Energiepreis-Protest > Bundesweit / Länderübergreifend
Es gibt auch andere Argumente und Meinungen
RR-E-ft:
@Hennessy
Ich finde es überaus erfreulich und sogar mutig, dass einer sagt, woher er kommt und sich hier konstruktiv an der Diskussion beteiligen möchte, was die hiesige Diskussion natürlich bereichert.
Vollkommen richtig wurde hier bereits herausgestellt, dass sich in einer funktionierenden Marktwirtschaft der Preis über Angebot und Nachfrage herausbildet. Ein \"gerechter\" Preis ist unserer Wirtschafts- und Rechtsordnung damit fremd.
Gesichert ist wohl auch, dass auf einem Monopol- oder Oligopolmarkt (nur ein oder nur wenige Anbieter für ein und das selbe Gut) die Preise höher sind als auf einem sog. Polypol- Markt, wo viele Anbieter vielen Nachfragern gegenüber stehen.
Wirtschaftswissenschaftler haben hierzu die verschiedensten Theorien entwickelt. Eine besagt, dass Monopole im Interesse der Gewinnmaximierung immer bestrebt sind, das Angebot künstlich zu verknappen (Stichwort: Cournot´scher Punkt).
Unternehmen sind sogar verpflichtet, Gewinne zu realisieren, da sie ansonsten Schwierigkeiten mit den Finanzbehörden bekommen.
\"Gewinnerzielungsabsicht\" ist nämlich Voraussetzung für viele Privilegien der Unternehmensbesteuerung gegenüber der Besteuerung von privaten Haushalten. Insoweit wird eine Gewinnerzielungsabsicht auch überhaupt nicht in Frage gestellt.
Jedoch gilt nur für Unternehmen, denen die Versorgung mit leitungsgebundener Energie (Elektrizität und Gas) anvertraut ist, bereits seit 1935 die Verpflichtung gem. § 1 Energiewirtschaftsgesetz, die Versorgung nicht nur so sicher wie möglich, sondern auch so preiswürdig wie möglich, d. h. so billig wie nur möglich, zu bewerkstelligen.
Zur sog. Ziel- und Pflichtentrias des § 1 EnWG kommt der Umweltschutz, d.h. die Ressourcenschonung noch hinzu.
Preiswürdigkeit und Versorgungssicherheit werden oft in einem Zielkonflikt dargestellt.
Jedoch hat sich in jüngster Zeit ergeben, dass trotz der hohen Energiepreise in Deutschland die Versorgungssicherheit nicht in jedem Falle gewährleistet scheint.
Hierzu ist etwa auf den im Internet verfügbaren Beitrag der \"Kontraste\"- Sendung des RBB- Fernsehens vom 29.10.2004 über den weitflächigen Stromausfall in Rheinland- Pfalz und im Saarland hinzuweisen.
Möglicherweise ist das vollkommen überdimensionierte und weiten Teilen vollkommen veraltete Stromnetz in Thüringen (\"Thüringer Allgemeine\"/ Wirtschaft vom 01.11.2004) ein trauriger Sonderfall, der belegt, dass auch zu wenig in die Netze investiert wurde, obschon die Netznutzungsentgelte des Regionalversorgers so hoch sind, dass das Bundeskartellamt bereits mit einer Missbrauchsverfügung einschreiten musste, die wegen des bisher schwachen kartellrechtlichen Instrumentariums vom OLG Düsseldorf aufgehoben wurde.
Nach Presseberichten etwa im SPIEGEL Nr. 48/2004 wurden die Erlöse aus den hohen Energiepreisen leider von den Unternehmen nicht dafür verwendet, die Versorgungssicherheit nachhaltig zu erhöhen:
Der Kraftwerkspark ist selbst nach Angaben des VDEW in weiten Teilen veraltet.
Strategisch soll er wohl durch neue Steinkohlekraftwerke anstatt durch moderne Gaskraftwerke in Kraft- Wärme-Kopplung ersetzt werden, was im Hinblick auf die Klimaschutzziele des Kyoto-Protokolls in Bezug auf den CO2- Ausstoss problematisch erscheinen muss.
Auch wird die dezentrale Erzeugung, die einen hohen Nutzungsgrad aufweist, Leitungsverluste vermeidet und durch Karft- Wärme-Kopplung die naürlichen Ressourcen schont und auch in Bezug auf zu besorgende terroristische Angriffe auf Großkraftwerke wohl Vorteile bietet, bisher zu wenig gefördert.
Unter Hinweis auf die Gesamtbedarfsdeckungsklausel des § 3 AVBEltV werden entsprechende Vorhaben privater Investoren sogar zu verhindern gesucht.
Auch der Bundesverband der Rohrleitungsbauer hat jüngst einen gefährlichen Investitionsstau ausgemacht und meint wohl damit auch den Zustand der Gasnetze in Deutschland.
Wenn also hohe Energiepreise von den Unternehmen darauf verwendet werden, die Versorgungssicherheit tatsächlich zu erhöhen und die natürlichen Ressourcen nachhaltig zu schonen, ist dies achtenswert.
Allein im Zuge steigender Energiepreise immer weiter steigende Unternehmensgewinne sind jedoch mit der Verpflichtung aus § 1 EnWG zu einer möglichst billigen Versorgung wohl nicht vereinbar.
Eine solche Verpflichtung besteht im übrigen wohl für keinen anderen Wirtschaftsbereich.
Für den Automobilbau gab es wohl allenfalls entsprechende politische Zielvorgaben für einen \"Volkswagen\", jedoch wohl auch nur, um des propagandistischen Erfolges Willen, und um hiernach diese Automobile für Kriegszwecke bei der Bevölkerung zu requirieren....
Aber um all diese wirtschaftspolitischen Erwägungen geht es hier auch nicht, sondern allein darum, ob und wie sich Kunden gegen zweifelhafte und möglicherweise unberechtigte Preiserhöhungen von Energieversorgern zur Wehr setzen können.
Unberechtigt und unbillig sind einseitige Preiserhöhungen - nicht nur der Energieversorger - nach der Rechtsprechung des BGH dann, wenn nicht nur höhere Gestehungskosten (Bezugspreise, Gehälter etc.) auf die Kunden weitergewälzt werden, sondern auch der kalkulierte Gewinnanteil an den Energieverkaufspreisen steigt.
Dass die Preise einen Gewinnanteil enthalten müssen, hatten wir ja bereits herausgearbeitet und dies ist wohl auch unumstritten.
Der Kunde hat nun einmal m. E. keine andere Möglichkeit, die Erforderlichkeit und Angemessenheit der derzeitigen Preiserhöhungen zu überprüfen, wenn ihm hierfür vom Versorger nicht die entsprechende Preiskalkulation offen gelegt wird.
Oder wird dafür eine andere Möglichkeit gesehen, als eine Offenlegung der Kalkulationsgrundlagen?
Die Kartellaufsicht hilft an dieser Stelle wegen des bereits eingeräumten, vollkommen anderen Prüfungsmaßstabes dem Kunden nicht weiter.
Allein auf ein Vertrauen gegenüber dem örtlichen Versorger wollen sich - gerade auch viele Kunden der Gasversorger in Norddeutschland mit ihren drastischen Preiserhöhungen von über 10 Prozent - nicht mehr verlassen.
Dieses Vertrauen wurde wohl auch allein von den Versorgern nachhaltig zerstört, nachdem nun aus entsprechenden Presseberichten bekannt wurde, dass in Einzelfällen Preissenkungen nicht an Kunden weitergegeben wurden, die Ferngasgesellschaften als Vorlieferanten ihre Preise zum 01.10.2004 nur um durchschnittlich 4 % erhöht hatten.
Dabei handelt es sich also nicht nur um eine \"schlechte Kommunikation\" der aktuellen Preiserhöhungen durch die Versorger, es geht wohl vielmehr darum, dass nachhaltig Kundenvertrauen leichtfertig verspielt wurde.
Und wer erklärt den wohl offensichtlichen Widerspruch zwischen der Entwicklung der Gasimportpreise nach den amtlichen Statistiken des BAFA und der Entwicklung der Verbraucherpreise?
Undzwar dies auch in Bezug darauf, dass auf den verschiedenen Wertschöpfungsstufen die jeweiligen Vorlieferanten oftmals an ihren Kunden direkt oder indirekt über Kapitalbeteiligungen beteiligt sind.
Freundliche Grüße
aus Jena
Thomas Fricke
Rechtsanwalt
Hennessy:
Erstmal: Alle Vergleiche hinken - darüber bin ich mir bewusst!
Ich möchte mit Nutella und Mercedes Hinweise auf die Seltsamkeit der hier aufgestellten Forderungen geben - wohl wissend, dass die Energiewirtschaft in Deutschland auch ein einzigartiges (dies ist keine Wertung) Gebilde ist, das nach eigenen Mechanismen funktioniert.
Ölpreisbildung
Ja! Es ist eine \"Erfindung\" der Ölkonzerne und der Vorlieferanten, die allerdings 30 Jahre hervorragende Dienste bim Aufbau der Erdgasinfrastruktur geleistet hat. Ja, die Ölpreisbindung ist veraltet - und jetzt? Bisher hat keiner eine praxistaugliche Alternative vorgestellt - oder habe ich was verpasst?! Die Kritik ist i.O. und die Lösung ist nicht in Sicht, so lange keine Börse wie im Strom existiert. Ich bin mir sicher, dass dieser Punkt in 3-4 Jahren überwunden ist und dann mehr als die Hälfte der Gasversorger die Beschaffung an der Börse und über ein eigenes Portfoliomanagement steuern. Wer auf diese Weise Kostenvorteile generieren kann, wird diese auch an die Kunden weitergeben. Aber bitte immer realistisch bleiben - No chance without risk - und nicht klagen, wenn es in die Hose geht. Momentan stöhnt das vielgerühmte libalisierte England unter extremen Gaspreisen (warum eigentlich -etwa wegen Öl?) und schreit nach staatlichen Eingriffen obwohl der Spotmarkt für Erdgas seit Jahren existiert.
Preise/Billigkeit
Wenn die Einsprüche nach §315 BGB jetzt auf breiter Front erfolgen sollten, ist für jedes Versorgungsunternehmen zukünftig potentiell jegliche Preisänderung gefährlich - auch die Senkung (siehe Beitrag oben)! Dann dreht sich bei fallenden Ölnotierungen und ausbleibenden Preissenkungen die Beweislast wieder rum und das juristische Kasperle-Theater spielt den 2ten Akt.
Mag sein, dass alle Gasversorger bei der Vertragsgestaltung über den Tisch gezogen worden sind - ist aber doch recht unwahrscheinlich. Die Gasversoger haben die Heizölbindung in ihren Verträgen und wer in Anbetracht der heutigen Situation an eine Margensteigerung denken würde wäre ein Selbstmörder. Man glaubt doch nicht, dass eine Preiserhöhung in dieser emotional geprägten öffentlichen Diskussion Spaß macht?
Schöne Grüße
RR-E-ft:
@Hennessy
Seit 07.12.2004 gibt es Dank umfassender Recherchen etwas Transparenz im Gasmarkt. Die Sendungen im Fernsehen MDR „Umschau“ und ARD „Plusminus“ brachten zu Tage, dass die Preisspanne beim Gas der „weißen Zunft“ 38 Prozent beträgt, die fortgeschriebene BAFA- Statistik gegenüber dem Vorjahr insgesamt gesunkene Importpreise ausweist, die Preiserhöhungen trotz des angeblich gleich wirkenden Preismechanismus vollkommen unterschiedlich ausgefallen sind.
Der günstigste Versorger in Thüringen, die Stadtwerke Jena haben, obschon mittelbar von E.on Ruhrgas versorgt , für Haushaltskunden die Preise gar nicht erhöht, für Heizgaskunden nur um 2,8 Prozent.
Die Ferngasgesellschaften hatten bisher die Preise nur um vier Prozent erhöht, was nach den entsprechenden Pressemitteilungen schon als gesichert gelten kann.
E.on Westfalen Weser wollte zugegebenermaßen eine zukünftige Preisentwicklung bereits vorwegnehmen.
E.on Hanse soll im vergangenen Jahr wegen eines eingegangenen Versprechens gegenüber den Kunden, die Preise stabil zu halten, die gesunkenen Einkaufspreise nicht an die Kunden weitergegeben haben.
Das nennt man in der Ökonomie einen „Mitnahme-Effekt“.
Kritisiert wurde ein solcher bisher schon, jedoch nur an ganz anderer Stelle.
Weshalb sollten denn die Importeure ihre Kunden, an denen sie oft beteiligt sind und die deshalb zum eigenen Konzern gehören, „über den Tisch gezogen“ haben?
Muss eine Konzernmutter, bei der alle Informationen zusammenlaufen und welche die Strategie für das Gesamtgebilde entwickelt nicht auch dafür sorgen, dass sich die Töchter nicht gegenseitig „über den Tisch“ ziehen.
Der E.on Konzern ist zum Beispiel selbst an der Gasexploration beteiligt, importiert das Gas nach Deutschland und verteilt es über Ruhrgas an die größten Gasversorger des eigenen Konzerns (E.on Hanse und E.on Westfalen Weser).
Sollen die Verbraucher ausharren bis zur vollständigen Liberalisierung und vor allem bis zum funktionierenden Wettbewerb und darauf hoffen, dass die Versorger das kassierte Geld gut verwenden, also vornehmlich investieren?
Der Verband der Rohrleitungsbauer hat einen gefährlichen Investitionsstau festgestellt und meint dabei wohl auch die Gasnetzbetreiber.
Vattenfall- Chef Rauscher soll laut einer Verivox- Meldung vom 08.12.2004 auf einen Investitionsstau bei Kraftwerken hingewiesen haben.
Zu wenig Kraftwerkskapazität gefährdet bekanntlich die Versorgungssicherheit.
Mit der besonders hohen Versorgungssicherheit wurden jedoch in der Vergangenheit immer die hohen deutschen Energiepreise gerechtfertigt.
Wie es um die Versorgungssicherheit in tatsächlich bestellt ist, hat die „Kontraste“- Sendung im RBB- Fernsehen vom 29.10.2004 gezeigt, die im Internet als Video verfügbar ist.
Und auch der Beitrag in der „Thüringer Allgemeinen“ vom 01.11.2004 über das in weiten Teilen veraltete und vollkommen überdimensionierte Stromnetz der Thüringer E.on- Tochter, welche indes die höchsten Netznutzungsentgelte kassiert, gibt wohl ein eindrucksvolles Bild.
Ich kann auch nicht erkennen, dass eine Börse oder ein Spotmarkt Besserung bringen könnte.
Alle Stromversorger verweisen beim aktuellen Vertragsabschluss ihre Kunden zum Beispiel auf die Preisentwicklung an der Leipziger EEX- Strombörse, wo bereits für die Zukunft hohe Strompreise prognostiziert werden.
Allerdings wird dort nur ein ganz geringer Anteil der Strommenge gehandelt. Der meiste Strom ist sehr langfristig vertraglich gebunden. Entsprechende langfristige Verträge haben in der Regel eine Laufzeit von zehn Jahren und verfügen zudem oft noch über Verlängerungsklauseln, so dass kein großer Versorger seinen Strom kurzfristig an der Börse handeln muss.
Den Kunden wird sogar oft mitgeteilt, Schuld an den hohen Energiepreisen sei der Wettbewerb. Das ist wohl der einzige Wirtschaftsbereich, wo Wettbewerb zu hohen Preisen führen soll. Diese These ist deshalb wohl abenteuerlich.
Der überwiegende Teil der deutschen Stromversorgung erfolgt aufgrund langfristiger Verträge, die von den internationalen Märkten weitgehend entkoppelt sind:
Vattenfall Europe Mining schürft die ostdeutsche Braunkohle, die Vattenfall Europe Power in seinen modernen Kraftwerken verstromt, Vattenfall Europe Transmission transportiert diesen Strom über das eigene Höchstspannungsnetz (vormals VEAG Vereinigte Energiewerke AG Berlin) in alle neuen Bundesländer, wo ihn Vattenfall Europe Sales sodann an die jeweiligen Regionalversorger verkauft. Diese wiederum verkaufen den Strom an die eigenen Kunden oder an Stadtwerke.
Wettbewerb um die Stromversorgung der Regionalversorger findet wohl wegen eines entsprechenden Agreements zwischen RWE, E.on und Vattenfall in Ostdeutschland nicht statt.
Gerade dadurch soll ja die ostdeutsche Braunkohleverstromung abgesichert werden, weshalb der Absatz der Braunkohle auch langfristig abgesichert ist, diese keinen Preisschwankungen unterliegen muss.
Hat sich die ostdeutsche Braunkohle etwa verteuert, weil Vattenfall Europe Mining die Kohle nun meistbietend versteigert und Vattenfall Europe Power etwa gegen die energiehungrigen Chinesen beim Preiskampf nicht mehr mithalten kann? Wohl kaum.
Dafür gibt es ja gerade die langfristigen Verträge und die strategischen Beteiligungen.
Nicht anders verhält es sich mit der RWE- Kohle der konzerneigenen Rheinbraun und der E.on- Kohle der konzerneigenen RAG.
Und auch das Gas für die modernen Gaskraftwerke dürfte deshalb nicht teurer werden.
Weshalb sollte man denn auch konzernintern eine Ölpreisbindung vereinbaren?
Der Absatz ist doch bisher über die strategischen Beteiligungen vollends abgesichert.
Und so hatte ja auch der EWE- Vorstandsvorsitzende und VDEW- Präsident Dr. Brinker in einem Interview im Nordwestradio am 09.11.2004, welches auf der Seite www.energiepreise-runter.de als Link verfügbar ist, auch schon selbst eingeräumt, dass diese Preisbindung gar nicht alle Verträge der Branche betrifft.
Und wie der einzelne Verbraucher auch, kann ein Kraftwerksbetreiber nicht eben über Nacht von Kohle auf Gas oder von Gas auf Öl umstellen.
Nach alldem stellt sich die berechtigte Frage, weshalb in diesem Herbst und Winter die Energiepreise noch vor der Tätigkeitsaufnahme einer Regulierungsbehörde so dramatisch ansteigen müssen, zumal E.on noch im September verkündet hatte, man könne darauf getrost verzichten.
Was hat sich denn seit September so dramatisch verändert, dass E.on nun gezwungen sein sollte, die Preise doch noch einmal kräftig zu erhöhen?
Wahrscheinlich doch wohl nur die Angst der Versorger vor dem zukünftigen Regulierer, der nun wohl doch viel weitereichendere Kompetenzen erhalten wird, als noch im September erwartet.
Da dachte man wohl noch, das Gesetzgebungsverfahren sei wie immer Dank der eigenen Lobbyarbeit soweit abgeschlossen und begab sich unvorsichtig mit den Preiserhöhungsabsichten aus der Deckung.
Nun ist sogar schon von einer „Verbraucherlobby“ die Rede, ein Wort, welches mir wohl vorher gar nicht begegnet war.
Es geht ersichtlich auch nicht um eine Neid- Debatte:
Den Unternehmen seien ordentliche Gewinne vergönnt, die sie sich in einem funktionierenden Wettbewerb durch Innovationen hart erarbeitet haben.
Indes der Strom und das Gas haben sich seit Jahren nicht wirklich verändert, bis auf die Farbe und die wohlklingenden Handelsnamen.
Die Versorgungssicherheit hat wohl eher ab denn zugenommen, wie allein der Investitionsstau beim Kraftwerkspark eindrucksvoll beweist.
Es geht um unberechtigt hohe Monopol- und Oligopolgewinne, die aus hohen Preisen einerseits und unterlassenen Investitionen andererseits resultieren, welche die übrige Wirtschaft zum Erlahmen bringen, insbesondere in Ostdeutschland.
Noch bevor überhaupt ein Versorgungsunternehmen bisher „die Hosen runtergelassen hat“, um in Ihrem Bild zu bleiben, sind die bisherigen Unzulänglichkeiten bereits offenbar geworden.
Die Recherchen von engagierten Verbraucherschützern und Journalisten haben erheblich dazu beigetragen, die Situation auf dem Energiemarkt etwas transparenter zu machen.
Selbst die Kartellbehörden haben erhebliche Unregelmäßigkeiten ausgemacht.
Sollte sich ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung einzelner Unternehmen, möglicherweise nach langwierigen Verfahren herausstellen, so sind nach dem Entwurf des neuen Energiewirtschaftsrechts die resultierenden unberechtigten Gewinne durch den Staat abzuschöpfen.
Das Geld, welches die Verbraucher dann zuviel gezahlt hätten, würde im „schwarzen Loch“ des Bundeshaushalts verschwinden. Für manchen mag ja die Erkenntnis noch tröstlich sein, dass sein Geld gar nicht wirklich weg ist, sondern es dann nur andere haben.
Und wie sollen sich die Verbraucher anders dagegen zur Wehr setzen als hier und von den Verbraucherzentralen vorgeschlagen?
Es geht dabei doch nicht um ein juristisches „Kasperle- Theater“, wie Sie vermeinen, sondern um volkswirtschaftlich ganz erhebliche Beträge.
Und die Frage, wer wen verklagen muss, um die Erforderlichkeit und Angemessenheit der geforderten Energiepreise gerichtlich überprüfen zu lassen, ist doch halbwegs klar.
Dass Sie in Ihrer beruflichen Tätigkeit darüber nicht erfreut sind, mag jedem einleuchten.
Jedoch ist der Schluss, dass nun deshalb gar keine Preissenkungen mehr an die Kunden weitergegeben werden könnten, nicht nachvollziehbar.
Die Preise müssen abgesenkt werden.
Die „Luft“ muss im Interesse der gesamten Volkswirtschaft raus aus den Energiepreisen.
Diese „Luft“ in den Preisen soll nach Schätzungen der Verbraucherschützer bei Strom und Gas insgesamt ein Volumen von 11 Mrd. EUR/ jährlich ausmachen.
Und wenn man diese Zahlen mit den liquiden Mitteln der Energiekonzerne vergleicht, kommt man zu dem Schluss, dass diese Annahmen nicht vollkommen abwegig sind, wie allein der Bericht im „SPIEGEL“ Heft 48/2004, S. 88 „Wohin mit dem ganzen Geld“ eindrucksvoll belegt.
Wenn diese „Luft“ somit tatsächlich als „Steuern und Abgaben“ in den Staatshaushalt eingespeist würde, wäre die Bildungsmisere wohl zu meistern.
Niemand würde dann auf die Idee kommen, die Behauptung aufzustellen, der Staat sei der „eigentliche Abzocker“, so der Finanzvorstand der E.on Westfalen Weser laut der Mitteilung einer Regionalzeitung.
Ich hoffe, dass Sie einige Überlegungen hier teilen können.
Und noch eins:
Wenn die Importeure die anderen Versorger tatsächlich „über den Tisch“ gezogen hätten, dann wohl nur deshalb um morgen bei funktionierendem Wettbewerb und vor allem einer strengen Regulierung der Netznutzung von Anfang an mit dem billigen Gas alle anderen Verteilstufen sehr kurzfristig aus dem Markt zu drängen.
Die Regionalversorger und Stadtwerke, die sich gerade noch wegen einer vermeintlichen Versorgungssicherheit auf langfristige Verträge mit Ölpreisbindung und drastische Preiserhöhungen einließen, haben dann keine Möglichkeit, ihre neuen Wettbewerber, nämlich die Importeure mit dem billigen Gas aus dem Feld zu schlagen.
Diese „Preisbrecher“ könnten dann die anderen vollständig aus dem Markt drängen und die Kunden selbst mit ihrem billigen Gas versorgen. Dagegen könnten nur Demarkationsabreden helfen, die aber kartellrechtlich verboten und deshalb unwirksam wären.
Die nachgelagerten Versorger, die sich jetzt nicht selbst auf die Unbilligkeit gegenüber ihren Vorlieferanten berufen, könnten deshalb schon morgen im funktionierenden Wettbewerb das Nachsehen haben, wenn sie am Handel gar nicht mehr teilnehmen, ihre Netznutzungsentgelte durch den Regulierer auf das gerade noch notwendige Maß beschränkt werden.
Möglicherweise stehen wir deshalb vor einer tiefgreifenden Veränderung der Struktur der deutschen Gaswirtschaft.
Wie steht es dann um die Stadtwerke, die sich jetzt nicht selbst gegen die Preiserhöhungen zur Wehr gesetzt haben?
Erfreulich, wenn die Versorger bei Preiserhöhungen vorsichtiger geworden sind, aber muss es gleich Suicid sein?
Freundliche Grüße
aus Jena
Thomas Fricke
Rechtsanwalt
Chicken_the_brave:
Ich möchte mich an dieser Stelle mal in die Diskussion einklinken, auch wenn ich, wie der vorherige Beitragsverfasser, nicht die Zeit und die Muße besitze, nach Quellen zu suchen oder Fernsehsendungen zu schauen, um die Beiträge von anderen Forumsmitgliedern niederzuschmettern. Das \"Hennessy\" auf diesen Beitrag nicht geantwortet hat, kann ich nur all zu gut verstehen. Nun befinden wir uns aber nicht in einem Gerichtsaal in dem ein Rechtsstreit ausgetragen wird, sondern es handelt sich, so habe ich es eingangs verstanden, um eine \"freie\" Diskussion. Sicherlich existieren dort andere Meinungen und es kommt immer - und ausschließlich immer - darauf an, wer den Gehaltsscheck unterzeichnet.
Nun gut, Herr Rechtsanwalt, Sie haben in einem Vorbeitrag erwähnt, dass aufgrund des schlechten Zustands der Kraftwerke über einen Ersatz im Steinkohlebereich nachgedacht wird, anstatt \"moderne\" GUD-Kraftwerke (Gaskraftwerke) zu bauen. Auch das Gas - das scheint niemand berücksichtigt zu haben - kann zwar länger als Erdöl vorgehalten werden, ist aber auch nicht auf unbestimmte Zeit verfügbar. So werden riesige Mengen aus Russland eingekauft, deren Durchleitung (Pipelinetrasse) durch die Ukraine verläuft. Unter den momentan vorherrschenden Bedingungen ein waghalsiges Unterfangen. So denkt der E.ON-Konzern (Ruhrgas) darüber nach, eine weitere, dritte, Trasse durch die Ostsee zu bauen, damit wir es weiterhin hell und warm in unseren Hütten haben. Die Kosten wurden mit 13 Mrd. Euro veranschlagt. Nun liegt es natürlich nahe, den Kumpels im Ruhrgebiet und teilweise Saarland, die Jobs zu sichern und auch weiterhin Steinkohle zu fördern. Ein Energieträger aus eigenen Landen, aber leider teuer. Die RAG strebt bereits an, ein neues Bergwerk in Altenberge, ca. 100 km nördlich des Ruhrgebietes, zu eröffnen, damit auch weiterhin eine Versorgungssicherheit gegeben ist. Vor gut einem Jahr noch völlig undenkbar.
Ich benötige keine Paragraphen um festzustellen, dass es mit der als selbstverständlich angesehenen Wärme, gerade in der jetzigen Zeit, nicht besonders bestellt ist und sie alles andere als selbstverständlich ist. Dabei ist Gas ein Gut, was nicht nur durch Öl substituiert werden kann. Es gibt doch noch Koks- und Holz(pallets)zentralöfen. Dann genügt es nicht, in einer Werbepause des MDR, den Heizkörper aufzudrehen oder mal den Spiegel bei Seite zu legen und die zentrale Klimasteuerung auf \"warm\" einzustellen, sondern man muss sich dann schon mal in den Keller bewegen und Holz(pallets), Braun- oder Steinkohle oder sogar Koks nachfeuern. Ergo brauchen Sie sich dann aber nicht über die steigenden Gas- oder Ölpreise aufzuregen. Ein Gaszähler ist schnell ausgebaut und der Haupthahn zugedreht. Man muss kein Gas beziehen! Vor gut 50 Jahren ging es auch flächendeckend ohne... Das will hier aber wohl niemand hören...
RR-E-ft:
Natürlich pflegen wir hier eine freie Diskussion.
In der andernorts geführten Diskussion, z.B. zur Novellierung des Energierechts, hatten bisher die Versorger durch ihre umfangreiche Lobbyarbeit ersichtlich einen informationellen Vorteil.
Wir haben vielleicht Strukturen gefunden, selbst die aktuellsten Infos zwischen den Verbraucherschützern auszutauschen und in die Diskussion einzuführen. Das ist wohl grundsätzlich nicht zu beanstanden.
Zur Sache:
Die Möglichkeit zur Substitution zwischen einzelnen Energieträgern, vor allem kurzfristig haben leider nicht alle.
Mieter zum Beispiel bekommen die Heizkosten über die Nebenkostenabrechnung zu spüren, müssen ihren Vermieter ggf. auffordern, sich zur Wehr zu setzen.
Viele neu erbaute/ sanierte Eigenheime verfügen nicht über die notwendigen Abzüge, um einen Kamin aufzustellen.
Zukünftig wird es da sicher wieder ein Umdenken geben.
Die Ofenbauer freut das.
Der Hinweis darauf, dass eine Gasuhr schnell ausgebaut werden kann, läßt die vielleicht gerade erst bezahlten, nicht unerheblichen Hausanschlusskosten und den Baukostenzuschuss gem. §§ 9, 10 AVBV für die Erstellung des Anschlusses an das öffentliche Versorgungsnetz unberücksichtigt. Das wären insoweit \"stranded investmants\".
Wer den Anschluss aufrecht erhalten will, um nicht später nochmals für einen Anschluss zu zahlen, kann zwar den Gasverbrauch einstellen, muss aber die Grundpreise und sonstigen fixen Kosten weiter zahlen.
Diese Kosten kommen somit zu den Kosten des alternativen Energieträgers und für den ggf. neuen Ofen o. ä. hinzu.
Auch die meisten Kraftwerke können nicht einfach die Einsatzbrennstoffe substituieren, weshalb der Gaspreis oft zugleich auf die Strompreise durchschalgen soll.
Allein weil sich der Ölpreis bei den internationalen Notierungen kurzfristig dramatisch ändert, werden alle anderen Energieformen durch die Preiskopplung, an deren Bestand wegen des vollkommen anderen Verlaufs der Importpreise nach den amtlichen Statistiken des BAFA schon gezweifelt werden kann und deren Sinnhaftigkeit in Frage steht, ohne Not verteuert, was eine entsprechende Inflationsspirale in Gang setzt.
Sicher gehört die gesamte zukünftigen Ausrichtung der öffentlichen Energieversorgung in die öffentliche Diskussion, auch der zukünftige Energiemix und auch die Frage nach der Notwendigkeit einer nationalen Energiereserve wie auch die Frage nach dem weiteren Ausbau der sog. erneuerbaren Energien und die zur erfügung stehenden Alternativen.
Bisher wurde dieses Thema allein der Energiewirtschaft überlassen, wenn man von der starken Anti- AKW- Bewegung einmal absieht.
Letzteres soll nicht Gegenstand der hiesigen Diskussion sein, die im übrigen weiter offen ist.
Jeder, der sich hier zum Forum anmeldet, hat sich mit den Regeln einverstanden erklärt.
Freundliche Grüße
aus Jena
Thomas Fricke
Rechtsanwalt
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