BGH deutete grundsätzliche Anwendbarkeit des § 315 BGB auch auf einseitig festgelegte Gastarife an.
Um gerichtliche Preisgenehmigung ging es nie, sondern nur um eine gerichtliche Billigkeitskontrolle einseitig getroffener Leistungsbestimmungen in Vertragsverhältnissen.
Diese sind ständige gerichtliche Praxis in allen Bereichen.
Ich habe die mündliche Verhandlung heute beobachtet.
Vorsitz: Richter Ball
Für Kläger (Gaskunde): Prof. Vorwerk
Für GVU (Stadtwerke Heilbronn, HVG): Prof. Krämer und Dr. Kunth
Prof. Vorwerk versuchte zunächst, das Gericht von einer wirksamen Klageerweiterung im LG-Prozess zu überzeugen. Dem erteilte Richter Ball jedoch eine Absage:
Das AG-Urteil habe die Billigkeit des Sockelbetrags als nicht bestritten festgestellt. Streitgegenstand dieses Verfahrens sei daher nur das Erhöhungsverlangen und nicht der Sockelbetrag. Der Kläger hätte schon damals Anschlussrevision stellen müssen, um eine Überprüfung auch des Sockelbetrags bzw. des Gesamtpreises zu ermöglichen.
Daher wird dieses BGH-Urteil für Billigkeitseinwendungen gegen den Gesamtpreis vermutlich keine neuen Erkenntnisse bringen.
Im LG-Prozess hatte das GVU ein Wirschaftsprüfergutachten zur Änderung seiner eigenen Bezugskosten vorgelegt. Prof. Vorwerk hatte dieses als Parteigutachten abgelehnt und auch die Kalkulation zur Preiserhöhung angegriffen: Die Preiserhöhungen würden nicht gerecht auf "A-Gemeinden" und "Formel-Sondervertragskunden" verteilt.
Prof. Vorwerk wies noch auf einen möglichen Verfahrensfehler hin: Er hatte bestritten, dass die HVG versucht hat, durch Verhandlungen mit ihrem Vorlieferanten GVS aus der Ölpreisbindung rauszukommen und die HVG hätte auch keine Angebote anderer Lieferanten eingeholt. Das zwischen der GVS und HVG eine Ölpreisbindung vereinbart ist, hatte Prof. Vorwerk im LG-Prozess garnicht erst bestritten. Prof. Krämer hielt entgegen, die HVG hätte Angebote eingeholt aber
leider keine bekommen (Beweis: Zeuge Muth). Trotz Bestreitens durch Prof. Vorwerk wurde der Zeuge nicht vom LG gehört sondern der Vortrag von Prof. Krämer vom LG anscheinend als unbestritten betrachtet.
Prof. Krämer betete (erneut) lang und breit die bereits bekannten Argumente zur angeblichen Nicht-Anwendbarkeit des §315 BGB neben §19 GWB seit der 6. Novelle herunter. Nach 45 Minuten vortrag zu diesem Aspekt schauten auch die Richter etwas angestrengt. Prof. Vorwerk entgegnete, dass jetzt zwar jedermann gegen Kartellrechtsverstöße gerichtlich vorgehen könne. Dazu müsse aber jeder Verbraucher bei einem Streitwert von z.B. 600 Euro umfangreiche Ermittlungen zur Wettbewerbssituation anstellen und einem Wettbewerbspreis mittels Gutachten ermitteln, die mehrere Tausend Euro kosten.
Richter Ball warf ein: "... Schlimmer noch. Der Kunde müsste nach §19 Abs. 4 GWB sogar einen wettbewerbs
analogen Preis ermitteln."
Meines Erachtens wurde eines aus den Äußerungen von Richter Ball klar:
Der BGH wird den GVU nicht gestatten, die Kunden auf eine Rechtsposition zu verweisen, in der das Einbehalten von strittigen Forderungen unmöglich und jede Rückforderung mit unmöglichen Beweisführungen verbunden ist.
Wir als Verbraucher dürfen uns meines Erachtens auf einen BGH-Prozess freuen, bei dem tatsächlich einmal die Angemessenheit des Gesamtpreises zur Diskussion steht.
Noch eine kleine Info am Rande: Die HVG hat ca. 33.000 Kunden, von denen 300 rebellieren (also 1% Protestler).
Gruss,
ESG-Rebell