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Autor Thema: Gaspreisurteil LG Mönchengladbach v. 10.07.2006 !  (Gelesen 6518 mal)

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Gaspreisurteil LG Mönchengladbach v. 10.07.2006 !
« am: 19. Oktober 2006, 16:28:19 »
[ 7-O-116-05 26-08-2005 ; 7-O-113-05 10-07-2006 ]

Der Kunde des Energieversorgers hat die Einrede der unbilligen Tariffestsetzung.

7 O 113/05

10.07.2006


Landgericht Mönchengladbach

Urteil





1. Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 26. August 2005 wird zu

Ziffer 1. bestätigt.

2. Ziff. 2 der einstweiligen Verfügung der Kammer vom 26. August 2005 wird aufgehoben und der Antrag der Verfügungskläger zurückgewiesen.

3. Ziffer 3 der einstweiligen Verfügung der Kammer vom 26.August 2005 wird dahingehend ergänzt, dass die Verfügungskläger die Mehrkosten zu tragen haben, die durch die Anrufung des unzuständigen Amtsgerichts Viersen entstanden sind.

4. Die Verfügungsbeklagte trägt die weiteren Kosten des Verfahrens.

5. Die Berufung wird zugelassen.






Die Verfügungskläger (im folgenden : Kläger) werden von den beklagten Stadtwerken (im folgenden : Beklagte) seit dem 10. Mai 1999 mit Strom, Gas und Wasser beliefert. Die Kläger sind Eigentümer eines Hauses aus dem Jahre 1911, das unter Denkmalschutz steht und sowohl privaten als auch geschäftliche Zwecken dient. Die Klägerin zu 1) betreibt zusammen ..... eine Rechtsanwaltskanzlei, der Kläger zu 2) ist als Steuerberater tätig, in den oberen Etagen leben beide Kläger zusammen mit ihren minderjährigen Kindern im Alter von 3 und 5 Jahren. Nachdem sie am 14. März 2005 ihre Jahresabrechnung erhalten hatten, teilten sie der Beklagten am 22. März 2005 mit, dass sie die Erhöhungen des Gasbezugspreises gemäß § 315 BGB als unbillig erachten. Sie kürzten die Jahresrechnung um 185,52 € und kürzten die Abschlagszahlungen für Mai und Juli 2005 um jeweils 54 E. Die Beklagte kündigte am 13. Juli 2005 den Erdgaslieferungsvertrag auf der Grundlage des § 32 des AVBGasV zum 31. August 2005.


Die Kläger sind der Ansicht, die Beklagte müsse ihre Kalkulation offen legen und sei nicht zur Kündigung berechtigt gewesen.



Die Kammer hat am 26. August 2005 auf den Hauptantrag der Kläger folgende einstweilige Verfügung erlassen:




Der Antragsgegnerin wird untersagt, die Gasversorgung für das Haus der Antragsteller auf der ........... in ........... ( Kunden-Nr: ..............) ab dem 1. September 2005 einzustellen.



Der Antragsgegnerin wird für jeden Tag der Zuwiderhandlung gegen die Anordnung zu Ziff.1 ein Ordnungsgeld von 5 € bis zu 250.ooo €, für den Fall dass dieses nicht beigetrieben werden kann ersatzweise für je 500 € 1 Tag Ordnungshaft zu vollziehen am gesetzlichen Vertreter oder Ordnungshaft von 1 Tag bis zu 6 Monaten ebenfalls zu vollziehen am gesetzlichen Vertreter, angedroht.

Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.




Nachdem die Beklagte Widerspruch eingelegt hat, beantragen die Kläger,


die einstweilige Verfügung der Kammer vom 26. August 2005 aufrechtzuerhalten.



Die Beklagte beantragt ,

die einstweilige Verfügung des Landgerichts Mönchengladbach vom 26. August 2005 - Aktenzeichen: 7 O 116/05 – aufzuheben,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.





Die Beklagte ist der Ansicht, die ausgesprochene fristgemäße Kündigung des Gaslieferungsvertrages bedürfe keiner Kündigungsgründe. Eine Weiterbelieferung der Kläger mit Gas sei ihr wirtschaftlich nicht zumutbar, da die Kläger nicht gewillt seien, die Entgelte zu zahlen. Zu einer Offenlegung ihrer Kalkulation sei sie nicht bereit. Auch werde sie keine Angaben zu ihrer Gewinnspanne machen. Im übrigen seien die Kläger wegen der überwiegend gewerblichen Nutzung keine Haushaltskunden.



Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die eidesstattlichen Versicherungen Bezug genommen.




E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :



Die einstweilige Verfügung war bis auf die weitergehende Kostenentscheidung und den Vollstreckungsantrag zu bestätigen.




I.



Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus § 36 Abs. 1 S. 1 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), das am 13. Juli 2005 in Kraft getreten ist, also kurz vor Eingang des Antrages des Klägers am 26. Juli 2005 im vorliegenden Verfahren.



1.
Der Gaslieferungsvertrag wurde zum 31. August 2005 fristgemäß durch die Beklagte gekündigt. Gemäß § 32 Abs. 1 AVBGasV konnte der Vertrag mit einer Kündigungsfrist von 1 Monat auf das Ende eines Kalendermonats gekündigt werden, und zwar ohne Vorliegen eines Kündigungsgrundes. Damit stellt sich auch nicht die Frage der Treuwidrigkeit gemäß § 242 BGB, denn es bestand kein Anschluss- und Benutzungszwang zwischen den Parteien, abgesehen davon ist die Frage der Sicherstellung der Grundversorgung seit 13. Juli 2005 positiv in § 36 EnWG geregelt, so dass es keines Rückgriffs auf § 242 BGB mehr bedarf.

2.
Die Voraussetzung des § 36 Abs. 1 EnWG liegen vor.



a)
Die Kläger sind Haushaltskunden im Sinne des § 3 Nr. 22 EnWG. Sie haben glaubhaft gemacht durch Vorlage von Photos des Gebäudes ( außen und innen) , durch Vorlage von Bauplänen und durch eidesstattliche Versicherung in der mündlichen Verhandlung, dass sie Gas überwiegend für den Eigenverbrauch im Haushalt kaufen. Demnach haben die drei Büroräume im Erdgeschoss eine Fläche von 85 qm, die drei oberen Etagen dienen Wohnzwecken und haben eine Fläche von 185 qm, sodass auf den Privatbereich 68 % und auf die berufliche Nutzung 32 % entfallen. Soweit die Beklagte demgegenüber auf den durchschnittlichen Jahresverbrauch (vgl. eidesstl. Versicherung Gockel vom 5.8.2005 Bl. 44 d.A.) verweist, werden hierdurch die altersbedingten Besonderheiten des im Streit befindlichen Objekts mit einer Deckenhöhe von ca. 4 m nicht berücksichtigt. Soweit die Beklagte weiter darauf verweist, die Kläger hätten bei ihrer Anmeldung falsche Angaben gemacht, da sie nicht auf die teilweise gewerbliche Nutzung hingewiesen hätten, ist dies für den Zeitpunkt der Beantragung des Gasanschlusses nicht richtig, denn auf dem Formular befindet sich der handschriftliche Vermerk : " leerstehend". Abgesehen davon wäre eine möglicherweise unzutreffende Angabe über die Art der Nutzung vorliegend irrelevant, da der Vertreter der Beklagten selbst in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, dass bei den Tarifen keine Differenzierung in gewerbliche, private oder landwirtschaftliche Nutzung vorgenommen werde sondern rein mengengebundene Tarife angeboten würden.



b)
Die Beklagte ist, was von ihr auch nicht in Abrede gestellt wird, Grundversorger im Sinne des § 36 Abs. 2 S. 1 und zwar noch bis zum 31. Dezember 2006 gemäß § 118 Abs. 3 EnWG.



c)
Die Beklagte hat im Internet Allgemeine Bedingungen und Allgemeinen Preise für die Versorgung von Haushaltskunden mit Erdgas veröffentlicht gemäß § 36 Abs. 1 EnWG. Die Veröffentlichung ist zwar, worauf noch eingegangen wird, unklar, die Beklagte hat jedoch zumindest ihrer formalen Pflicht zur Veröffentlichung im Internet Genüge geleistet und muss damit zu "diesen Bedingungen und Preisen" jeden Haushaltskunden versorgen, also auch den Kläger.



3.
Eine Ausnahme im Sinne des § 36 Abs. 1 S. 2 EnWG liegt nicht vor. Hiernach besteht die Pflicht zur Grundversorgung nicht, wenn die Versorgung für das Energieversorgungsunternehmen "aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist". Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Der streitige Rückstand ist von der Höhe her gering, auch der weitere Umstand, dass die Kläger in der Sitzung erklärt haben, sie seien nicht bereit, die streitigen Beträge unter Vorbehalt zu bezahlen, vermag die Beklagte nicht in wirtschaftliche Schwierigkeiten zu bringen, zumal da die Kläger ihre Bereitschaft erklärt haben, die streitigen Beträge zu hinterlegen. Der Hinweis der Beklagten auf die Möglichkeit und Gefahr der teilweisen Zahlungsverweigerung durch eine Vielzahl von Kunden übersieht folgendes:



Es ist eine grundlegende gesetzliche Regel des Schuldrechts, dass der Gläubiger das Entstehen, die Begründetheit und die Fälligkeit seiner Forderung darlegen und beweisen muss, bevor er Erfüllung verlangen kann. Bei unbegründeten Schuldnereinwendungen handelt es sich um ein typisches Gläubigerrisiko, dass im Normalfall durch den Anspruch auf Verzugsschadensersatz hinreichend ausgeglichen wird (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 5. Juli 2005, Aktenzeichen: X ZR 99/04, Seite 17/Seite 18 ). Die Beklagte trägt nichts dazu vor, in welcher Größenordnung sie Einnahmeausfälle, Verzugsschäden und Rechtsverfolgungskosten erleiden könnte. Des weiteren macht sie keine Angaben dazu, wie viel Kunden in ihrem Versorgungsgebiet überhaupt Kürzungen der Rechnungen vorgenommen haben. Bei der Kammer sind insoweit bisher erst drei einschlägige Verfahren anhängig. Es ist des weiteren zu berücksichtigen, dass Kunden, die die Rechnung kürzen auch ein erhebliches Prozess- und Kostenrisiko eingehen und zwar für den Fall, dass das Gericht zur Überprüfung der Höhe der Forderung Sachverständige, zum Beispiel Wirtschaftsprüfer, beauftragt, wodurch erfahrungsgemäß erhebliche Gutachterkosten anfallen.

4.
Die Beklagte ist auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger nicht zur vorbehaltlosen Zahlung der Lieferpreise für Gas bereit ist, verpflichtet, die Grundversorgung zu gewährleisten. Dies ergibt sich aus folgendem:



a)
Die Beklagte hat im Internet ihre Allgemeinen Bedingungen und Preise veröffentlicht. Der Ausdruck wurde als Anlage zum Protokoll genommen (Parallelverfahren LG Mönchengladbach AZ: 7 0 116/05), die Parteivertreter erhielten in der mündlichen Verhandlung ebenfalls eine Kopie davon. Diese Veröffentlichung ist jedoch widersprüchlich und unklar und hält damit der Inhaltskontrolle des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB nicht stand, so dass die Kläger gemäß § 315 BGB nur einen nach billigem Ermessen zu bestimmenden Preis bezahlen muss. Die Beklagte hat nämlich im Hinblick auf die Grundversorgung gemäß § 36 EnWG und die Ersatzversorgung gemäß § 38 EnWG folgendes veröffentlicht:



"Allgemeine Preise und Bedingungen

der

xxx GmbH

zur Verordnung über

Allgemeine Bedingungen

für die Gasversorgung von Tarifkunden

(AVBGasV)

Gültig ab 01. Oktober 2005"




Diese Veröffentlichung ist falsch, denn die AVBGasV, auf die hier Bezug genommen wird, ist nur noch für eine Übergangszeit für bestehende Verträge gemäß § 116 EnWG anwendbar, nicht aber wie hier für gekündigte Verträge. Die nach § 39 EnWG vorgesehene neue Verordnung über die allgemeinen Preise sowie die tariflichen Rechte und Pflichten ist noch nicht in Kraft. Dies bedeutet, die Beklagte verweist in ihrer Internet-Veröffentlichung auf eine nicht mehr anwendbare bzw. noch nicht erlassene neue Rechtsverordnung. Der Kunde kann damit nicht seine genauen Rechte und Pflichten einschätzen und weiß nicht einmal, welche Rechtsfolge bei möglichem Zahlungsverzug besteht ob jetzt die gesetzliche oder die Rechtsfolge aufgrund der nicht mehr in Kraft befindlichen AVBGasV eintritt.


b)
Unabhängig von den formalen Veröffentlichungsmängeln ist das Transparenzgebot bei der Preisfestsetzung nicht gewahrt. Das sich aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ergebende Transparenzgebot ist in dem ab 13. Juli 2005 gültigen Energiewirtschaftsgesetz in vielen Bereichen präzisiert worden.



Nach § 1 Abs. 1 EnWG ist Zweck dieses Gesetzes neben anderen Zwecken eine möglichst "preisgünstige, verbraucherfreundliche, ..." Versorgung der Allgemeinheit mit Gas.



Nach § 17 Abs. 1 EnWG haben die Betreiber von Energieversorgungsnetzen "Letztverbraucher "… zu… wirtschaftlichen Bedingungen an ihr Netz anzuschließen, die angemessen, … transparent und nicht ungünstiger sind als die, die von den Betreibern der Energieversorgungsnetze in vergleichbaren Fällen…angewendet werden".



Auch nach § 21 Abs. 1 EnWG müssen Bedingungen und Entgelte für den Netzzugang "angemessen, … transparent…" sein.



Dieser auf angemessene, preisgünstige, verbraucherfreundliche und transparente Entgelte ausgerichtete Gesetzeszweck kann nach Ansicht der Kammer nur dann in vollem Umfang realisiert werden, wenn die Beklagte die Grundlagen ihrer Kalkulation offen legt. Eine andere Auslegung würde dazu führen, dass der beabsichtigte Gesetzeszweck insgesamt nicht erreicht werden kann, weil die veröffentlichten Preise für die Abnehmer nicht mehr überprüfbar sind. Die Beklagte weigert sich, ihre Kalkulation offen zu legen und auch ihre Gewinnspanne mitzuteilen, und verweigert damit gerade die im Energiewirtschaftsgesetz vorgesehene Transparenz. Anders als durch die Offenlegung der Kalkulation ist weder für den Endabnehmer noch für das Gericht überprüfbar, ob es sich um angemessene, preisgünstige und verbraucherfreundliche Entgelte handelt. Die Vorlage von Vergleichsübersichten ist insoweit nicht ausreichend ( a. Ans. im Hinblick auf den angeblichen Marktpreis : Kunth/ Tüngler NJW 2005, 1315), da diese nicht die konkrete Kalkulation des betreffenden Versorgungsunternehmens begründen können und keinen Schutz vor abgestimmtem Preisverhalten gewähren..

Die Kammer folgt mit dieser Einschätzung der Rechsprechung des Bundesgerichtshofs. In seinen Urteilen vom 5. Juli 2005 (X ZR 60/04 und X ZR 99/04) wurde ausgeführt, dem Kunden eines Versorgungsunternehmens stehe grundsätzlich die Einrede der unbilligen Tariffestsetzung zu, und zwar bei dem Angebot von Leistungen der Daseinsvorsorge auf deren Inanspruchnahme der andere Vertragsteil im Bedarfsfall angewiesen ist. Der diesen Entscheidungen vom 5. Juli 2005 zugrundeliegende Anschluss- und Benutzungszwang ist zwar vorliegend nicht gegeben, allerdings eine Monopolstellung der Beklagten, auf die die Grundsätze der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 5. Juli 2005 ebenfalls anwendbar sind. Die Beklagte ist Grundversorger bis spätestens 31. Dezember 2006. Wie in der mündlichen Verhandlung klargestellt wurde, sind im Hinblick auf den Gasbereich noch keine Verträge mit anderen Unternehmen auf Durchleitung durch das Netz der Beklagten abgeschlossen worden. Die Kläger haben insoweit keine Möglichkeit der Einflussnahme auf Vertragsabschlüsse zwischen der Beklagten und anderen Unternehmen, die auf die Durchleitung durch das Netz der Beklagten angewiesen sind. Aus der Sicht der Kläger hat damit die Beklagte im Bereich der Gasversorgung zumindest jetzt noch das Monopol. Die Kläger können damit gemäß § 315 Abs. 3 BGB eine Überprüfung der Entgelte der Beklagten nach billigem Ermessen verlangen, was voraussetzt, dass die Beklagte nicht nur die Billigkeit der Ermessensausübung bei Festsetzung des Leistungsentgelts darlegt und beweist ( vgl. BGH ZMR 2003, 566 ), sondern vorab als notwendige Vorstufe auch ihre Kalkulation offen legt ( vgl. Held NJW 2004, 175 ; and. Ans. LG Hannover NJW-RR 1992, 1200). Dass die Tarife mit Genehmigung der zuständigen Aufsichtsbehörde festgelegt wurden ist für die privatrechtliche Überprüfung des einseitig festgesetzten Entgeltes anhand § 315 Abs. 3 BGB nicht präjudiziell, denn es handelt sich um eine rein öffentlich-rechtliche Wirkung, die für die privatrechtliche Überprüfung nicht präjudiziell ist (BGH Z 115/ 311,315 ; BGH vom 5.7.2005 X ZR 60/04 Seite 8  ).



Wie in dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21. September 2005 (Aktenzeichen: VIII Z R 38/05) im Rahmen einer Preiserhöhungsklausel bei Flüssiggasbelieferungsverträgen weiter ausgeführt wird, fehlt es für den Kunden an einer realistischen Möglichkeit, Preiserhöhungen auf ihre Berechtigung zu überprüfen, ansonsten hätte ein Vertragspartner einen praktisch unkontrollierbaren Preiserhöhungsspielraum zur Erzielung zusätzlicher Gewinne zu Lasten des anderen Vertragspartners. Dieser Gesichtspunkt gilt gerade auch vorliegend, wenn – wie ausgeführt wurde – aufgrund einer unzutreffenden Veröffentlichung im Internet - ein Preis vorgegeben wird und damit nicht mehr überprüft werden kann, ob diese einseitige Preisfestsetzung nicht nur im Sinne des § 315 Abs. 3 BGB der Billigkeit, sondern auch dem Zweck des § 1 EnWG auf preisgünstige und verbraucherfreundliche sowie auf angemessene (§ 21 I EnWG) Entgelte entspricht. Diese umfassende Überprüfungsbefugnis nach § 315 Abs. 3 BGB hat der Bundesgerichtshof neuerdings auch für das Durchleitungsentgelt bejaht bei einer dynamischen Verweisung auf die jeweils gültigen Preisblätter bei der Durchleitung elektrischer Energie durch fremde Stromnetze (BGH vom 18. Oktober 2005, Aktenzeichen: KZR 36/05 – Presseveröffentlichung -).


5.
Die Kläger können nicht auf eine andere Energiequelle verwiesen werden. Der von der Beklagten hervorgehobene Gesichtspunkt der Substitution lässt unberücksichtigt, dass die Kläger seit über 6 Jahren Gas bei der Beklagten bezogen haben und das Ausweichen auf Kohle oder Erdöl hohe Umbaumaßnahmen mit sich bringen würde, die nicht sofort realisierbar wären, zumindest nicht mit zumutbarem wirtschaftlichen Aufwand. Die Umrüstung würde hohe Umbaumaßnahmen mit sich bringen, vorausgesetzt, es würde überhaupt die Möglichkeit bestehen, zum Beispiel einen Öltank einzubauen. Des weiteren würde der Verweis auf die Substitution zum Beispiel in Mehrfamilienhäusern bei einem Mieter dazu führen, dass der Mieter keinerlei Einflussmöglichkeit hat auf den Vermieter, bauliche Umbaumaßnahmen in dieser Größenordnung vorzunehmen. Die Kläger sind zwar im vorliegenden Fall nicht Mieter in einem Mehrfamilienhaus, das Beispiel zeigt jedoch, dass sowohl bei einem Mehrfamilienmietshaus als auch bei einem Einfamilienhaus der bauliche Zustand im Hinblick auf die Energiequelle auf Dauer angelegt ist und nicht kurzfristig umgestellt werden kann dies gilt besonders bei einem unter Denkmalschutz stehenden älteren Gebäude aus dem Jahr 1911 wie hier.




II.



Ein Verfügungsgrund für die erlassene Leistungsverfügung besteht. Die Verfügungskläger sind auf den sofortigen Erlass der einstweiligen Verfügung angewiesen, zumal da die von der Beklagten geschuldete Leistung so kurzfristig zu erbringen ist, dass den Klägern ein Vorgehen im ordentlichen Verfahren nicht zugemutet werden kann (vgl. Zöller/Vollkommer, 24. Aufl., ZPO § 940 Rdnr. 6, 8). Die Kammer hat in Erwägung gezogen den Zeitraum der Geltung der vorliegenden Leistungsverfügung zu begrenzen, um der Gefahr einer endgültigen und dauerhaften Vorwegnahme der Hauptsache zu begegnen. Sie hat jedoch aus folgenden Gründen davon abgesehen:



Die Parteien können das Verfahren beschleunigen durch einen möglichen Antrag nach § 926 Abs. 1 mit Fristsetzung zur Klageerhebung. Abgesehen davon wirft bereits das einstweilige Verfügungsverfahren eine Vielzahl von ungeklärten Rechtsfragen auch im Hinblick auf das neu erlassene Energiewirtschaftsgesetz auf. Es ist weiterhin nicht absehbar, wann Obergerichte abschließend diese Rechtsprobleme entschieden haben werden.. Eine Fristsetzung kann deswegen derzeitig nicht erfolgen, auch weil nicht absehbar ist, wann die entsprechenden Ausführungsverordnungen zu dem Energiewirtschaftsgesetz erlassen werden. Sollte insoweit eine Änderung eintreten, kann nach § 927 Abs. 1 ZPO verfahren werden. Die Pflicht zur Grundversorgung durch die Beklagte aus § 36 EnWG endet jedenfalls spätestens kraft Gesetzes ( § 118 III EnWG) am 31.Dezember 2006.




III.



Ziff. 2 der einstweiligen Verfügung der Kammer war aufzuheben und der entsprechende Antrag der Kläger zurückzuweisen. Zwar wird teilweise die Rechtsansicht vertreten, die Vollstreckung müsse nach § 890 ZPO erfolgen ( OLG Hamm JMBlNW 1962,196; LG Wuppertal WuM 1982,134 zur Beheizung; Peters/Welkerting ZMR 1999,369 zur Betriebspflicht ). Dem kann jedoch nicht gefolgt werden, denn der Weg über § 890 ZPO ist nicht praktikabel, da bei jeder Nichtvornahme der Handlung ein Ordnungsmittel verhängt werden müsste ( Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht Rdn. 1067) und im übrigen - trotz der Formulierung in der einstweiligen Verfügung - v letztlich eine Handlung – Belieferung mit Gas – erzwungen werden soll ( OLG Köln MDR 1995,95; OLG Hamm NJW 1973,1135; Baumbach/Hartmann, ZPO, 63.Aufl. § 887 Rdn 36 " Sperrung von Energiezufuhr usw."; Thomas/ Putzo, ZPO, 26.Aufl. § 890 Rdn. 4)




IV.



Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Soweit der weitergehende Antrag zurückgewiesen wurde ( Ziff. IV), wird entsprechend § 92 Abs.2 Ziff.2 ZPO verfahren. Die Beklagte ist mit ihrem wesentlichen Anliegen – Verhinderung der Belieferung des Klägers mit Gas – nicht durchgedrungen. Die Art der möglichen Vollstreckung – nach § 890 ZPO oder nach §§ 887 bzw. § 888 ZPO – ist eher theoretischer Natur, denn es ist zu erwarten, dass sich die Beklagte an die einstweilige Verfügung hält, da ihre Hauptgesellschafterin die Stadt Viersen ist.



Dem Kläger waren jedoch analog § 281 Abs. 3 S. 2 ZPO die durch die Anrufung des unzuständigen Amtsgerichts Viersen entstandenen Mehrkosten aufzuerlegen. Durch § 102 Abs. 1 EnWG ist seit 13. Juli 2005 die ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts begründet worden. Soweit die Beklagte ebenfalls die Verweisungskosten von der Zivilkammer an die Kammer für Handelssachen dem Kläger auferlegt haben will, ist dieser Antrag abzuweisen, denn § 281 gilt nur bei örtlicher und/oder sachlicher Unzuständigkeit, nicht jedoch bei funktioneller Zuständigkeit.




V.


Die Berufung war gem. § 511 Abs.2 Nr.2, Abs.4 Nr. 1 zuzulassen.


Die Kammer hat zwar nachfolgend den Streitwert über € 600,-- festgesetzt, bei Zweifeln über die Höhe der Beschwer ist jedoch über die Zulassung zu entscheiden (vgl.Thomas/Putzo, ZPO,26.Aufl. § 511 Rdn.22; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 25.Aufl. § 511 Rdn. 39 a.E.). Die Zweifel ergeben sich daraus, dass auch die Kammer den Streitwert in der einstweiligen Verfügung zunächst vorläufig unter 600 € festgesetzt hatte.



Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf die Auslegung des neuen Energiewirtschaftsgesetzes, die Reichweite der ausschließlichen Zuständigkeit des Landgerichts und die Zulässigkeit der Leistungsverfügung.

Streitwert :



In Abänderung der Streitwertfestsetzung vom 26.8.2005 wird der Streitwert festgesetzt auf € 3.591,16.



Maßgebend hierfür ist folgendes : Die Vorschrift des § 9 ZPO ist nicht anwendbar, denn ein Dauervertrag läuft regelmäßig kürzer als ein Vertrag der in § 9 ZPO genannten Art (vgl. Baumbach/Lauterbach, ZPO 63.Aufl. § 9 Rdn. 5 a.E.) Soweit das OLG Bremen ( in : Der Rechtspfleger 1989,427) bei einem Energielieferungsvertrag allerdings eine Laufzeit von 5 1/ 2 Jahren zugrundelegt mag dies zwar für die üblicherweise auf Dauer angelegte Art dieser Verträge ein geeigneter Anhaltspunkt sein – die Kläger waren auch bereits seit 6 Jahren Kunde der Beklagten - , es ist jedoch vorliegend zu berücksichtigen, dass die Beklagte längstens bis 31.12.2006 Grundversorger gem. § 118 III EnWG ist und damit zu diesem Zeitpunkt ihre Verpflichtung aus § 36 EnWG spätestens endet. Die Kläger haben für den jährlichen Gasverbrauch einen Aufwand von € 2.693,45 (vgl. Rechnung Bl. 8 d.A.). Für den Zeitraum vom 1.9.2005 bis 31.12.2006 errechnet sich damit ein Betrag von € 3.591,16. Dieser Betrag ist voll anzusetzen, da es sich um eine Leistungsverfügung handelt und im Streit zwischen den Parteien nicht nur der Rückstand sondern die gesamte Belieferung mit Gas ist.

Offline RR-E-ft

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Gaspreisurteil LG Mönchengladbach v. 10.07.2006 !
« Antwort #1 am: 19. Oktober 2006, 16:50:17 »
Anmerkung:




Im genannten Parellelverfahren war die Berufung ebenfalls zugelassen.

Die Niederrheinwerke Viersen nahmen die Berufung in der mündlichen Verhandlung vor dem 2. Kartellsenat des OLG Düsseldorf am 12.04.2006 jedoch zurück, nachdem das Berufungsgericht deutlich darauf verweisen hatte, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hatte.

Unzutreffend ist indes die Feststellung des Gerichts, die Grundversorgungspflicht ende jedenfalls am 31.12.2006.

Inkonsequent erscheint die Entscheidung an anderer Stelle:

Wenn die AVBGasV schon ganz klar gar nicht gilt, kann es auf die Frage eines Einwendungsausschlusses nach § 30 AVBGasV auch mittelbar überhaupt gar nicht ankommen. Dieses Thema bedarf dann keiner Erörterung.

Nach § 17 GasGVV kann dieses Thema auch keine Rolle mehr spielen.

Offline eislud

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Gaspreisurteil LG Mönchengladbach v. 10.07.2006 !
« Antwort #2 am: 20. Dezember 2006, 19:16:23 »
Niederrheinwerke Viersen GmbH bleibt für weitere 3 Jahre Grundversorger im Gasnetzgebiet Viersen.

http://www.niederrheinwerke.de/index.php?id=239&lang=de
Angabe des Grundversorgers
Das Energieversorgungsunternehmen Niederrheinwerke Viersen GmbH hat zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des EnWG vom 13. Juli 2005 die Aufgabe der Allgemeinen Versorgung im Gasnetzgebiet in Viersen durchgeführt und ist demzufolge gemäß § 118 Abs. 3 EnWG bis zum 31. Dezember 2006 in diesem Gebiet Grundversorger für Gas.
Gemäß § 36 Abs. 2 EnWG hat der Netzbetreiber, die Niederrheinwerke Netz GmbH, den Anteil der Haushaltskunden pro Lieferant zum 01.07.2006 im Netzgebiet Viersen ermittelt. Im Ergebnis haben die Niederrheinwerke Viersen GmbH die meisten Haushaltskunden und sind damit ab 01.01.2007 bis 31.12.2009 Grundversorger im Gasnetznetzgebiet Viersen.

 

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