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Autor Thema: Gaspreisurteil LG Potsdam vom 04.10.06 erfreulich deutlich  (Gelesen 11915 mal)

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Offline RR-E-ft

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Gaspreisurteil LG Potsdam vom 04.10.06 erfreulich deutlich
« am: 12. Oktober 2006, 14:35:08 »
[ 5-U-75-05 16-03-2006 ; 3-S-147-05 15-05-2006 ; 2-O-19-06 04-10-2006 ; VIII-ZR-144-06 ]

http://www.energieverbraucher.de/de/site/Hilfe/Container-Urteilssammlung/site__1906/

Das Landgericht Potsdam hat mit Urteil vom 04.10.2006 - Az. 2 O 19/06 entschieden:

"Der von Klägerseite geltend gemachte Anspruch auf Feststellung der Unbilligkeit des von der Beklagten verlangten Gaspreises besteht [nur] für solche Verbraucher, die tatsächlich Gaskunden der Beklagten sind und bei denen die Abrechnung nach dem allgemein gültigen Tarif vorgenommen wird, die aufgrund der allgemeinen Lieferverpflichtung der Beklagten beliefert werden (sog. Tarifkunden)".


Dies betrifft alle Gaskunden, die zu den gem. § 4 AVBGasV veröffentlichten Tarifen versorgt und abgerechnet werden.

Im konkreten Fall sind das alle EMB- Kunden, die zum EMB- Tarif bzw. EMB- Klassik zu den Bedingungen der AVBGasV versorgt und nach Bestabrechung abgerechnet werden:

http://www.emb-gmbh.de/cms/index.php?id=62

Die gerichtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB betrifft dabei den gesamten zur Abrechnung gestellten Gaspreis und nicht etwa nur eine Gaspreiserhöhung.

Ohne es zu bennenen knüpft das Gericht dabei ersichtlich an die Rechtsprechung des BGH (BGH NJW 2003, 3131; NJW 2006, 684; BGH NJW-RR 2006, 915) an.

Das Gericht geht weiter davon aus, dass sich bereits aus dem Wortlaut des § 315 BGB ergäbe, dass die Gaspreise nur verbindlich sind, wenn der Gasversorger die Angemessenheit der Gaspreise nachvollziehbar und prüffähig nachgewiesen habe.

Die Kläger meinten hingegen, dass sich dies für zukünftige einseitige Preisfestlegungen  nicht so deutlich bereits aus dem Gesetz ergäbe und deshalb aus Gründen der Rechtssicherheit ein entsprechendes Feststellungsinteresse bestehe, zumal sich die Bekl. gegenüber den Klägern  ständig auf § 30 AVBGasV und eine angebliche daraus folgende Zahlungspflicht beruft.

Weil sich nach Auffassung des Gerichts Entsprechendes jedoch bereits aus dem Gesetz (§ 315 BGB) selbst ergibt, wurde ein dahingehender Feststellungsantrag abgewiesen. Es fehle insoweit am Feststellungsinteresse bzw. über den Gestzeswortlaut hinaus an einer Konkretisierung.


Dies ergibt sich aus den Entscheidungsgründen auf den  Seiten 12/ 13 des Urteils.

Insoweit hat das Gericht für die Verbraucher, die zu den Bedingungen der AVBGasV versorgt werden, ganz deutlich und entscheidend für weitere Rechtsklarheit gesorgt:

Der  Gaspreis nach allgemeingültigem Tarif ist nach dieser Rechtsprechung  wohl insgesamt überhaupt erst  nur verbindlich und damit geschuldet, wenn die Angemessenheit des Gaspreises nachvollziehbar und prüffähig vom Gasversorger  nachgewiesen wurde.

So deutlich hat es wohl noch kein Gericht ausgeführt.

Es darf bezweifelt werden, dass Gasversorger dieses Urteil ihren Kunden je zur Verfügung stellen werden.

Bis auf die Sammelkläger, die nach bisheriger Entscheidung die Kostenlast trifft, ist dieses Urteil ein Erfolg für die Gaskunden.

Das Gericht hatte im Übrigen den Sachverhalt unzutreffend gewürdigt:

Die Parteien hatten übereinstimmend erklärt, dass die Kläger, die gegenwärtig Gas von der Beklagten beziehen und deren Kunden sind, zu den allgemeingültigen Preisen EMB Tarif/ EMB Klassik versorgt und abgerechnet werden und der Beklagten aufgrund des Kontrahierungszwanges und des Gleichbehandlungsgebotes eine dauerhafte anderweitige Preisabsprache mit Haushaltskunden wie den Klägern überhaupt nicht möglich ist. Deshalb so die Beklagte, seien ihre  nach § 4 AVBGasV veröffentlichten allgemeinen Preise zwingende Tarife, die keine anderweitigen Preisvereinbarungen zuließen.

Das Gericht wollte (wohl etwas lebensfremd und zudem unzulässig entgegen dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien ) gleichwohl nicht ausschließen, dass Kläger mit der Beklagten individuelle Preisvereinbarungen ausgehandelt hätten und deshalb nicht zu den nach § 4 AVBGasV veröffentlichten  allgemeinen Preisen versorgt und abgerechnet würden.

Diese könnten  dann "unter Umständen" durch das beantragte Feststellungsurteil besser gestellt werden, wenn sie höhere Preise ausgehandelt hätten als die allgemeinen Preise des Versorgers zum vor dem 01.10.2004 gültigen Preisstand.

Das Gericht meinte, Sondervertragskunden könnten jedenfalls  kein Interesse an der Feststellung eines billigen Preises haben.

Dabei verkannte das Gericht, dass die (positive) Feststellung eines billigen Preies gar nicht beantragt war, sondern eine negative Feststellungsklage erhoben war, darauf gerichtet für die Erdgaslieferungen lediglich die allgemeinen Preise zu zahlen, die vor dem 01.10.2004 galten.

Das Gericht meinte, einen solchen Anspruch hätten nur die Tarifkunden.
Aber immerhin haben diese den Anspruch sicher.
 

Dabei ließ das Gericht zudem die eigene Rechtsprechung des LG Potsdam (RdE 2004, 307) ebenso unberücksichtigt wie die des OLG Karlsruhe (Urt. v. 28.06.2006) und LG Mönchengladbach (B. v. 07.07.2006); LG Bonn (Urt. v. 07.09.2006), wonach auch bei bezüglich der Preise von Gassonderkunden die gerichtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB greift.

Auch das Urteil des OLG Karslruhe betraf einen Sondervertragskunden:

http://www.energieverbraucher.de/de/site/Hilfe/Container-Urteilssammlung/site__1859/

Dass in laufenden Sonderverträgen einseitige Preiserhöhungen durch den Versorger gem. § 315 BGB überprüft werden können, entspricht der Rechtsprechung des LG Potsdam (RdE 2004, 307 - vgl. Seite 3 der Urteilsausfertigung unten):

http://www.raepower.de/PDF/20040709%20LG%20Potsdam%2052%20O%20208-02.pdf

Ebenso entspricht es der  Rechtsprechung des LG Potsdam, dass § 30 AVBV den Einwand der Unbilligkeit nicht betrifft und nicht ausschließt (LG Potsdam, Urt. v. 15.05.2006, 3 S 147/05 - auf die Revision des verklagten Kunden vor dem BGH unter dem Az. VIII ZR 144/06):

 http://www.agfw.de/fileadmin/dokumente/rec/LG_Potsdam_060515_3S147-05.pdf

Auch das OLG Brandenburg geht in seinem Urteil vom 16.03.2006, Az. 5 U 75/05 wohl mit dem BGH davon aus, dass Gaspreise eines kontrahierungspflichtigen und monopolistischen Gasversorgers der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB unterfallen (vgl. Seite 11 der Urteilsausfertigung oben) und dass § 30 AVBV den Einwand der unbilligen Leistungsbestimmung gem. § 315 BGB nicht ausschließt (vgl. Seite 17 der Urteilsausfertigung), also nicht dazu führen kann, dass der Kunde zur Zahlung als unbillig gerügter einseitig festgesetzter Preise des Versorgungsunternehmens verpflichtet sein kann:

http://www.agfw.de/fileadmin/dokumente/rec/OLG_Brandenburg_060316_5U75-05.pdf




Die Kläger werden deshalb nun eine Berufung zu erwägen haben.



Diese könnten jetzt wohl zudem  auch die Zahlungen für die Gaslieferungen  vollständig einstellen und auf eine Zahlungsklage des Versorgers zu den abgerechneten allgemeingültigen Tarifen das sie betreffende Urteil des LG Potdsam vorlegen, wonach bis zum nachvollziehbaren und prüffähigen Nachweis der Angemessenheit des zur Abrechnung gestellten Gaspreises nichts verbindlich und somit geschuldet ist, was sich bereits aus § 315 BGB ergibt.

Auch keine schlechte Aussicht. :wink:


Dies entspräche wohl sogar der Rechtsauffassung des Versorgers:


http://www.emb-gmbh.de/cms/index.php?id=5&newsid=177  

Zitat
"Die EMB begrüßt das Urteil, das die Rechtssauffassung der EMB bestätigt.

Eine ausführliche Begründung des Urteils wird in den nächsten Tagen veröffentlicht."

Obschon der Versorger das Urteil mittlerweile mit vollständigen Entscheidungsgründen vorliegen haben wird und er eine baldige Veröffentlichung der vollständigen Urteilsgründe in Aussicht gestellt hatte, findet sich eine solche bisher nicht:

http://www.emb-gmbh.de/cms/index.php?id=73  :roll:

Der Versorger hatte vor Gericht sogar vorgetragen, die Kunden wüssten durch die Veröffentlichungen der Verbraucherverbände, dass sie gar nicht mehr zahlen brauchen. Wer trotzdem noch vollständig zahle, der könne in Anbetracht von § 814 BGB nichts mehr zurück verlangen. So wird indes deutlich gemacht, dass Kunden kürzen müssen, wenn sie sich keiner Rechte begeben wollen. Wer den vollständigen Gaspreis auf Billigkeit  überprüft haben wolle, müsse - so die Bekl. in dem Verfahren - sowieso auch vollständig kürzen. Schließlich könne nur die Billigkeit eines noch offenen Betrages gerichtlich überprüft werden..... Eine Meinung, die sich hören lässt.

Soweit die Kläger bereits in 2004/ 2005 Rechnungsbeträge gekürzt hatten, trifft das Urteil nach dem Vortrag der Beklagten sogar die Feststellung, die Zahlungen auf die entsprechenden Rechnungen seien bereits  vollständig geleistet worden, so dass wohl schon allein deshalb von dieser nichts mehr verlangt werden kann.....

Möglicherweise hatte der Versorger das Urteil des LG Potsdam deshalb zu früh begrüßt.


Freundliche Grüße
aus Jena





Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline Fridericus Rex

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Gaspreisurteil LG Potsdam vom 04.10.06 erfreulich deutlich
« Antwort #1 am: 14. Oktober 2006, 20:23:40 »
Können Sie das Urteil nicht hier veröffentlichen?

Zitat
Obschon der Versorger das Urteil mittlerweile mit vollständigen Entscheidungsgründen vorliegen haben wird und er eine baldige Veröffentlichung der vollständigen Urteilsgründe in Aussicht gestellt hatte, findet sich eine solche bisher nicht:


Da Sie darauf zitieren, liegt es Ihnen doch vor.

Offline RR-E-ft

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Gaspreisurteil LG Potsdam vom 04.10.06 erfreulich deutlich
« Antwort #2 am: 14. Oktober 2006, 23:45:01 »
@Fridericus Rex

Ich kann das Urteil hier nicht veröffentlichen.

Wer es unbedingt benötigt und keinen entsprechenden Kontakt zu den Verbänden hat, muss wohl abwarten bis es  - wie von EMB für die allernächste Zeit angekündigt - veröffentlicht wird oder aber eine Urteilsabschrift beim LG Potsdam beantragen.

Lang kann es ja nicht mehr dauern.

Achten Sie auch auf entsprechende Veröffentlichungen des BGW, die bisher sogar Amtsgerichtsentscheidungen betrafen:

http://bgw.de/presse/pressemitteilungen/article_2005_8_16.html?&pagelayout=print&pagelayout=print&pagelayout=print&pagelayout=print

Offline RR-E-ft

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Gaspreisurteil LG Potsdam vom 04.10.06 erfreulich deutlich
« Antwort #3 am: 16. Oktober 2006, 13:41:35 »
An der Urteilsbegründung Interessierte können sich an die genannte Adresse wenden:

http://www.emb-gmbh.de/docs/061004_mi_entscheidung_ende.doc

Dort wird auch zu erfahren sein, welche Passagen der Urteilsbegründung  das Unternehmen aus welchen Gründen als besonders begrüßenswert betrachtet, wo es doch EMB Tarif/ Klassik- Kunden eine Billigkeitskontrolle der verlangten Gaspreise zuspricht.

Offline EMB

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Gaspreisurteil LG Potsdam vom 04.10.06 erfreulich deutlich
« Antwort #4 am: 18. Oktober 2006, 09:58:58 »
Sehr geehrter Herr Fricke,

im Zusammenhang mit dem Urteil des LG Potsdam im Sammelklageverfahren gegen EMB (Az. 2 O 19/06), das Sie als Anwalt der Sammelkläger betreut haben, schreiben Sie:

„Es darf bezweifelt werden, dass Gasversorger dieses Urteil ihren Kunden je zur Verfügung stellen werden.“

Warum? Die EMB legt Wert auf gute Beziehungen zu ihren Kunden und sucht deshalb regelmäßig den Austausch mit ihnen – auch bei kontrovers diskutierten Themen. Dazu zählt selbstverständlich auch die Veröffentlichung des Urteilstextes auf unserer Homepage – und gerne auch hier im Forum der Energieverbraucher.

http://www.emb-gmbh.de/cms/fileadmin/pdf/LG_Potsdam_2_0_19-06.pdf

Die Veröffentlichung ist umso wichtiger, als das Urteil vor allem in mehreren Punkten erfreulich deutlich ist, die von Ihnen nicht genannt werden.

1. Eine Feststellungsklage ist nach Ansicht des Gerichts für in der Vergangenheit liegende, abgerechnete Bezugszeiträume die falsche Klageart (alle Hervorhebungen im folgenden durch EMB):

“Soweit die Kläger mit dem Feststellungsantrag letztlich die Festsetzung einer „billigen“ Vergütung für die Gaslieferung auch für die Jahre 2004 und 2005 begehren, ist die Klage unzulässig. Ein Feststellungsinteresse besteht für abgelaufene Jahre nicht, da diese Zeiträume abrechnungstechnisch bereits abgeschlossen sind.“

Das entspricht auch der Rechtsauffassung der EMB.

2. Das Landgericht Potsdam stellt in seiner Urteilsbegründung eindeutig klar, dass Sondervertragskunden „unter keinen Umständen“ die gerichtliche Überprüfung der Gaspreise auf Unbilligkeit verlangen können:

„Soweit es sich bei den Klägern um Sondervertragskunden handeln sollte, besteht ein Anspruch auf Bestimmung eines billigen Preises im Sinne von § 315 BGB nicht, da sich in dieser Konstellation aus dem Vertrag ein Lieferpreis und gegebenenfalls eine vertragliche Preisanpassungsmöglichkeit ergibt, an die – sollte sie der AGB-Kontrolle nach § 305 ff BGB standhalten – sowohl die Kläger als auch die Beklagte gebunden sind.“

Das Landgericht findet diese Feststellung, die im übrigen der Rechtsauffassung der EMB entspricht, so wichtig, dass es diese – für Gerichte eher unüblich – noch einmal wiederholt.

„Hieraus erschließt sich, dass jedenfalls einige der Kläger Sondervertragskunden sind – diese haben aber unter keinen Umständen einen Anspruch auf Feststellung der Unbilligkeit der Preise, da sie diese mit der Beklagten ausgehandelt haben, ohne dass der Beklagten ein Recht zur einseitigen Preisbestimmung zugestanden hätte.“

3. In Bezug auf Tarifkunden scheint das Gericht eine andere Bewertung für denkbar zu halten. Diese Auffassung teilen wir nicht. Allerdings erläutert die Kammer ihre Ansicht nicht weiter, denn sie musste die Klage auf jeden Fall wegen Unbegründetheit abweisen, da die Kläger die hierfür entscheidenden Fakten nicht vorgetragen hatten. Auch hier formuliert das Landgericht eindeutig:

„Nachdem die Kläger auf die Bedenken des Gerichts gegen die Aktivlegitimation hingewiesen worden sind und hierzu nicht näher vorgetragen haben, war die Klage, soweit sie zulässig ist, allein aus diesem Grund als unbegründet abzuweisen.“

Zum Schluss noch ein Hinweis zu von Ihnen verwendeten Zahlen. Gleich an mehreren Stellen in diesem Forum behaupten Sie, dass sich die Aufwandsentschädigungen des Aufsichtsrates der EMB von 11,7 Mio. € im Jahre 2004 auf 12,4 Mio. € im Jahre 2005 gesteigert hätten.

Ein kurzer Blick auf Seite 38 des Geschäftsberichts 2005 der EMB http://www.emb-gmbh.de/cms/fileadmin/pdf/emb_geschaeftsbericht_05.pdf hätte ergeben, dass „für das Jahr 2005 [...] Aufsichtsratsvergütungen von insgesamt 12,4 T€ angefallen“ sind. 12.400 € sind 1/1000 des von Ihnen kolportierten Betrages. (Im Jahr 2004 waren es im übrigen 11,7 T€, also 11.700 € - siehe Geschäftsbericht 2004, Seite 38.)

Mit etwas mehr Sorgfalt (Verhältnis der Aufsichtsratsvergütungen zum Geschäftsergebnis der EMB, Vergleich mit der Aufsichtsratsvergütung anderer Unternehmen) hätte Ihnen auffallen müssen, dass die von Ihnen behaupteten Zahlen grob falsch sind. Daher dürfte es Ihnen leicht fallen, zusammen mit einer entsprechenden Erklärung, die getroffenen Aussagen zurückzuziehen. Es wäre einer weiterhin sachlichen Auseinandersetzung dienlich.

Mit freundlichem Gruß,

i. A. Jochen-Christian Werner

EMB Erdgas Mark Brandenburg GmbH
Pressesprecher

Offline RR-E-ft

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Gaspreisurteil LG Potsdam vom 04.10.06 erfreulich deutlich
« Antwort #5 am: 18. Oktober 2006, 13:08:09 »
Sehr geehrter Herr Werner,

bei den AR- Vergütungen habe ich mich tatsächlich grob vertan.
Vielen Dank für den Hinweis darauf.

Selbstredend halte ich nicht an als falsch erkannten Aussagen fest.

Vielen Dank auch für die Veröffentlichung der Urteilsbegründung.
Ersichtlich warteten sehr viele Interessierte darauf.

Zur Frage der Zulässigkeit der Feststellungsklage hinsichtlich bereits abgerechneter Zeiträume vertritt der BGH bei Vorbehaltszahlungen wohl eine andere Rechtsauffassung (BGH NJW 2005, 2919; BGH NJW 2006, 854 und BGH NJW-RR 2006, 915).

Jedenfalls kommt dann jedoch noch eine Rückforderungsklage wegen unbillig überhöhter Energiepreise in Betracht (BGH NJW 2003, 1449).
So sieht es auch das LG Potsdam.

Das LG Potsdam ging hinsichtlich der bereits abgerechneten Zeiträume von der Vorrangigkeit einer solchen Rückforderungsklage aus und hielt deshalb eine Feststellungsklage insoweit für unzulässig.

Auf Rückzahlung kann indes nur klagen, wer überhaupt auf die entsprechzenden Rechnungen vollständig gezahlt hatte....

Für diejenigen, die schon ihre Rechnungen unter Berufung auf § 315 III BGB gekürzt haben, muss es deshalb auf jeden Fall bei der Möglichkeit einer Feststellungsklage verbleiben.

Soweit das Gericht ausführt, Sondervertragskunden könnten "unter keinen Umständen" einen Anspruch auf eine Billigkeitskontrolle haben, widerspricht dies schon der eigenen  Rechtsprechung LG Potsdam (RdE 2004, 307). Auch das OLG Karlsruhe und wohl auch das OLG Brandenburg sehen dies anders.

Es ist allgemein anerkannt, dass eine - auf eine gem. § 307 BGB  wirksame Preisänderungsklausel  - gestützte  Preiserhöhung mangels anderer Bestimmungen in einem zweiten Schritt einer Billigkeitskontrolle unterfällt. In der Rechtsprechung ist ebenso anerkannt, dass die Billigkeitskontrolle den Gesamtpreis, nicht jedoch einzelene Preisbestandteile betrifft.

Dies ist bei Gaspreisen der vorliegenden Art unbestritten (vgl. hierzu nur Kunth/ Tüngler, RdE 9/2006 Fn. 46).

"Die Preisänderung nach § 4 AVBGasV steht - selbstverständlich - unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Kontrolle ( § 19 Abs. 4 GWB, § 315 Abs. 3 BGB)"

Die Kollegen Dr. Kunth/ Tüngler weisen  darauf hin, dass die auf Grundlage einer Vorbehaltsklausel vorgenommene Leistungsbestimmung für den anderen Teil nur verbindlich ist, wenn sie der Billigkeit entspricht. Dies ergebe sich "bei Lichte besehen".

Wie Sie sicher selbst wissen, handelt Ihr Unternehmen mit den Haushaltskunden Preise gerade nicht individuell aus, sondern legt die jeweils zukünftig geltenden Preise durch öffentliche Bekanntmachungen diesen gegenüber einseitig fest.

Jedenfalls beruft sich Ihr Unternehmen hinsichtlich des Rechts zur einseitigen Preisfestlegung gegenüber allen Haushaltskunden auch lediglich auf § 4 AVBGasV, wobei strittig ist, ob sich aus dieser Vorschrift ein solches Recht überhaupt ergeben kann.

Einseitig festgelegt werden dabei jeweils nach einer Neukalkulation die jeweils zukünftig geltenden Grund- und  Arbeitspreise.

In solchen Fällen soll der Gaspreis einer Billigkeitskontrolle unterfallen, vgl. oben.

Insoweit wird davon ausgegangen, dass allen Haushaltskunden Ihres Unternehmens, welche von diesen einseitigen Preisfestlegungen betroffen sind, die Unbilligkeitseinrede nach § 315 III BGB zusteht.

In dieser Auffassung sehen sich die Verbraucher durch das Urteil bestätigt.

Im Übrigen ergibt sich wohl auch, dass das Unternehmen zu solchen einseitigen Leistungsbestimmungen gegenüber Sondervertragskunden jedenfalls gerade nicht befugt ist.




Dies betrifft auch und gerade die aktuell neu einseitig festgelegten Preise, bestehend und aus Grund- und Arbeitspreis.


Diese und weitere Fragen können sicherlich in einem Berufungsverfahren wie auch weiteren gerichtlichen Auseinandersetzungen geklärt werden.

Vielen herzlichen Dank, dass Sie mit kontruktiven Beiträgen  hier im Forum zur sachlichen Diskussion beitragen.



Freundliche Grüße
aus Jena




Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline EMB

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Gaspreisurteil LG Potsdam vom 04.10.06 erfreulich deutlich
« Antwort #6 am: 18. Oktober 2006, 15:48:55 »
Sehr geehrter Herr Fricke,

vielen Dank für Ihre umgehende Richtigstellung zu den Aufsichtsratsvergütungen bei der EMB Erdgas Mark Brandenburg GmbH.

Mit freundlichem Gruß,

i. A. Jochen-Christian Werner

EMB Erdgas Mark Brandenburg GmbH
Pressesprecher

Offline RR-E-ft

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Gaspreisurteil LG Potsdam vom 04.10.06 erfreulich deutlich
« Antwort #7 am: 18. Oktober 2006, 19:32:04 »
Sehr geehrter Herr Werner,

eine Selbstverständlichkeit.

Eine aktuelle Stellungnahme aus Ihrem Hause lässt sich wohl nicht mit
folgender Passage im Urteil vereinbaren, wonach für Tarifkunden ein Anspruch auf eine gerichtliche Billigkeitskontrolle und folglich auf eine entsprechende Feststellung besteht:

"Der von Klägerseite geltend gemachte Anspruch auf Feststellung der Unbilligkeit des von der Beklagten verlangten Gaspreises besteht nur für solche Verbraucher, die tatsächlich Gaskunden der Beklagten sind und bei denen die Abrechnung nach dem allgemein gültigen Tarif vorgenommen wird, die aufgrund der allgemeinen Lieferverpflichtung der Beklagten beliefert werden (sog. Tarifkunden)."

Das Gericht belässt es nicht dabei, dass Kläger, die Tarifkunden sind, den Anspruch haben könnten.

Es ist davon auszugehen, dass das Gericht den Konjunktiv gewählt hätte, wenn es einen etwaigen Zweifel am Bestehen des Anspruches für Tarifkunden gehabt hätte. Der Konjunktiv wurde indes nicht nicht gewählt.

Schließlich soll anderes nur für Kunden gelten, welche die Preise mit dem Unternehmen ausgehandelt haben.

Wie Sie ggf. selbst wissen, lässt sich Ihr Unternehmen gegenüber privaten Haushaltskunden wegen des Gleichbehandlungsgebotes regelmäßig nicht auf ein Aushandeln von Preisen ein, sondern legt die jeweils geltenden Preise in unregelmäßigen Abständen durch öffentliche Bekanntmachungen jeweils einseitig neu fest.

Ggf. sollten Sie Ihren Kunden, die ein Sonderabkommen EMB Klassik (früher: Sonderabkommen Preisschlüssel  S I ) abgeschlossen haben, erklären, was diese deutlich von Tarifkunden unterscheidet.

Das LG Potsdam hatte in dem Urteil herausgestellt, dass gegenüber Sondervertragskunden kein entsprechendes Recht zur einseitigen Leistungsbestimmung gem. § 315 BGB, also zur einseitigen Festlegung der geltenden Preise, besteht.

Bestehe "unter keinen Umständen" ein solches Recht für das Unternehmen zur einseitigen Preisfestsetzung, bedürfe es auch keiner gerichtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB, weshalb für Sondervertragskunden eine entsprechende Feststellungsklage demzufolge unzulässig bzw. unbegründet sei.

Diese Passage zitieren Sie selbst, jedoch mit einer Betonung, die nicht dem Kontext entspricht:

„Hieraus erschließt sich, dass jedenfalls einige der Kläger Sondervertragskunden sind – diese haben aber unter keinen Umständen einen Anspruch auf Feststellung der Unbilligkeit der Preise, da sie diese mit der Beklagten ausgehandelt haben, ohne dass der Beklagten ein Recht zur einseitigen Preisbestimmung zugestanden hätte.“

Auch die Verbraucher sind der Auffassung, dass Tarifkunden der Unbilligkeitseinwand gem. § 315 BGB zusteht und gegenüber Sondervertragskunden einseitige Preisfestsetsetzungen überhaupt unzulässig sind.


Insoweit können sich die Verbraucher ebenfalls in ihrer Rechtsauffassung bestätigt sehen:

http://www.emb-gmbh.de/cms/fileadmin/pdf/LG_Potsdam_2_0_19-06.pdf

Für Kläger, die als Tarifkunden versorgt werden, besteht der Klageanspruch zu 1.

Wenn bei Klägern, die als Sondervertragskunden versorgt werden, schon kein Recht der EMB zu einseitigen Preisfestlegungen und somit zu einseitigen Preiserhöhungen besteht, sollte dies aus Gründen der Logik für solche Kläger,  bereits vor dem 01.10.2004 versorgt wurden, zum selben Ergebnis führen.

Schließlich wollte keiner der Kläger einen billigen Preis bzw. die Unbilligkeit der Preise festgestellt haben. Der Inhalt des Feststellungsantrages ergibt sich vielmehr zweifellos aus dem geänderten Klageantrag zu 1.


Siehe auch hier:

http://forum.energienetz.de/viewtopic.php?t=4471



Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline Graf Koks

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Gaspreisurteil LG Potsdam vom 04.10.06 erfreulich deutlich
« Antwort #8 am: 31. Oktober 2006, 22:37:48 »
@RR-E-ft,
@EMB


Ich stelle zunächst fest, dass eine Antwort zu der von meinem Vor-poster aufgeworfenen Frage der rechtlichen wie auch praktischen Unterschiede zwischen Tarifkunden und den sog. Norm- Sonderkunden im Hause EMB nicht so schnell zu haben ist.  

Nach meiner Sicht wäre hier zunächst einmal zu klären, worin ein rechtlich erhebliches Unterscheidungsmerkmal zwischen beiden Kundengruppen liegen soll, welches darüber hinausgeht, dass für Sondervertragskunden seitens der GVU eine geringere Konzessionsabgabe gezahlt wird. Dies insbesondere deshalb, weil die EMB - wie viele andere GVU auch - gegenüber allen Kunden immer wieder, nicht nur bei Preiserhöhungen, selbst auf die AVBGasV Bezug nimmt.


Das Urteil ist aber auch nicht nachvollziehbar, als es offenbar die Billigkeitsprüfung mit der AGB- Kontrolle "ersetzen" will.  Das Gericht versucht auch gar nicht erst, diesen Kunstgriff methodisch zu begründen.

Es gibt auch keine juristisch haltbare Begründung, denn diese Prämisse ist falsch. Preisanpassungsklauseln unterliegen der Prüfung des § 315 BGB und des § 307 BGB. Wer nachlesen möchte, dem sei neben den von Herrn Fricke genannten Urteilen der Aufsatz von Held in NZM 2004, 169, 172, und Arzt/Fitzner ZNER 2005, 305, 311 empfohlen.

Dies betrifft insbesondere die Gewichtung der Anpassungsfaktoren. Wir wissen, dass die Branche behauptete Steigerungen der Erstehungskosten gerne zu 100 % an die Verbraucher ablastet, wenngleich doch ganze 65 - 75 % der Gesamtkosten gar nicht mit dem Gaseinkauf zusammenhängen.


Ich neige daher nicht sonderlich dazu, diesem Urteil für die juristische Aufarbeitung des Gaspreisprotestes allzu viel Bedeutung beizumessen.


M.f.G. aus Berlin
Graf Koks

Offline uwes

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Gaspreisurteil LG Potsdam vom 04.10.06 erfreulich deutlich
« Antwort #9 am: 01. November 2006, 11:42:32 »
Sehr geehrter Herr Fricke,
sehr geehrter Herr Werner,

bitte sehen Sie mir nach, wenn ich einige kleinere Anmerkungen zu Ihrer Diskussion unterbringen möchte.
Ich zitiere:
Zitat von: \"RR-E-ft\"
Das LG Potsdam ging hinsichtlich der bereits abgerechneten Zeiträume von der Vorrangigkeit einer solchen Rückforderungsklage aus und hielt deshalb eine Feststellungsklage insoweit für unzulässig.


Auf der Seite 4 des Urteils des AG Delmenhorst vom 4.8.2006 ist meines Erachtens das Zutreffende hierzu ausgeführt:

"Die Feststellungsklage ist geeignet, Rechtssicherheit zu schaffen. Im Falle eines obsiegenden Feststeilungsurteils erwächst die Feststellung der Unbilligkeit der hier streitigen Gaspreiserhöhungen in Rechtskraft, was bei einer Leistungsklage nicht der Fall wäre (BGH NJWRR 2002, 1377)."

Das Amtsgericht hatte sich mit dem gleichen Argument des Versorgungsunternehmens zu befassen, das vorgetragen hatte, für zurückliegende und abgerechnete Zeiträume sei ein Feststellungsantrag nicht zulässig. Dabei ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass der (als unbillig gerügte) Preis sich doch auch nach der Abrechnung auf die Leistungsvereinbarungen der Parteien erstreckt und daher keineswegs ausschließlich nur auf den abgerechneten Zeitraum.


Zitat von: \"RR-E-ft\"
Soweit das Gericht ausführt, Sondervertragskunden könnten "unter keinen Umständen" einen Anspruch auf eine Billigkeitskontrolle haben, widerspricht dies schon der eigenen  Rechtsprechung LG Potsdam (RdE 2004, 307). Auch das OLG Karlsruhe und wohl auch das OLG Brandenburg sehen dies anders.


So pauschal würde ich die Sache auch nicht sehen.

Wenn Sie das Urteil des OLG Brandenburg vom 21.6.2006 in Sachen Fernwärme meinen, dann unterteilt dieses so pauschal nicht. Das OLG hat auf Seite 17 der Gründe ausdrücklich unterschieden zwischen dem Recht, Preise einseitig zu ändern (dann § 315 BGB) und einer Preisänderungsklausel im Vertrag (dann Vereinbarung = AGB Kontrolle falls AGB vereinbart sind - im vorliegenden Fall allerdings verneint.).

Das OLG Karlsruhe hatte ersichtlich nicht über eine Preisänderungsklausel jedoch in einem Fall von Sondervertragskunden zu entscheiden gehabt.
Im Urteil vom 28.6.2006 hatte der Senat über einen - nach Auffassung des Versorgers - individuell ausgehandelten Preis  zu befinden. Hier sah der Senat die Billigkeitskontrolle über § 315 BGB deswegen als erforderlich an, weil der Tarif eben nicht ausgehandelt worden war, sondern einseitig  von dem Versorgungsunternehmen festgelegt wurde. Danach ist in der Tat nach den Gründen davon auszugehen, dass auch in einem Sonderkundenvertrag § 315 BGB auch oder gerade dann zur Anwendung gelangt, wenn dem einen Vertragsteil das Recht zur Bestimmung der Leistung einseitig zusteht. Nur eine Preisvereinbarung z.B. in Form einer Preisänderungsklausel darf es nicht geben, da dann der Preis nicht mehr einseitig bestimmt wird, sondern einer Vereinbarung unterliegt. (siehe hierzu weiter unten)

Zitat von: \"RR-E-ft\"
Es ist allgemein anerkannt, dass eine - auf eine gem. § 307 BGB  wirksame Preisänderungsklausel  - gestützte  Preiserhöhung mangels anderer Bestimmungen in einem zweiten Schritt einer Billigkeitskontrolle unterfällt. In der Rechtsprechung ist ebenso anerkannt, dass die Billigkeitskontrolle den Gesamtpreis, nicht jedoch einzelene Preisbestandteile betrifft.

Dies ist bei Gaspreisen der vorliegenden Art unbestritten (vgl. hierzu nur Kunth/ Tüngler, RdE 9/2006 Fn. 46).


Das sehe ich aus den o.g. Gründen völlig anders und meine auch, dass das Landgericht Bremen (Urteil vom 24.5.2006) hier zutreffend argumentiert hat.
Gerade weil eine Preisänderungsklausel vereinbart war, sah das Gericht sich nicht in der Lage, bei angenommener Unwirksamkeit der Klausel jetzt gem. § 315 BGB im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ein einseitiges Preisbestimmungrecht des Versorgers deswegen anzuerkennen, weil der wirkliche Parteiwille nicht auf einen immer gleich bleibenden Preis gerichtet gewesen war.

Zitat (LG Bremen ZNER 2006, 168)
Die Lücke lässt sich nämlich nicht etwa durch Konstruktion einer Preisänderungsklausel schließen, die die Berechtigung einer Preisanpassung hinlänglich nachvollziehbar machte. Damit wäre die von § § 9 AGBG, 307 BGB n.F. angeordnete Rechtsfolge der Klauselunwirksamkeit umgangen, indem nun

dasjenige (wirksam) in die Verträge wieder eingeführt würde, was über die Inhaltskontrolle soeben (als unwirksam) beseitigt worden ist.

Dass die ergänzende Vertragsauslegung mit einer derartigen Abänderung des Vertragsinhalts (vgl. dazu BGH NJW 1984, 1177, 1178), die dem Verwender das Risiko einer gesetzeskonformen Ausgestaltung seines Klauselwerks vollständig abnimmt (vgl. dazu BGH NJW 1985, 623, 625), ihre Grenzen überschreitet, liegt auf der Hand.
Eine ergänzende Vertragsauslegung kann auch nicht dazu führen, dass der Beklagten ein Preisänderungsrecht eingeräumt wird, von dem sie allerdings nur unter Anwendung billigen Ermessens (§ 315 BGB) Gebrauch machen darf.
Zum einen führte dies zu einer nicht hinnehmbaren geltungser-haltenden Reduktion der Klausel (s.o.).

Könnte § 315 BGB an die Stelle einer Preisanpassungsklausel treten, die das Anwendungsermessen des Verwenders nicht ausreichend (transparent) begrenzt, wäre damit sogar ein Auffangtatbestand geschaffen, der die Verwendung solcher Klauseln generell risikolos machte. Überdies machte die Anwendbarkeit des § 315 BGB es möglich, den Verwender im Einzelfall besser zu stellen, als dies bei Wirksamkeit der Anpassungsklausel der Fall wäre. Während diese sein Ermessen in sachlicher und zeitlicher Hinsicht einzuschränken suchte, erlaubte § 315 BGB jede Preisanpassung, solange sie nur dem vergleichsweise weiten Kriterium der Billigkeit genügt. Der Eintritt einer solchen Folge ist jedoch gerade nicht von § § 9 AGBG, 307 BGB n.F., gewollt. Denn diese Vorschriften verweisen den Verwender darauf, eine Verschlechterung seiner Rechtsposition hinzunehmen, wenn seine Geschäftsbedingungen unwirksam sind (vgl. OLG Frankfurt a.M; NJW-RR 1985, 283, 284).

Zum anderen vermag auch die sich aus § 315 BGB (ggf. analog) ergebende Befugnis des Gaskunden, eine Preiserhöhung zur gerichtlichen Nachprüfung zu stellen, das aus § § 9 AGBG, 307 BGB n.F. folgende Bestimmtheits- bzw. Transparenzgebot nicht zu ersetzen. Das Erfordernis einer Konkretisierung allgemeiner Geschäftsbedingungen soll nämlich nach Möglichkeit gerade verhindern, dass es im Einzelfall zu gerichtlichen Auseinandersetzungen kommt oder der Betroffene eine Preiserhöhung nur deswegen hinnimmt, weil sich das zulässige Ausmaß nicht nach den von ihm akzeptierten Bezugsbedingungen beurteilen lässt (vgl. BGH NJW 1980, 2518, 2519; NJW 1982, 331, 332; NJW 1985, 623, 625; NJW 1986, 3134, 3136).


"Unstreitig" ist diese Mindermeinung von Kunth/Tüngler daher wohl gerade nicht.


Zitat von: \"RR-E-ft\"
Jedenfalls beruft sich Ihr Unternehmen hinsichtlich des Rechts zur einseitigen Preisfestlegung gegenüber allen Haushaltskunden auch lediglich auf § 4 AVBGasV, wobei strittig ist, ob sich aus dieser Vorschrift ein solches Recht überhaupt ergeben kann.


Siehe LG Bremen, LG Berlin, LG Dresden. Wieviel Urteile brauchen wir noch, bis auch der letzte davon überzeugt ist, dass diese Bestimmungen kein Recht zur einseitigen Preiserhöhung gewähren?


Zitat von: \"RR-E-ft\"
Insoweit wird davon ausgegangen, dass allen Haushaltskunden Ihres Unternehmens, welche von diesen einseitigen Preisfestlegungen betroffen sind, die Unbilligkeitseinrede nach § 315 III BGB zusteht.


Das liegt meines Erachtens bereits in der Natur dieser Formulierung, die nun einmal dem Gesetz fast gleichlautend nachempfunden ist.
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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Offline uwes

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Gaspreisurteil LG Potsdam vom 04.10.06 erfreulich deutlich
« Antwort #10 am: 01. November 2006, 11:59:28 »
Zitat von: \"Graf Koks\"
Preisanpassungsklauseln unterliegen der Prüfung des § 315 BGB und des § 307 BGB. Wer nachlesen möchte, dem sei neben den von Herrn Fricke genannten Urteilen der Aufsatz von Held in NZM 2004, 169, 172, und Arzt/Fitzner ZNER 2005, 305, 311 empfohlen.


@Graf Koks

Ich sehe das nicht als zwingend richtig an. Ich verweise auf mein obiges Posting.
Wenn eine Preisänderungsklausel im Vertrag vereinbart ist, kommt § 315 BGB  schon begrifflich nicht zum Tragen, da es an der tatbestandlichen Voraussetzung, nämlich dem  Recht zur einseitigen Preisänderung nach billigem Ermessen (so aber § 315 Abs. 1 BGB) fehlt.

Gibt es keine Preisanpassungsklausel, ist dem Versorger aber durch Vertrag das Recht zur einseitigen Preisänderung nach billigem Ermessen eingeräumt, dann ist § 315 BGB anwendbar. Freilich ohne dass es dabei auf eine Monopol oder auch nur eine marktbeherrschende Stellung des Versorgers ankommen kann. Hierauf stellt § 315 BGB nicht ab.

Schwierig wird es dann, wenn die Preisänderungsklausel unwirksam ist und der Vertrag dann möglicherweise eine Lücke aufweist.
Das Landgericht Bremen hat in einer m.E. überzeugenden Begründung die Anwendbarkeit des § 315 BGB verneint. (s.o.)

Ich meine daher - wohl gemeinsam mit Herrn Fricke (oder nicht?) - dass es nur heißen kann § 315  oder § 307 BGB nicht jedoch § 315 und § 307 BGB
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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Offline jroettges

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Gaspreisurteil LG Potsdam vom 04.10.06 erfreulich deutlich
« Antwort #11 am: 01. November 2006, 12:36:08 »
@uwes
Zitat
Gibt es keine Preisanpassungsklausel, ist dem Versorger aber durch Vertrag das Recht zur einseitigen Preisänderung nach billigem Ermessen eingeräumt, dann ist § 315 BGB anwendbar.

Was ist, wenn es keine Preisanpassungsklausel gibt und auch nichts darüber nachlesbar ist, dass dem Versorger Preisänderungen eingeräumt worden seien.
Zitat
Schwierig wird es dann, wenn die Preisänderungsklausel unwirksam ist und der Vertrag dann möglicherweise eine Lücke aufweist.
Entspricht das Fehlen jeglicher Regeln einer "Lücke" in diesem Sinne?

Nach meiner unmaßgeblichen Meinung gibt es dann nur zwei Möglichkeiten:

1. Der Versorger durfte und darf die Preise nicht einseitig und nicht ohne Neuverhandlung erhöhen

2. Da der Versorger selbst von einer an die Tarifkunden "angelehnten" Rechtslage ausgeht und die Preise nach §4 AVBGasV einseitig über Jahre hinweg erhöht hat, muss er sich auch mit §315 messen lassen

Haben Sonderverträge, denen alle inzwischen von den Gerichten und neuerdings auch vom Gesetzgeber (§41 EnWG) festgelegten Merkmale fehlen, überhaupt vor Gericht als solche Bestand?

Haben es sich die EVU nicht nur über Jahrzehnte hinweg zu einfach gemacht und Sonderverträge - wegen der geringeren Konzessionsabgabe günstiger - den Verbrauchern schmackhaft gemacht, ohne die Vertragsverhältnisse auf rechtlich saubere Weise auszugestalten?

Wer soll denn jetzt diese Zeche bezahlen?

Offline RR-E-ft

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Gaspreisurteil LG Potsdam vom 04.10.06 erfreulich deutlich
« Antwort #12 am: 01. November 2006, 12:51:07 »
@uwes

Von Herrn Werner als Pressesprecher sollten wir nicht zuviel erwarten, was einen juristischen Disput betrifft. Er wird wohl eher eine Ausbildung für Public Relations haben, eine vollständig andere Kunst.

Das Landgericht Potsdam hat eben hinsichtlich des Feststellungsinteresses eine besondere Sicht auf die Dinge, welche auch ich für nicht zutreffend halte. Entsprechender Vortrag war erfolgt. Richter sind auch nicht davor gefeit, die Rechtslage falsch zu beurteilen.

Im übrigen ist schon vieles zum Thema hier geschrieben worden:

http://forum.energienetz.de/viewtopic.php?t=4576

@jroettges

Wenn im Vertrag nichts steht, steht eben nichts drin. Allein der Vertragstext dokumentiert regelmäßig, worüber man sich einig war.

Das Problem ist, was passiert, wenn eine Vertragsklausel unwirksam ist und dadurch in das Regelungsgefüge des ursprünglichen Vertrages deshalb  eine Lücke gerissen wird. Dann stellen die Gerichte die Frage nach einer sog. ergänzenden Vertragsauslegung. Diese wiederum hat strenge Voraussetzungen. Dazu lesen Sie bitte die bekannten Urteile LG Bremen, LG Dresden und LG Berlin oder auch OLG Köln v. 13.01.2006.

Ebenfalls bitte hier lesen:

http://forum.energienetz.de/viewtopic.php?t=4576

 

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