Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Versorgeranwalt warnte BGH vor \"Verstopfung\"

(1/3) > >>

RR-E-ft:
BGH deutete grundsätzliche Anwendbarkeit des § 315 BGB auch auf einseitig festgelegte Gastarife an. Dies ergebe sich im Grunde bereits aus früheren Entscheidungen des BGH:

http://www.volksstimme.de/vsm/nachrichten/thema_des_tages/?sid=d48c3f14623c78cea84a96f540700271&em_cnt=210339

Um gerichtliche Preisgenehmigung ging es nie, sondern nur um eine gerichtliche Billigkeitskontrolle einseitig getroffener Leistungsbestimmungen in Vertragsverhältnissen.

Diese sind ständige gerichtliche Praxis in allen Bereichen.

Ein weiteres Verfahren, das sich nicht mit der Billigkeitskontrolle einer Preiserhöhung, sondern des Gastarifes befasst, soll am 16.01.2007 vor dem Kartellsenat verhandelt werden.

ESG-Rebell:

--- Zitat von: \"RR-E-ft\" ---BGH deutete grundsätzliche Anwendbarkeit des § 315 BGB auch auf einseitig festgelegte Gastarife an.

Um gerichtliche Preisgenehmigung ging es nie, sondern nur um eine gerichtliche Billigkeitskontrolle einseitig getroffener Leistungsbestimmungen in Vertragsverhältnissen.

Diese sind ständige gerichtliche Praxis in allen Bereichen.
--- Ende Zitat ---

Ich habe die mündliche Verhandlung heute beobachtet.

Vorsitz: Richter Ball
Für Kläger (Gaskunde): Prof. Vorwerk
Für GVU (Stadtwerke Heilbronn, HVG): Prof. Krämer und Dr. Kunth

Prof. Vorwerk versuchte zunächst, das Gericht von einer wirksamen Klageerweiterung im LG-Prozess zu überzeugen. Dem erteilte Richter Ball jedoch eine Absage:

Das AG-Urteil habe die Billigkeit des Sockelbetrags als nicht bestritten festgestellt. Streitgegenstand dieses Verfahrens sei daher nur das Erhöhungsverlangen und nicht der Sockelbetrag. Der Kläger hätte schon damals Anschlussrevision stellen müssen, um eine Überprüfung auch des Sockelbetrags bzw. des Gesamtpreises zu ermöglichen.

Daher wird dieses BGH-Urteil für Billigkeitseinwendungen gegen den Gesamtpreis vermutlich keine neuen Erkenntnisse bringen.

Im LG-Prozess hatte das GVU ein Wirschaftsprüfergutachten zur Änderung seiner eigenen Bezugskosten vorgelegt. Prof. Vorwerk hatte dieses als Parteigutachten abgelehnt und auch die Kalkulation zur Preiserhöhung angegriffen: Die Preiserhöhungen würden nicht gerecht auf "A-Gemeinden" und "Formel-Sondervertragskunden" verteilt.

Prof. Vorwerk wies noch auf einen möglichen Verfahrensfehler hin: Er hatte bestritten, dass die HVG versucht hat, durch Verhandlungen mit ihrem Vorlieferanten GVS aus der Ölpreisbindung rauszukommen und die HVG hätte auch keine Angebote anderer Lieferanten eingeholt. Das zwischen der GVS und HVG eine Ölpreisbindung vereinbart ist, hatte Prof. Vorwerk im LG-Prozess garnicht erst bestritten. Prof. Krämer hielt entgegen, die HVG hätte Angebote eingeholt aber leider keine bekommen (Beweis: Zeuge Muth). Trotz Bestreitens durch Prof. Vorwerk wurde der Zeuge nicht vom LG gehört sondern der Vortrag von Prof. Krämer vom LG anscheinend als unbestritten betrachtet.

Prof. Krämer betete (erneut) lang und breit die bereits bekannten Argumente zur angeblichen Nicht-Anwendbarkeit des §315 BGB neben §19 GWB seit der 6. Novelle herunter. Nach 45 Minuten vortrag zu diesem Aspekt schauten auch die Richter etwas angestrengt. Prof. Vorwerk entgegnete, dass jetzt zwar jedermann gegen Kartellrechtsverstöße gerichtlich vorgehen könne. Dazu müsse aber jeder Verbraucher bei einem Streitwert von z.B. 600 Euro umfangreiche Ermittlungen zur Wettbewerbssituation anstellen und einem Wettbewerbspreis mittels Gutachten ermitteln, die mehrere Tausend Euro kosten.

Richter Ball warf ein: "... Schlimmer noch. Der Kunde müsste nach §19 Abs. 4 GWB sogar einen wettbewerbsanalogen Preis ermitteln."

Meines Erachtens wurde eines aus den Äußerungen von Richter Ball klar:
Der BGH wird den GVU nicht gestatten, die Kunden auf eine Rechtsposition zu verweisen, in der das Einbehalten von strittigen Forderungen unmöglich und jede Rückforderung mit unmöglichen Beweisführungen verbunden ist.

Wir als Verbraucher dürfen uns meines Erachtens auf einen BGH-Prozess freuen, bei dem tatsächlich einmal die Angemessenheit des Gesamtpreises zur Diskussion steht.

Noch eine kleine Info am Rande: Die HVG hat ca. 33.000 Kunden, von denen 300 rebellieren (also 1% Protestler).

Gruss,
ESG-Rebell

RR-E-ft:
@ESG- Rebell

Vielen Dank für diesen gelungenen Bericht zur Verhandlung.

Hierdurch wird erklärlich, warum der BGH noch etwas Zeit für die Entscheidungsfindung beansprucht.

Es stellt sich nämlich die Frage, ob man die Billigkeit einer Erhöhung gesondert von der Billigkeit des erhöhten Preises überhaupt beurteilen kann. Meines Erachtens geht das nicht.

Schließlich gab es wohl schon keine Preisrhöhung als einseitige Leistungsbestimmung. Die einseitige Leistungsbestimmung dürfte vielmehr in der Neubekanntgabe eines Tarifes durch öffentliche Bekanntmachung gelegen haben.

An dieser Stelle kommt es auf die richtige  Subsumtion an.

Zur Frage der Billigkeit einer  Tariffestsetzung an sich - ohne Preiserhöhung - will der Kartellsenat des BGH ja am 16.01.2007 verhandeln.


Den wettbewerbsanalogen Preis kann kein Verbraucher ermitteln, da dieser abhängig ist von den Grenzkosten über die gesamte Lieferkette bei effizienter Kostenstruktur. Abzustellen wäre also noch nicht einmal auf die tatsächlichen Kosten, sondern auf die Kosten bei energiewirtschaftlich-rationeller, effizienter Betriebsführung.

Schon die tatsächlichen Kosten sind nicht bekannt...

Selbst für ein Stadtwerk dürfte es schwierig sein, diesen wettbewerbsanalogen Preis zu ermitteln.

RR-E-ft:
Herr Kollege Dr. Kunth soll auch noch nach Korsettstangen und Leitschnüren verlangt haben.


("Wenn´s schön macht.")

Es bereite ihm wohl Sorge, dass etwa (die von ihm vertretene) EWE den Billigkeitsnachweis vor Gericht nicht erbringen könne (wo doch LG Oldenburg und LG Hannover als Kartellgericht die Offenlegung der Preiskalkulation verlangt haben).


http://www.verivox.de/News/ArticleDetails.asp?aid=17462

"Der BGH deutete an, dieser Auffassung folgen zu wollen. Eine Billigkeitskontrolle durch Zivilgerichte könne dem Verbraucher immer dann zustehen, wenn ein Gaspreis zwischen den Parteien nicht ausgehandelt, sondern vom Energieversorger einseitig festgesetzt wird."

Ein weiterer Bericht findet sich hier:

http://www.rhein-main.net/sixcms/list.php?page=fnp2_news_article&id=3408831

"Allem Anschein nach wird der BGH erstmals festlegen, dass Paragraf 315 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – eine Art Schutzinstrument gegen den Machtmissbrauch übermächtiger Versorgungsunternehmen – auch auf die Gaspreise anwendbar ist.

Dieser Weg, so deutete der Vorsitzende Richter Wolfgang Ball an, ist zumindest für Fälle wie diesen vorgezeichnet, in denen das Versorgungsunternehmen gesetzlich zur einseitigen Festsetzung von Tarifen ermächtigt ist. Die Konsequenz: Damit können die Zivilgerichte den Gasversorgern bei Tariferhöhungen auf die Finger schauen. Ist die Anhebung, wie es in der Vorschrift heißt, nicht „nach billigem Ermessen“ getroffen worden, können die Juristen korrigierend eingreifen.

Unangenehm für die Energieversorger ist dies vor allem deshalb, weil ihnen damit die Gerichte, aber auch die Kunden in die Karten blicken können."


Das lässt sich dann sogleich auf § 4 AVBEltV, §§ 3, 5 GVV übertragen.

RR-E-ft:
http://stimme.de/nachrichten/heilbronn/art1925,924566.html

http://www.echo-online.de/unsere_meinung/template_detail.php3?id=417886 (Stimmt)

Navigation

[0] Themen-Index

[#] Nächste Seite

Zur normalen Ansicht wechseln