Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Sonderverträgen kündigen?  (Gelesen 6955 mal)

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Offline Christian Guhl

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Sonderverträgen kündigen?
« am: 29. Oktober 2006, 22:00:35 »
Wie sich immer mehr herauskristalisiert, haben Tarifvertragskunden die besseren Möglichkeiten beim "Preisboykott" (z.B. Kürzung auf "Null").
Nun ist es kein Problem, die Sonderverträge mit einer gewissen Frist zu  kündigen und mich vom Versorger als Tarifkunden beliefern zu lassen, um dann sofort den § 315 anzuwenden und den Gesamtpreis als unbillig zu rügen. Ist dies ein gangbarer Weg, um mir die Vorteile der Grundversorgung zu sichern ? Oder gibt es an anderer Stelle gravierende Nachteile, an die ich nicht gedacht habe ?

Offline RR-E-ft

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Sonderverträgen kündigen?
« Antwort #1 am: 30. Oktober 2006, 14:12:44 »
@Christian Guhl

Wäre eine solche Kündigung nicht etwa rechtsmissbräuchlich?

Immerhin kündigt man einen Vertrag, um in die Grundversorgung zu gelangen, deren höhere Preise einem bekannt sind.

Man kann doch warten, bis der Versorger einen in die günstige Grundversorgung abschiebt.

Man hüte sich davor, selbst gierig zu werden. :wink:

Die Kündigung von Sonderverträgen kann man den Versorgern überlassen.

Offline Christian Guhl

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Sonderverträgen kündigen?
« Antwort #2 am: 30. Oktober 2006, 18:29:17 »
@RR-E-ft
Danke ! Sie haben recht - nicht zu gierig werden !
Ich zahle die Preise von 1999. Das läßt sich aushalten.
Aber ob Sie es glauben oder nicht - mir macht es manchmal richtig Spaß, dem Versorger auf der Nase rumzutanzen.
 :lol:

Offline Greylupo0

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Sonderverträgen kündigen?
« Antwort #3 am: 20. November 2006, 16:05:41 »
Hallo,
ich möchte dieses Thema nochmals aufgreifen.
In unserem Wohnviertel, das zu 90% mit Nachtspeicherheizungen betrieben wird, hat der Stromversorger seine regelmäßigen Preiserhöhungen für Nachtstrom dieses Jahr erstmals mit der Kündigung alle Sonderverträge verknüpft. Das heißt, er bietet ein neues "Sonderabkommen" natürlich nur zu den geänderten Bedingungen an und verlangt die Gegenzeichnung.

Wenn ich mich als Sonderkunde gegen dieses versteckte Preiserhöhungsverlangen jetzt unter Hinweis auf §§ 305 bzw. 307 BGB wehre, wird der Versorger mich wohl darauf hinweisen, daß er die Preise in dem noch bestehenden (Alt-) Vertrag ja nicht erhöht hat, er bietet mir nur einen neuen Vertrag an, den ich annehmen kann oder nicht.

Für mich stellt sich die Frage, was passiert, wenn ich nicht unterschreibe? Wahrscheinlich muß ich damit rechnen, daß ich den Nachtstrom nur noch zu wesentlich schlechteren Konditionen gekomme, schlechter möglicherweise sogar, als in der angebotenen Neuvereinbarung. Ganz entscheidend bei unseren Überlegungen ist zudem der Umstand, daß eine Wechselmöglichkeit zu anderen Anbietern ausscheidet, weil kein Konkurrent in der Region Nachtstrom-Tarife anbietet. Der Versorger hat also quasi eine Monopolstellung.

Ich möchte gerne geklärt haben, ob ich trotz der beschriebenen Konstellation mit § 307 - und hilfsweise mit § 315 BGB - widersprechen sollte. Könnte ich dazu mal eine Meinung hören? Danke!!
MfG
Greylupo0

Offline jroettges

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Sonderverträgen kündigen?
« Antwort #4 am: 20. November 2006, 16:32:23 »
Das Kartellamt spricht.

BÖGE: Klares Nein. Sperrandrohungen und Änderungskündigungen gegenüber Verbrauchern, die unter Berufung auf §315 BGB Preiserhöhungen nicht bezahlen, sind unzulässig. Das stellt einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung dar. Gleiches gilt für die Praxis mancher Versorger, in dieser Situation Sonderverträge mit Verbrauchern zu kündigen und Kunden in den teureren Grundversorgungstarif herabzustufen. Sollten Unternehmen künftig dagegen verstoßen, müssen sie mit einem Verfahren rechnen.

Warum als Kunde kündigen, wenn der Versorger es nicht darf?

Offline Greylupo0

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Sonderverträgen kündigen?
« Antwort #5 am: 20. November 2006, 17:40:05 »
Danke für die schnelle Antwort.

Jetzt aber doch bitte noch den erbetenen Hinweis: Muß ich den neuen Preisen überhaupt widersprechen, nachdem die Erhöhung mit einem "Neuvertrag" verknüpft wurde? Wenn ich das neue teurere "Angebot" nicht annehme, gelten de jure doch noch die alten Konditionen?
Stellt sich die Frage, ob man der vom Versorger ausgesprochenen Kündigung nicht mit den von Böge gelieferten Argumenten widersprechen sollte.
Was meinen Sie....?

Offline uwes

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Sonderverträgen kündigen?
« Antwort #6 am: 20. November 2006, 18:31:24 »
Zitat von: \"Greylupo0\"
Wenn ich das neue teurere "Angebot" nicht annehme, gelten de jure doch noch die alten Konditionen?


Einen Sondervertrag kann das Versorgungsunternehmen unter Beachtung von Fristen und Formen (Schriftform - eigenhändige Unterschrift) kündigen.

Dadurch kommt aber kein Vertragsende zustande, sondern das Versorgungsunternehmen muss weiter beliefern.
Es gilt jedoch dann "nur" noch der Tarif für die Grundversorgung aber eine grundsätzliche Verpflichtung, diskriminierungsfrei zu liefern. (§ 19 Abs. 4 GWB)

Sollten die Gerichte an der - bislang reichlich wenig begründeten - Auffassung festhalten, dass im Rahmen der Grundversorgung dem Unternehmen ein einseitiges angemessen auszuübendes Bestimmungsrecht (im Hinblick auf den Preis) gem. § 315 BGB zustehe (anderer Auffassung LGe Dresden und Berlin), dann ist der Unbilligkeitseinwand eröffnet.

Die "alten" Konditionen gelten nur dann, wenn sie "billig" im o.g. Sinne sind.
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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Offline RR-E-ft

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Sonderverträgen kündigen?
« Antwort #7 am: 20. November 2006, 18:59:41 »
@uwes

Hinsichtlich der bisherigen Tarifkundenversorgung und nunmehrigen Grundversorgung haben sich LG Berlin und LG Dresden gerade nicht geäußert.

Sie haben sich nur zutreffend dazu geäußert, dass sich aus § 4 AVBV gegenüber Sondervertragskunden kein einseitiges Preisänderungsrecht ergeben kann. Punkt. Mehr nicht.

Dies entspricht der BGH- Rechtsprechung, vgl. etwa BGH, Urteil vom 25.02.98 (Az.: VIII ZR 276/96)


aa) Allerdings hält die angegriffene Klausel einer Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG – entgegen der Ansicht der Revision – nicht bereits deshalb stand, weil sie der Bestimmung des § 6 Abs. 1 AVBEltV entspricht und diese eine gesetzliche Regelung im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG darstellt, an deren "Leitbild" sich eine Inhaltskontrolle auszurichten hätte. Die "gesetzliche Regelung, von der abgewichen wird", umfaßt die dem Gerechtigkeitsgebot entsprechenden allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze, d. h. neben den (dispositiven) Gesetzesbestimmungen auch alle ungeschriebenen Rechtsgrundsätze, die Regeln des Richterrechts oder die aufgrund ergänzender Auslegung nach §§ 157, 242 BGB und aus der Natur des jeweiligen Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten (vgl. BGHZ 89, 206, 211; 100, 157, 163; 121, 13, 18 m.w.Nachw.). Die Rechtsgrundsätze müssen jedoch, um ein "Abweichen" durch Allgemeine Geschäftsbedingungen überhaupt zu ermöglichen, in dem jeweiligen Vertragsverhältnis grundsätzlich Geltung erlangen. Daran fehlt es für die AVBEltV im Verhältnis zu Sonderkunden der Energieversorgungsunternehmen. Unmittelbar gelten sie hier bereits deshalb nicht, weil sich die dem Verordnungsgeber durch § 7 Abs. 2 Energiewirtschaftgesetz eingeräumte Regelungskompetenz zum Erlaß der AVBEltV auf den Bereich der Tarifkunden beschränkt hat (vgl. Schmidt-Salzer in Herrmann/Recknagel/ Schmidt-Salzer aaO Rdnr. 329). Eine analoge Anwendung der AVBEltV auf die Sonderkunden der Energieversorgungsunternehmen kommt im Hinblick darauf, daß § 23 Abs. 2 Nr. 2 AGBG sonst gegenstandslos wäre, ebenfalls nicht in Betracht.

Für § 4 AVBV kann in Bezug auf Sondervertragskunden nichts anderes gelten.



Dass gegenüber Tarifkunden ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 BGB besteht, wurde vom BGH immer wieder klar ausgeführt (BGH NJW 2003, 1449; BGH NJW 2003, 3131; BGH NJW 2005, 2919, jeweils m.w.N.).

Daran bestand nie ein Zweifel.

Offline uwes

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Sonderverträgen kündigen?
« Antwort #8 am: 20. November 2006, 19:53:43 »
Zitat von: \"RR-E-ft\"
Hinsichtlich der bisherigen Tarifkundenversorgung und nunmehrigen Grundversorgung haben sich LG Berlin und LG Dresden gerade nicht geäußert.


Das hat niemand behauptet. Aber ich bin durchaus des Lesens mächtig.
Die beiden Gerichte haben nach Feststellung der Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel die Frage geprüft, ob § 4 AVBGasV ein Änderungsrecht begründet. Dabei kam es für diese Prüfung ersichtlich überhaupt nicht auf einen Unterschied zwischen Tarif- und Sondervertragskunden an. Sie interpretieren in die Entscheidung meines Erachtens eine Bedeutung hinein, die so einschränkend gar nicht gemeint war.
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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Offline Greylupo0

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Sonderverträgen kündigen?
« Antwort #9 am: 20. November 2006, 20:42:11 »
Ich bin ob der ins Detail gehenden Diskussion eigentlich erstaunt, daß keiner der Fachleute auf den § 242 BGB kommt. @Jroettges hat in seinem heutigen Beitrag zum Thread doch das Stichwort gegeben: Mißbräuchliche Änderungskündigung, die sogar das Kartellamt verfolgt!! Es ist doch schon mehr als auffällig, wenn ein VU das "geänderte EnWG" (so Orig.-Ton bei mir) zum vermeintlichen Anlaß nimmt, Verträge "anzupassen", also zu kündigen, um im gleichen Atemzug ein neues Angebot mit für den Kunden um 15% teureren Bezugspreisen zu machen. Nein, für mich steht fest, daß das neue Vertragsangebot einer Weiterversorgung zu geänderten Konditionen nur dazu dienen soll, den Einwand nach §§ 305, 307 und 315 BGB auszuhebeln. Das aber ist im Sinne von § 242 mißbräuchlich, zumal das VU hier in puncto Nachtstrom eine marktbeherrschende, weil allein anbietende Stellung einnimmt.
Müßte man also das VU nicht auffordern, die Kündigung zurückzunehmen oder für unwirksam zu erklären, mit der Androhung auf Feststellung zu klagen?

Offline RR-E-ft

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Sonderverträgen kündigen?
« Antwort #10 am: 20. November 2006, 21:33:59 »
@Grylupo0

Daran ist durchaus zu denken und so sollte man wohl auch zunächst verfahren, wobei klar sein muss, dass ein Rechtsstreit länger währen kann und für die Zwischenzeit bis zur rechtskräftigen Entscheidung ein modus vivendi gefunden werden muss.

Ggf. muss man also auf verschiedenen Ebenen zugleich vorgehen.
Man sollte es einem Anwalt überlassen.

@uwes

Dass sich gegenüber Sondervertragskunden nun einmal kein Recht zu einseitigen Preisänderungen ergeben kann, ergibt sich m.E.  ohne weiteres aus der oben zitierten BGH- Entscheidung vom 25.02.1998, wonach die Bestimmungen der AVBV weder direkt noch analog gegenüber Sondervertragskunden  Anwendung finden, zumal sich auch schon  tatbestandlich aus § 4 AVBV nicht herleiten ließe.

Was aber nun Anlass dazu geben sollte, diese Ausführungen der LG Berlin und Dresden auch auf Tarifkunden zu übertragen, vermag ich nicht zu erkennenen.

Für den wirksamen Abschluss eines Tarifkundenvertrages ist es m. E. von Anfang erforderlich, dass dem EVU ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht hinsichtlich der Tarife eingeräumt ist. Sonst gäbe es eben wieder einen im Kaufrecht unüberwindbaren Dissens, der dazu führt, dass kein wirksamer Vertrag geschlossen werden kann.

Offline Cremer

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Sonderverträgen kündigen?
« Antwort #11 am: 20. November 2006, 22:05:36 »
@Greylupo0,

so ähnlich verhält es sich mit den SW KH bezügl. neuen Gas Sonderverträgen, siehe unter Stadtwerke Kreuznach


@Uwes (zu Posting 18.31Uhr)

Klarer Vertragshinweis der SW KH im Anschreiben zu den neuen Verträgen :
Wenn nicht unterschrieben wird, dann erfolgt die Versorgung nach den Allgemeinen Tarifen.

Grund- und Ersatzversorung sind die Allgemeinen Tarife, gemäß § 12.2 der "Bestimmungen zum Erdgas-Sondervertrag A (vom Sept. 1992)


@Fricke,

die Kündigungsfristen wurden eingehalten nach § 12.1:
Das Vertragsverhältnis läuft so lange ununterbrochen weiter, bis es von einer der beiden Seiten mit einer Frist von einem Monat zum Ende des jeweiligen Abrechnungsjahres (1.1. bis 31.12.) schriftlich gekündigt wird. Die Kündigung muss schriftlich erfolgen.

Ich hätte dann somit den von Cristian Guhl im Eingangsposting vom 29.10. angesprochenen Zustand, dass man in die Grundversorgung "reinfällt"
MFG
Gerd Cremer
BIFEP e.V.

info@bifep-kh.de
www.bifep-kh.de
gerd@cremer-kreuznach.de

Offline jroettges

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Sonderverträgen kündigen?
« Antwort #12 am: 20. November 2006, 23:34:15 »
Zitat
Gleiches gilt für die Praxis mancher Versorger, in dieser Situation Sonderverträge mit Verbrauchern zu kündigen und Kunden in den teureren Grundversorgungstarif herabzustufen.
Wenn das Kartellamt so etwas verkündet, dann kann nach meinem laienhaften Verständnis in der gegenwärtigen Situation kein EVU einen bestehenden Sondervertrag kündigen und auch nicht dem Kunden mit der Herabstufung in die Grundversorgung drohen, wenn er neue Bedingungen nicht anerkennt.

Das EVU kann nur einvernehmlich mit dem Kunden ein neues Vertragsverhältnis aushandeln und herstellen. Da und solange der Kunde nicht zu einem anderen Anbieter wechseln kann, bleibt das bisherige Vertragsverhältnis bestehen, wenn der Kunde keinen neuen Vertrag unterschreibt.

Vielleicht etwas gewagt und vom Prinzip Hoffnung getragen, aber wie sollte es anders sein?

 

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