genehmigungsverfahrens gebieren.

Diese Unterlagen können sie also schon mal von Ihrem Versorger abverlangen.

Mir ist bisher kein Fall bekannt geworden, wo der Versorger seinem Kunden auch nur diese Unterlagen auf Anforderung freiwillig zur Verfügung gestellt hätte, obwohl es sich dabei um keine Geheimnisse handelt. Dies war allenfalls im Rahmen von Prozessen der Fall.

Näheres unter dem Thread \"Einschüchterung EWE- Akteneinsicht\".

Mit der Frage, welchen Einfluss die gestigenen Importkohlepreise  tatsächlich auf die Strompreise von EWE haben, wenden Sie sich ggf. vertrauensvoll an das Unternehmen selbst.

Zukünftig soll es eine sog. Stromkennzeichnung geben, aus der u. a. ersichtlich werden soll, woraus der Strom erzeugt wurde.


Freundliche Grüße
aus Jena


Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline Hennessy

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Strompreisbilligung der Bezirksregierung
« Antwort #2 am: 12. Januar 2005, 21:25:12 »
@Pingo

1. Wenn man missionarische Gefühle in sich spürt und dem Versorger schon immer mal zeigen wollte wo der Preishammer hängt - sich gleichzeitig sicher ist gut informiert zu sein, so sollte man den (meiner Meinung nach aussichtslosen) Versuch unternehmen, andere Gesichtspunkte als die Bezirksregierung für die Aufdeckung einer fehlerhaften Genehmigung zu finden.

2. Was tut man normalerweise wenn man mit dem Preis oder der Ware nicht einverstanden ist? Vertrag kündigen und wechseln! Dann wird der Versorger sich eher bewegen als wenn (sorry: schlecht informierte Kunden oder Anwälten) die Preispolitik eines Unternehmens bestimmen wollen (hier ist nicht RR-E-ft/Fricke gemeint.

@RR-E-ft
Schön finde ich immer den Hinweis, dass es sich bei der Preisgenehmigung um eine Preisobergrenze handelt, die ein gewinnorientiertes Unternehmen (und das sind alle Versorgungsunternehmen) nicht auszuschöpfen braucht!
Das ist sachlich absolut richtig - in diesem Fall gäbe es hier wahrscheinlich einen thread wie weltfremd und unfähig das Management ist. Gewinnmaximierung, Kündigung und Lieferantenwechsel gehören zu den akzeptierten Spielregeln unserer Gesellschaft. Mit den Forderungen aus diesem Forum könnte man RWE, E.ON, ENBW und alle anderen börsennotierten Versorgungsunternehmen aus dem Verkehr ziehen. Das Management würde mit Schadensersatzklagen seitens der Aktionäre überschüttet, die Gewerkschaften würden den Verlust von Arbeitsplätzen beweinen und die Politiker würden es zum Anlass nehmen die \"Abzockermentalität\" der ausländischen Energieriesen als Vorbildfunktion darstellen.

Sorry für den Sarkasmus, aber man stelle sich vor, was in der Öffentlichkeit los wäre, wenn die Forderungen aus diesen Foren Realität würden. Dann würden die anderen 100-x% wohl Widerspruch einlegen.

Offline RR-E-ft

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Strompreisbilligung der Bezirksregierung
« Antwort #3 am: 13. Januar 2005, 13:56:46 »
@Hennessy

Wenn die Netznutzungsentgelte abgesenkt werden, so einen wirklichen Wettbewerb ermöglichen, lasse ich die Argumente gelten.

Gerade in Thüringen (Übertragungsnetzbetreiber Vattenfall Europe, Regionalnetzbetreiber TEAG Thüringer Energie AG und diesen nachgelagerte Stadtwerke) ist man als Kunde relativ gefangen, da Wettbewerber wegen der hohen Netznutzungsentgelte schlicht keine viel günstigeren Angebote unterbreiten können.

Ich möchte dies mit einer Zeitungsmeldung der Ostthüringer Zeitung (www.otz.de) vom heutigen Tage belegen:

\"Preisgünstiger EWZ-Strom nur im eigenen Netzgebiet Aber Städtebund öffnet neue Möglichkeiten   Zeulenroda (OTZ/ptz). Die Resonanz zum OTZ-Beitrag über die aktuellen Strom-Preise (OTZ vom 8. Januar) war auch für die hiesigen Energiewerke überraschend. Es gab zahlreiche Nachfragen und Tarif-Änderungswünsche, wie EWZ-Geschäftsführerin Edith Woitziak bestätigte. Allerdings musste man auch einige Anrufer enttäuschen, die künftig gern das hauseigene Produkt EWZ-Vogtlandstrom nutzen möchten. \"Dies ist ausschließlich fürs Versorgungsgebiet des Netzbereiches Zeulenroda gedacht. Langenwolschendorf gehört beispielsweise nicht dazu\", verdeutlicht Edith Woitziak die Situation. Den günstigen EWZ-Strom kann man nur im eigenen Netz anbieten. Für \"auswärtige\" Interessenten würden zusätzliche Kosten den Vorteil auffressen. Denn der EWZ-Bereich ist wie eine Insel inmitten der TEAG-Landschaft. Und wollte man EWZ-Strom in eine TEAG-dominierte Ortschaft \"pumpen\" wollen, müsste man fürs Durchleiten des Vogtlandstromes eine Art Miete - das sogenannte Netznutzungsentgelt - zahlen.

Die Zeulenrodaer Ortsteile Kleinwolschendorf, Läwitz, Pahren, Stelzendorf und Weckersdorf gehören zwar \"strommäßig\" auch nicht zum EWZ-Netz (das umfasst nur das Stadtgebiet plus Niederböhmersdorf). Aber da man hier in diesen Ortschaften das Erdgas von den Energiewerken übers Zeulenrodaer Erdgasleitungs-Netz bezieht, gehören (nur) diese Ortsteile faktisch auch zum EWZ-Strom-Versorgungsbereich.

Die von Zeulenroda und seinen Ortsteilen eingekesselte eigenständige Ortschaft Langenwolschendorf könnte wohl auch den begehrten EWZ-Strom beziehen, wenn man - so wie Triebes - künftig die Zukunft gemeinsam gestalten würde. Wie sehr der politische Gestaltungswille auch auf solche Bereiche wie die günstige Stromversorgung \"durchschlägt\", zeigt das Beispiel Triebes. Mit dem fest erklärten Willen, dass beide Städte künftig ein Bündnis schmieden wollen, schwenkten auch die EWZ auf diese Situation ein.

Künftig können also auch Triebeser Strom-Kunden vom günstigen EWZ-Vogtlandstrom profitieren. Auch wenn Triebes eigentlich zum TEAG-Gebiet zählt. Für die Zeulenrodaer Energiewerke wird dies angesichts der damit verbundenen Durchleitungskosten, die man dem großen \"Partner\" TEAG als \"Netznutzungsentgelt\" zahlen muss, kein gutes Geschäft. Aber zumindest mit einer schwarzen Null rechnet man.\"

Wenn sich an dieser Stelle nichts ändert, wird der Zustand so bleiben.

So musste auch der Anbieter gelben Stroms bei Thüringer Stromkunden höhere Preise fordern.

Da also mit den Preisen eines Wettbewerbers auch die geforderten Preise der Durchleitung/ Netznutzungsentgelte des Netzbetreibers abgedeckt werden müssen, hat der Netzbetreiber bisher entscheidenden Einfluss auf die Preise seiner Wettbewerber.

Dies hat tendenziell die Abschottung der vorherigen Versorgungsgebiete gegen Wettbewerb zur Folge, so nachzulesen u. a.  im 15. Hauptgutachten der Monopolkommission unter dem Stichwort Marktverengung.

Ohne Wettbewerbsdruck haben die eingesessenen Versorger auch keine Veranlassung, ihre Preise abzusenken.

Selbst wenn alle Kunden auch bei geringster Wechselrendite ihren Versorger wechseln, könnte der eingesessene Versorger seine Preise lediglich auf das Niveau des Wettbewerbers absenken.

Die Strompreise in einer Region  wären dann immer noch zu hoch, was der Netzbetreiber zu verantworten hat, der auch den Nutzen daraus zieht.

Der Thüringer Wirtschaftsminister hat zum Beispiel die Aussage getroffen, bei wirksamen Wettbewerb könnten die Strompreise in Thüringen 20 % niedriger liegen.

Da ich davon ausgehen muss, dass dieser Aussage entsprechende Erkenntnisse des Landeswirtschaftsministeriums als zuständiger Energieaufsichtsbehörde zugrunde liegen, kann man sich mit diesem Zustand nicht zufrieden geben.

Ein Versorgerwechsel allein würde an dem hohen Preisniveau also nachhaltig nichts ändern.  

Wenn ein Kunde eines Versorgungsunternehmens die Tarifgenehmigungsunterlagen vollständig erhält, mag er allein mit diesen überfordert sein.

Er kann sich mit diesen Unterlagen aber zum Beispiel an einen entsprechenden Verbraucherverband wenden, der ihm ggf. weiterhelfen kann.

Da könnte es doch sehr interessant werden, wenn man nur die Unterlagen verschiedener ostdeutscher Regionalversorger oder benachbarter Stadtwerke zusammenschaut, was die einzelnen Landeswirtschafts-ministerien im Hinblick auf die Regionalversorger bisher nicht können.


Freundliche Grüße
aus Jena


Thomas Fricke
Rechtsanwalt

 

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