Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Berliner Mieterverein zum Gaspreiserhöhungsboykott  (Gelesen 3995 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline up

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 19
  • Karma: +0/-0
Berliner Mieterverein zum Gaspreiserhöhungsboykott
« am: 26. Januar 2005, 00:07:35 »
Habe auf der HP des Berliner Mietervereins folgende Ansicht zum Boykott gesehen. Würde mich interessieren, wie hier die Meinung zu dem \"Prozesskostenrisiko\" ist.


Pressemitteilung  Nr. 30/04
28.12.2004
Berliner Mieterverein e.V.:
Gaspreiserhöhung unter Vorbehalt zahlen

Die Gaspreiserhöhung der Gasag zum 1. Dezember 2004 sollten die Verbraucher nur unter dem Vorbehalt der Rückforderung zahlen, so der Hauptgeschäftsführer des Berliner Mieterverein e.V. Hartmann Vetter. Wenn rechtskräftig entschieden ist, dass die Gaspreiserhöhung unangemessen ist, kann der Erhöhungsbetrag zurückgefordert werden.

Nach Auffassung des Berliner Mieterverein e.V. ist die Gaspreiserhöhung, die für den Arbeitspreis im Schnitt 8 Prozent beträgt, unangemessen und daher gemäß § 315 BGB unverbindlich. Es besteht jedoch bei Nichtzahlung ein nicht unerhebliches Prozesskostenrisiko. Zwar hätte die Gasag die Darlegungs- und Beweislast für die \"Billigkeit\" der Erhöhung. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Gerichte Gutachter bestellen, deren Kosten vierstellig sein können und in keinem Verhältnis zum Erhöhungsbetrag stehen. Diese Kosten hat die unterliegende Partei zu tragen.

Da die Verfahren auf Grund des geringen Streitwerts nicht berufungsfähig sind, ist eine Berufung nur zulässig, wenn das Amtsgericht diese wegen grundsätzlicher Bedeutung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässt. Zuständig ist das Amtsgericht am Wohnsitz des Kunden. In Berlin gibt es zwölf Amtsgerichte mit ca. zweihundert Abteilungen. Da die Geschäftsverteilung meistens nach Eingang erfolgt, werden auch unterschiedliche Abteilungen zuständig sein. Erfahrungsgemäß kommt es zu völlig unterschiedlicher Rechtssprechung, die nicht kalkulierbar ist. Es wird also mindestens ein bis zwei Jahre dauern, bis es zu einer höchstrichterlichen Entscheidung kommt.

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Berliner Mieterverein zum Gaspreiserhöhungsboykott
« Antwort #1 am: 26. Januar 2005, 00:39:30 »
Die Besorgnis der Gutachterkosten teile ich nicht, vgl. hierzu unter \"Fragen und Antworten\".

Das Problem der uneinheitlichen Rechtsprechung hätten gerade auch die Versorger zu besorgen. Die kämen dann jeden Tag mit einem neuen Urteil in die Schlagzeilen.

Daran ist wohl auch bei den Unternehmen niemandem gelegen.

Herr Kollege Weeg hat in Paderborn auch schon mehrmals darauf hingewiesen:

Es gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz.
Der Versorger darf sich nicht willkürlich einzelne Kunden raussuchen und diese verklagen. Wenn, muss er gegen alle Verweigerer klagen und dann hätte er das Problem, dass der eine Richter ggf.  so und der andere Richter eben anders  entscheidet, wenn man ihn läßt.

Ich bin ganz sicher, sobald die Sache nicht gut für einen Versorger steht, wird die Klage zurückgenommen, um keinen \"Präzedenzfall\" zu schaffen.  
Dann kann es aber auch schon nicht die Entscheidungen zugunsten der Verbraucher geben, auf die sich dann die Vorbehaltszahler später berufen sollen.

Wenn der Versorger seine Klage zurücknimmt, hat der Richter schon nichts mehr zu entscheiden. Dann gibt es einfach keine Urteile zugunsten der Kunden des einzelnen Versorgers.


Der Kunde hat kaum ein Kostenrisiko, da er ja bei erstmaliger Offenlegung der Kalkulationsgrundlagen im Prozess immer noch die Möglichkeit hat, \"sofort\" anzuerkennen im Sinne von § 93 ZPO.

Nach alldem wird die Auffassung aus Berlin nicht geteilt.

Die GASAG hatte in dem Zusammenhang auch schon behauptet, über entsprechende WP-Testate zu verfügen, die man vorzeigen könne.

Viele Verbraucher haben nachgefragt und diese bei der GASAG angefordert. Jedoch hat sie bisher noch niemand zu sehen bekommen.
Wohl nicht ohne Grund.

Dabei verhält es sich wohl nicht viel anders wie mit dem WIBERA- Gutachten der E.on Westfalen- Weser.

Alles nur Einschüchterungsversuche, oft ein Gespinst aus Halbwahrheiten wie die Behauptungen zu den Entscheidungen des Bundeskartellamtes.

Unbedarfte Kunden mag man damit ggf. imponieren, aber nicht gut informierten Verbraucher.

Der Mieterverein läßt die Frage völlig offen, wie der Kunde sein Geld ggf. zurückbekommen soll.

Wer wird denn solche Musterprozesse führen und für wen sind diese dann verbindlich?

Der Kunde muss auf Rückzahlung klagen, trägt die Darlegungs- und Beweislast und braucht ggf. selbst ein entsprechendes Gutachten und muss die Kosten eines solchen auch noch selbst vorschießen.

Das ist in meinen Augen keine sachgerechte Lösung.

Der Mieterverein sollte, wenn er eine entsprechende Empfehlung rausgibt, auch zumindest sagen, dass er einen entsprechenden Musterprozess für betroffene Kunden unterstützen und ein dabei ggf. notwendiges Gutachten finanzieren wird.

Allenfalls so könnte betroffenen Kunden geholfen werden, wobei diese Aussage wegen der o. g. fehlenden Bindungswirkung für einzelne Prozesse der Kunden eine entsprechende Einschränkung erfahren muss.

Aus meiner Sicht ist den Kunden wegen des Aufrechnungsverbots in § 31 AVBV und wegen der zwingend notwendigen Rückforderungsklage dieser Weg nicht zuzumuten.

Wer schon nicht den Mut hat, Nervenstärke bei einer Zahlungsverweigerung zu zeigen, wird wohl noch weniger Mut aufbringen können, seinen Versorger - garantiert verbunden mit vorzuschießenden, eigenen Kosten -  selbst mit einer Klage zu überziehen.

 

Freundliche Grüße
aus Jena


Thomas Fricke
Rechtsanwalt

 

Bund der Energieverbraucher e.V. | Impressum & Datenschutz