Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Mahnbescheid/Schlichtungsstelle und Rechtmäßigkeit

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Kampfzwerg:
Ich starte noch einen Versuch, auch auf die Gefahr hin mich als Dussel zu outen.  :lol:
Vielleicht beantragt ja inzwischen auch kein Versorger mehr einen MB aufgrund des Widerspruchs mit §315 ?
Dann hätte sich das Thema erledigt.
Zumindest Taxman (und ev. Newcomer ?) interessiert eine Antwort/Diskussion (vielleicht) nämlich auch.
 :wink:  

Also:
In NRW ist vor Klageerhebung bei einem Streitwert von bis zu 600,-€ entweder ein Mahnbescheid, oder ein Schlichtungsversuch vor einer anerkannten Schiedsstelle für die Klageerhebung zwingende Voraussetzung,
heißt gesetzlich vorgeschrieben.

Die Rechtmäßigkeit der Forderung wird bei Erlass eines Mahnbescheids allerdings vom zuständigen Gericht nicht geprüft.

Nach Einwand von §315 (Unverbindlichkeit = Nicht-Fälligkeit) ist eine Beantragung des Mahnbescheids rechtswidrig, da die Voraussetzung dafür wiederum eine fällige Forderung ist.

Bei rechtswidrig erlassenem Mahnbescheid und ohne Anrufung der Schiedsstelle müsste eine Klage bis Streitwert 600,- doch allein schon deswegen abzuweisen sein?

Dann würden Versorger-Klagen, zwar sowieso äußerst unwahrscheinlich, aber überhaupt, erst ab 600,- zu befürchten sein.
Pro Abrechnungsperiode, oder aufgelaufen?
Wahrscheinlich doch pro Abrechnungsperiode, da jeder Abrechnungszeitraum, wegen der Verwirkung, gesondert zu betrachten wäre?

Oder ist das ein Denkfehler?

Schöfthaler:
Warum soll ein Mahnbescheid rechtswidrig sein, wenn das Gericht den Inhalt des Mahnbescheids nicht überprüft? Einen Mahnbescheid können Sie ebenfalls gegen jeden ergehen lassen, dem Sie Geld abknöpfen wollen und dessen Augenfarbe Ihnen nicht gefällt - auch wenn sonnenklar wäre, dass keinerlei Fälligkeit existiert. Genau deshalb, weil das Anstrengen eines Mahnverfahrens für jedermann so einfach ist, darf ja der Angemahnte dem Mahnbescheid einfach per Kreuzchen in einem vorbereiteten Feld auf dem Mahnbescheid widersprechen.

Mahnen kann jeder, Forderungen durchsetzen nur derjenige, dem die Fälligkeit und Rechtmäßigkeit der Forderung nach einer (gerichtlichen) Prüfung auch zugesprochen wird.

Kampfzwerg:
@Schöfthaler

Deswegen finde ich ein Mahnverfahren nach Einwand von §315 ja so paradox!

Das Mahnverfahren soll die kostspieligere Zivilklage ersetzen, wenn zu erwarten ist, dass die Zahlungsverpflichtung nicht bestritten wird.

Ein Mahnverfahren kann nur zur Geltendmachung zivilrechtlicher, fälliger (Voraussetzung) Geldforderungen genutzt werden.

Die Fälligkeit/Voraussetzung wird aber nicht geprüft.

Wenn es also sonnenklar ist, das keine Fälligkeit existiert, ist die Voraussetzung nicht erfüllt.
Wozu gibt es diese dann?
Und wie kann ein Verfahren ohne Erfüllung einer gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzung rechtmäßig sein?


Sinn des MV ist es doch, dem Antragsteller möglichst schnell einen zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel zu verschaffen.
Und zwar einfacher, schneller und kostengünstiger, als bei einer Klage.
Des weiteren sollen die Gerichte durch diese Möglichkeit entlastet werden.
Ein Erlass des Vollsteckungsbescheids erfolgt dann nach zwei Wochen, wenn kein Widerspruch eingelegt worden ist.

Mit Einwand von § 315 wird aber:

- die Zahlungsverpflichtung bestritten
- die Forderung unverbindlich, also nicht fällig

Dementsprechend wird gegen den MB insgesamt, innerhalb der 2-W-Frist, mit Kreuzchen Widerspruch eingelegt.

Eine „beabsichtigte Ersetzung“ der Zivilklage stand also von vornherein überhaupt nicht zu erwarten.
Geschweige denn mehr Schnelligkeit, Kostengünstigkeit, oder Entlastung der Gerichte.

Also wozu der ganze Aufwand?
Wegen der zweifelhaften Hoffnung, dass die Frist verschlampt, oder das Kreuzchen falsch gesetzt wird?

Und, in Folge, wozu gibt es dann in NRW und andernorts wiederum vor Einreichung einer Zivilklage die Voraussetzung eines, in diesem Fall von vornherein völlig unsinnigen, abgeschlossenen Mahnverfahrens oder eben der Schlichtungsstelle?
Kann ein Verfahren denn ohne Erfüllung einer gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzung wirklich rechtmäßig sein?
Und in Konsequenz das dann darauf basierende zweite Verfahren der Zivilklage?
 
Die Diskussion über Verstöße gegen 307/315 ergibt doch ebenfalls, dass auf unwirksame Klauseln gestützte Forderungen nicht haltbar sind, da dementsprechende Voraussetzungen/Rechte schlichtweg fehlen.

Schöfthaler:
@Kampfzwerg:

Es mag ja sein, dass das Vorgehen in Ihren Augen paradox ist. Wie soll es aber anders zugehen?

Das Gericht prüft weder den Anspruch selbst noch die Anwendbarkeit eines Paragrafen (z.B. §315), den der Antragsgegner für seinen Widerspruch heranzieht, also die Fälligkeit des Anspruchs. Genau die Frage der Anwendbarkeit von §315 BGB für den Gaspreisprotest beschäftigte ja in bisherigen Verfahren etliche Gerichte. Auch wenn dies für uns mittlerweile als geklärt betrachtet werden kann und somit "sonnenklar" erscheint, müsste dies im Einzelfall durch das Gericht dennoch erst bestätigt werden - und genau das kann das Gericht bei einem Mahnverfahren nicht leisten. (Vielleicht ändert sich das, wenn der BGH im Dezember eine "gute" Grundsatzentscheidung trifft?)

Zitat aus www.mahnverfahren-aktuell.de:

--- Zitat ---Das gerichtliche Mahnverfahren soll dem Gläubiger einer Geldforderung ermöglichen, auf einfache und schnelle Weise, einen zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel zu erhalten. [...] Das Mahnverfahren ist besonders für die Geltendmachung von Geldforderungen geeignet, in denen nicht zu erwarten ist, dass vom Antragsgegner Einwendungen gegen die Forderung erhoben werden. Auf diese Weise soll für beide Streitparteien ein aufwendiges gerichtliches Klageverfahren vermeiden werden.
--- Ende Zitat ---

Das Problem sind also die Versorger, die dieses Mittel alleinig zur Einschüchterung nutzen, wohl wissend, dass wir Kunden sehr wohl Einwände gegen die Forderung erheben (noch dazu gut begründete ...). Auch deren Motivation wird klar: ein aufwendiges gerichtliches Klageverfahren soll vermieden werden. Zumindest scheint es hierfür für unsere Versorger noch die Hoffnung zu geben ...  :o


--- Zitat ---Das Mahngericht prüft diesen Antrag grundsätzlich nur formal, d.h. es prüft nur, ob alle notwendigen Angaben, insbesondere die genaue Bezeichnung des Antragstellers, des Antragsgegners sowie der Hauptforderung im Antrag enthalten sind und ob der Antrag nicht unzulässig ist (z.B. Sittenwidrigkeit).
Ist der Antrag vollständig und fehlerfrei, wird dann auf der Grundlage dieses Antrags ein Mahnbescheid erlassen, der dem Antragsgegner förmlich durch die Post zugestellt wird. In diesem Mahnbescheid wird dem Antragsgegner mitgeteilt, wer, welche Zahlungsforderung - einschließlich Kosten und Zinsen - gegen ihn erhebt. Gleichzeitig wird der Antragsgegner vom Gericht aufgefordert, entweder den Anspruch binnen 2 Wochen (seit dem Tage der Zustellung) bei dem Antragsteller oder dessen Prozessbevollmächtigten zu bezahlen, falls der Anspruch anerkannt wird, oder bei dem Mahngericht Widerspruch einzulegen, für den Fall, dass er das Bestehen der Forderung bestreitet.
--- Ende Zitat ---

Also: Für das Gericht ist sehr wohl von vornherein offen, ob die Forderung überhaupt besteht.


--- Zitat ---Außerdem schickt das Gericht auch eine Kostenrechnung bzgl. der Kosten des Mahnverfahrens mit, die vom Antragsteller zu begleichen ist. Grundsätzlich entsteht für das Mahnverfahren - lt. Gerichtkostengesetz - eine halbe Gebühr, die sich nach dem Streitwert berechnet.
--- Ende Zitat ---

Die Versorger gehen also von vornherein das Risiko ein, auf den Kosten sitzen zu bleiben.


--- Zitat ---Legt der Antragsgegner gegen den Mahnbescheid Widerspruch ein oder wehrt er sich mit einem Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid, kann das Mahnverfahren als "normaler" Zivilprozess weitergeführt werden. Der Antragsteller wird dann vom Prozessgericht aufgefordert, seinen Anspruch zu begründen und zu beweisen.
--- Ende Zitat ---

Hier bleiben die Versorger allen Beobachtungen nach hängen: Sie werden also vom Gericht im Widerspruchsfalle (dem Regelfall ...) sogar zur Begründung aufgefordert! Und diese Begründung unterbleibt offenkundig - zumindest gibt es bei uns in Reutlingen wie auch anderswo derzeit keine Klagewelle der Stadtwerke.


Nicht der Gesetzgeber ist schuld an dem "paradoxen" Missstand, dass Gerichte unnötig beschäftigt werden, sondern die Versorger sind es, die trotz der Erwartung, dass Einsprüche gegen die Forderungen erhoben werden, dieses Mahnverfahren anstrengen, das eigentlich dafür dienen soll, berechtigte Forderungen leichter eintreibbar zu machen. Oder haben wir unseren Versorgern etwa immer noch nicht klar genug gemacht, dass wir unsere Einsprüche für absolut berechtigt halten und nicht durch ein einschüchterndes gerichtliches Mahnverfahren aufgeben werden :roll: ?

www.E-R-N-A.de
Energie-Rebellen Neckar-Alb

superhaase:
Ist doch eine inzwischen weit verbreitete Masche, begründet zahlungsunwiliige Kunden erst mit einem Schreiben von einem Rechtsanwalt und dann vielleicht mit einem gerichtlichen Mahnbescheid einzuschüchtern, in der Hoffnung, dass diese Muffensausen bekommen und dann widerwillig zahlen. Das macht z.B. auch die Telekom seit etlichen Jahren so. Und nicht nur die. Leider scheint es auch oft zu funktionieren.
Man muss nur standfest bleiben, hat bei mir bisher immer geholfen (Telekom, Stadtwerke). Irgendwann haben die bisher immer aufgegeben, weil sie einen wirklichen Prozess aufgrund geringer Erfolgsaussichten dann doch scheuen.
ciao,
sh

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