Energiepreis-Protest > Bundesweit / Länderübergreifend
Es gibt auch andere Argumente und Meinungen
Hennessy:
Wenn man sich den Tenor der Beiträge ansieht, so stellt man fest, dass es hier weniger um objektive Informationen und Diskussionen geht – vorrangig ist das gegenseitige bestärken in der bereits vorgefertigten Meinung. So nach diesem Eingangssatz ist auch klar aus welcher Ecke ich komme und wer mein Gehalt zahlt - also hier sind keine Spekulationen notwendig!
Trotzdem möchte ich den Versuch wagen, als Privatperson mit einer eigenen Meinung und in einigen Punkten mit Sicherheit auch mehr Hintergrundwissen als andere Forumsteilnehmer, diesem Forum mal ein paar andere Perspektiven vorzustellen.
Preisbildung/Verträge
Es gibt zurzeit keinen wirklichen Spothandel mit Tagespreis für Erdgas in Deutschland. Die für die Versorgung notwendigen Erdgasmengen sind fast alle durch langfristige Bezugsverträge mit Heizölbindung abgesichert. Das sorgt dafür, dass der Erdgaskunde gegenüber dem Ölkunden nie benachteiligt werden kann. Des Weiteren stehen beide Energieträger im Wettbewerb zueinander!
Für die Kritiker der Bindung an Heizöl die Frage: Wonach soll sich denn bitte der Preis von Erdgas ausrichten – wenn nicht am einzigen Wettbewerber und der ist nun mal Heizöl!?
Billigkeit und jede Menge Fragen
Wer kann in diesem Forum beurteilen, ob die Preiserhöhung von X% billig ist? Wer fragt im einzigen Edeka-Laden im Umkreis von 20 Kilometern wie hoch der Einkaufspreis von Nutella ist und kürzt an der Kasse den Rechnungsbetrag? Sollen die Gerichte nach einer Offenlegung der Bezugspreise (??) bei Erdgas festlegen, welche Marge ein Energieversorger haben darf? Ist das freie Marktwirtschaft? Werden so Anreize gegeben Kosten einzusparen und effizient zu arbeiten? Dürfen Energieversorger keine hohen Unternehmensgewinne erreichen?
Keiner spricht davon, dass Gasversorger der Kartellaufsicht unterliegen und es hier eine Menge von Kontrollen und Einflussnahmen gibt – warum will das keiner hören? Ich denke das Bundes- bzw. die Landeskartellämter sind zum Schutz der Verbraucher da und können die Billigkeit der Preisänderungen besser beurteilen als Privatpersonen. Energieversorger sind keine karitativen Unternehmen, sondern arbeiten gewinnorientiert und das ist gut so! Reißerische Unternehmen wie Yello, die 500 Millionen Schulden produziert haben, wünsche ich mir nicht als Garant der Versorgungssicherheit. Apropos Versorgungssicherheit; Wann waren sie das letzte Mal ohne Gas?
Liberalisierung
Hoffentlich kommen bald freie Gasanbieter – dann ist dieses Billigkeitsdiskussion beendet. Hat sich schon jemand die Frage gestellt, warum es keine Anbieter für Haushaltskunden gibt, obwohl dies seit längerer Zeit gesetzlich möglich gemacht wurde? Eine mögliche Antwort wäre, dass alle im Korsett der Preisbildung mit Heizöl stecken und deshalb nicht wirklich günstiger anbieten können als andere?
Jede Menge Öl-Idioten?
Jeder Gasversorger schafft es Jahr für Jahr eine Menge Ölkunden zum Wechsel auf Erdgas zu bewegen. Wieso nur? Wegen der Abzockermentalität oder weil sich bei Heizöl der Preis durch Angebot und Nachfrage bildet? Jeder Heizölkunde hat eine zeitweilige Gedächtnislücke gegenüber Freunden und Bekannten, wenn er bei mehr als 20 Cent gekauft hat. Kommen die hohen Preise durch die, die nicht kaufen?
So jetzt ist bei mir die Luft ein bisschen raus und viel zu lang ist alles auch geworden. Bitte berücksichtigen sie diese Argumente bei Ihrer Meinungsbildung – kommen sie trotzdem zu dem Ergebnis, dass der Preis ungerechtfertigt ist – tun Sie, was Sie glauben tun zu müssen.
:idea:
energienetz:
Lieber Hennesey, das steht doch ganz klar im Bürgerlichen Gesetzbuch § 315, wer das beurteilt, nämlich weder der Kunde noch der Versorger sondern das Gericht. Das ist doch soweit deshalb auch eine faire Regelung. Warum scheuen sich die Versorger, hier die Gerichte anzurufen. Die Kunden erkennen langsam ihre Rechte. Wenn das Gericht die Billigkeit attestiert, ist doch alles palleti, oder? Warum haben die Versorger davor die Hosen voll?
Das Kartellrecht ist ein ganz anderes Rechtsinstrument mit anderen Verfahrensregeln, Kriterien und Vorgehensweisen. Das hat mit der Billigkeit nicht das geringste zu tun.
Ich frage mich, warum die Versorger die Verbraucher in ihren Antwortschreiben mit einer Fülle Unwahrheiten und Halbwahrheiten zumüllen.
Kein Mensch hat etwas dagegen, dass gestiegene Kosten fair, also billig an die Verbraucher weitergegeben werden. Aber das war es dann bitte auch.
Hennessy:
@energienetz
Klar ist Kartellrecht juristisch ein anderes Paar Schuhe. Aber worum geht es denn hier? Um den Vorwurf, dass Gasversorger ihre marktbeherrschende Stellung (Netzmonopol) ausnutzen - das fällt allgemein unter das Kartellrecht! Der BGB-Passus greift nur auf Grund der meist ungenauen Preisanpassungsklausel in den Verträgen.
Aber zur Kernfrage:
Wer läßt schon gerne die Hose runter? Für kein normales Produkt mit einer Wertschöpfungskette gibt es das, dass öffentlich oder durch Gerichte beurteilt wird, ob ein Preis angemessen ist. Ist der Preis eines Mercedes angemessen - manche glauben ja - manche glauben nein. Was kostet ein Mercedes in der Herstellung?
Wenn man jetzt einen (bzw. viele!) Richter braucht, dann braucht man zukünftig bei jeder Preisänderung einen (bzw. viele) Richter. Das ist meines Erachtens nicht normal und komplett überzogen. Wo ist das bisherige Vertrauen geblieben, fair behandelt zu werden? Ist die Billigkeit der E.ON Preiserhöhung übertragbar auf RWE ? Mit Sicherheit nicht! Wir haben ca. 700 Gasversorger in Deutschland - die Anzahl der Verfahren kann man sich jetzt schnell herleiten und alle Gerichte in Deutschland dürften diesbezüglich kompetent (?) sein.
Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass alleine die fehlende Wechselmöglichkeit ein schlechtes Gefühl verursacht - unabhängig ob der Preis hoch oder niedrig ist - er könnte ja eigentlich niedriger sein!?
Hoffentlich kommt bald der erste freie Anbieter, damit Emotionen und Gefühle nicht mehr auf Energiepreise übertragen werden. :)
energienetz:
der Vorwurf bei fehlender Billigkeit ist nicht ein Mißbrauch marktbeherrschender Stellung, dafür gibt es in der Tat das Kartellrecht, sondern Mißbrauch der einseitigen Preisfestsetzung bei einem unverzichtbaren Gut, und daran ändert die Öffnung des Gasmarktes genauso wenig wie das Vorliegen einer Tarifgenehmigung für Strom. Vielleicht schauen Sie sich mal das einschlägige Schrifttum an, dass auch auf unserer Homepage verfügbar ist.
Es gibt nämlich einen Unterschied zwischen dem Preis eines Benz und einer Gaspreiserhöhung. Das einen wird verhandelt, das andere wird einseitig festgesetzt.
Sonntagsgruss
Frank Striewe:
@ Hennessy
Hallo,
ich denke Ihre Einschätzung über die Forumteilnehmer ist falsch. Es geht hier nicht um das Bestärken der eigenen Meinung, sondern um eine offene Diskussion und einen ehrlichen Meinungsaustausch. Darum finde ich es auch gut, das Sie Ihren Beitrag hier veröffentlichen. Allerdings schafft es Ihr Beitrag nicht, Licht ins dunkle zu bringen und neue Argumente für die Gaspreiserhöhung zu bringen. Die Erhöhung des Grundpreise (bei E.ON Westfalen-Weser ca. 43% ) wird von Ihnen leider mit keinem Wort erwähnt.
Zu Preisbildung/Verträge
Es ist wohl unumstritten das der Importpreis für Gas gesunken ist. Die Verträge der Versorger mit den Gaslieferanten sind mir nicht bekannt. Die Ölpreisbindung ist eine Erfindung der Ruhrgas AG selbst. Genau genommen ist es eine Erfindung der Ölkonzerne. Ursprünglich gründeten nämlich alle Ölkonzerne gemeinsam die Ruhrgas AG, bei der allerdings keiner von Ihnen eine entscheidende Mehrheit haben durfte. Und damit ihnen der neu gegründete Konkurrent nicht wirklich Konkurrenz macht, galt die selbst verordnete Regel: Die Entwicklung des Gaspreises muss dem Ölpreis folgen. Diese mehr als 30 Jahre alte Regelung ist längst überholt. Die Gasreserven werden wesentlich länger halten als die Erdölreserven. Folglich wird Öl knapper und sicherlich immer teuerer. Warum sollte man den Verkaufspreis von Gas auf immer und ewig an den Preis für Erdöl koppeln?
Ob beide Energiearten wirklich in einem fairen Wettbewerb zueinander stehen darf bezweifelt werden. In England, wo es keine Ölpreisbindung gibt, kostet Gas dem Endkunden rund 50% weniger als in Deutschland. Aber auch in vielen anderen Ländern ist Gas wesentlich günstiger zu haben als in Deutschland ( Schweiz, Österreich, Frankreich, Belgien u.a.)Quelle: www.lbd.de/de/pdf/gasinfolleter/pdf . Der drastische Unterschied ist nur zum Teil durch höhere Energiesteuern zu erklären. Nach Einschätzung der Wettbewerbshüter in Brüssel jedenfalls sind die hohen Energiepreise in Deutschland Folge und Ergebnis der „oligopolistischen\" Marktstruktur, in der sich wenige Anbieter beim Kampf um Kunden gegenseitig nichts zu Leide tun (WaS 05.01.03)
Zu Ihrer Frage. Der Preis für Erdgas sollte sich nach einer Kalkulation festgelegt werden. Wobei neben dem Bezugspreis auch alle weiteren Kosten (Personal, Infrastruktur, Firmengewinn u.s.w.) berücksichtigt werden sollte. Wenn bei Aldi die Wurst teurer würde, nur weil bei LIDL die Milchpreise gestiegen sind, wäre das ja wohl auch unsinnig.
Zu Billigkeit und jede Menge Fragen
Wenn ich ein Glas Nutella kaufen möchte, habe ich die Wahl, in welchen Geschäft ich diese kaufe. Ich bin nicht auf einem Anbieter festgelegt, der meint, nach belieben den Preis festsetzten zu können. Ob der Gaspreis wirklich unbillig ist, kann der Verbraucher sicherlich nicht abschließend beurteilen. Aber wenn ein Energieunternehmen erst wenige Tage vor der Preiserhöhung diese bekannt gibt, und keine nachvollziehbaren Begründungen findet, liegt der Verdacht der Unbilligkeit nahe. Insbesondere wenn die Preiserhöhung in keinem Verhältnis zum Importportpreis steht. Sich dann auf seine Rechte gem. BGB zu berufen ist wohl legitim. Der Energieversorger hat ja die Möglichkeit die Billigkeit nachzuweisen. Die Frage sollte lauten: Warum strebt der Energieversorger keine richterliche Überprüfung an? Das ein Unternehmen Gewinne macht ist selbstverständlich o.k. Nicht in Ordnung ist es eine quasi Monopolstellung auszunutzen und Verbraucher abzuzocken.
Liberalisierung:
Die Liberalisierung der Gasmärkte ist rein technisch schwieriger als bei Strom und Telekommunikation. So gibt es hunderte von verschiedene Gassorten, die zum Teil unterschiedliche Qualitäten besitzen. Außerdem gibt es drei verschiedene Gasleitungssysteme mit unterschiedlichen Druckstufen sowie große Speicherkapazitäten, die zwischen den Unternehmen ungleich verteilt sind. Allerdings scheint Ihnen entgangen zu sein, das die Gaspreise in Deutschland sehr unterschiedlich sind. So gibt es alleine in NRW deutliche Unterschiede. Hier ein Beispiel:
Stadtwerke Vlotho; Stadtwerke Neuss
Grundpreis 5,92Euro/Monat ; 15,71Euro/Monat
Arbeitspreis 4,03ct/kWh; 4,74ct/kWh
Gesamtkosten bei 20.000 kWh im Jahr 877,04 Euro; 1136,52Euro
Einsparvolumen: 259,48 Euro/Jahr (Quelle www.wdr-markt.de)
Gruß
Frank
Navigation
[0] Themen-Index
[#] Nächste Seite
Zur normalen Ansicht wechseln