[ 5-U-75-05 16-03-2006 ; 3-S-147-05 15-05-2006 ; 2-O-19-06 04-10-2006 ; VIII-ZR-144-06 ]
http://www.energieverbraucher.de/de/site/Hilfe/Container-Urteilssammlung/site__1906/Das Landgericht Potsdam hat mit Urteil vom 04.10.2006 -
Az. 2 O 19/06 entschieden:
"Der von Klägerseite geltend gemachte Anspruch auf Feststellung der Unbilligkeit des von der Beklagten verlangten Gaspreises besteht [nur] für solche Verbraucher, die tatsächlich Gaskunden der Beklagten sind und bei denen die Abrechnung nach dem allgemein gültigen Tarif vorgenommen wird, die aufgrund der allgemeinen Lieferverpflichtung der Beklagten beliefert werden (sog. Tarifkunden)".Dies betrifft alle Gaskunden, die zu den gem. § 4 AVBGasV veröffentlichten Tarifen versorgt und abgerechnet werden.Im konkreten Fall sind das alle EMB- Kunden, die zum EMB- Tarif bzw. EMB- Klassik zu den Bedingungen der AVBGasV versorgt und nach Bestabrechung abgerechnet werden:
http://www.emb-gmbh.de/cms/index.php?id=62Die gerichtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB betrifft dabei den gesamten zur Abrechnung gestellten
Gaspreis und nicht etwa nur eine Gaspreiserhöhung.
Ohne es zu bennenen knüpft das Gericht dabei ersichtlich an die Rechtsprechung des BGH (BGH NJW 2003, 3131; NJW 2006, 684; BGH NJW-RR 2006, 915) an.
Das Gericht geht weiter davon aus, dass sich bereits aus dem Wortlaut des § 315 BGB ergäbe, dass die Gaspreise nur verbindlich sind, wenn der Gasversorger die Angemessenheit der Gaspreise nachvollziehbar und prüffähig nachgewiesen habe.
Die Kläger meinten hingegen, dass sich dies für zukünftige einseitige Preisfestlegungen nicht so deutlich bereits aus dem Gesetz ergäbe und deshalb aus Gründen der Rechtssicherheit ein entsprechendes Feststellungsinteresse bestehe, zumal sich die Bekl. gegenüber den Klägern ständig auf § 30 AVBGasV und eine angebliche daraus folgende Zahlungspflicht beruft.
Weil sich nach Auffassung des Gerichts Entsprechendes jedoch bereits aus dem Gesetz (§ 315 BGB) selbst ergibt, wurde ein dahingehender Feststellungsantrag abgewiesen. Es fehle insoweit am Feststellungsinteresse bzw. über den Gestzeswortlaut hinaus an einer Konkretisierung.
Dies ergibt sich aus den Entscheidungsgründen auf den Seiten 12/ 13 des Urteils.
Insoweit hat das Gericht für die Verbraucher, die zu den Bedingungen der AVBGasV versorgt werden, ganz deutlich und entscheidend für weitere Rechtsklarheit gesorgt:
Der Gaspreis nach allgemeingültigem Tarif ist nach dieser Rechtsprechung wohl insgesamt überhaupt erst nur verbindlich und damit geschuldet, wenn die Angemessenheit des Gaspreises nachvollziehbar und prüffähig vom Gasversorger nachgewiesen wurde.
So deutlich hat es wohl noch kein Gericht ausgeführt.
Es darf bezweifelt werden, dass Gasversorger dieses Urteil ihren Kunden je zur Verfügung stellen werden.
Bis auf die Sammelkläger, die nach bisheriger Entscheidung die Kostenlast trifft, ist dieses Urteil ein Erfolg für die Gaskunden.
Das Gericht hatte im Übrigen den Sachverhalt unzutreffend gewürdigt:
Die Parteien hatten übereinstimmend erklärt, dass die Kläger, die gegenwärtig Gas von der Beklagten beziehen und deren Kunden sind, zu den allgemeingültigen Preisen EMB Tarif/
EMB Klassik versorgt und abgerechnet werden und der Beklagten aufgrund des Kontrahierungszwanges und des Gleichbehandlungsgebotes eine dauerhafte anderweitige Preisabsprache mit Haushaltskunden wie den Klägern überhaupt nicht möglich ist. Deshalb so die Beklagte, seien ihre nach § 4 AVBGasV veröffentlichten allgemeinen Preise
zwingende Tarife, die keine anderweitigen Preisvereinbarungen zuließen.
Das Gericht wollte (wohl etwas lebensfremd und zudem unzulässig entgegen dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien ) gleichwohl nicht ausschließen, dass Kläger mit der Beklagten
individuelle Preisvereinbarungen
ausgehandelt hätten und deshalb nicht zu den nach § 4 AVBGasV veröffentlichten allgemeinen Preisen versorgt und abgerechnet würden.
Diese könnten dann "unter Umständen" durch das beantragte Feststellungsurteil besser gestellt werden, wenn sie höhere Preise
ausgehandelt hätten als die allgemeinen Preise des Versorgers zum vor dem 01.10.2004 gültigen Preisstand.
Das Gericht meinte, Sondervertragskunden könnten jedenfalls kein Interesse an der Feststellung eines billigen Preises haben.
Dabei verkannte das Gericht, dass die (positive) Feststellung eines billigen Preies gar nicht beantragt war, sondern eine negative Feststellungsklage erhoben war, darauf gerichtet für die Erdgaslieferungen lediglich die allgemeinen Preise zu zahlen, die vor dem 01.10.2004 galten.
Das Gericht meinte, einen solchen Anspruch hätten nur die Tarifkunden.
Aber immerhin haben diese den Anspruch sicher.
Dabei ließ das Gericht zudem die eigene Rechtsprechung des LG Potsdam (RdE 2004, 307) ebenso unberücksichtigt wie die des OLG Karlsruhe (Urt. v. 28.06.2006) und LG Mönchengladbach (B. v. 07.07.2006); LG Bonn (Urt. v. 07.09.2006), wonach auch bei bezüglich der Preise von Gassonderkunden die gerichtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB greift.
Auch das Urteil des OLG Karslruhe betraf einen Sondervertragskunden:
http://www.energieverbraucher.de/de/site/Hilfe/Container-Urteilssammlung/site__1859/Dass in laufenden Sonderverträgen einseitige Preiserhöhungen durch den Versorger gem. § 315 BGB überprüft werden können, entspricht der Rechtsprechung des LG Potsdam (RdE 2004, 307 - vgl. Seite 3 der Urteilsausfertigung unten):
http://www.raepower.de/PDF/20040709%20LG%20Potsdam%2052%20O%20208-02.pdfEbenso entspricht es der Rechtsprechung des LG Potsdam, dass § 30 AVBV den Einwand der Unbilligkeit nicht betrifft und nicht ausschließt (LG Potsdam, Urt. v. 15.05.2006, 3 S 147/05 - auf die Revision des verklagten Kunden vor dem BGH unter dem Az. VIII ZR 144/06):
http://www.agfw.de/fileadmin/dokumente/rec/LG_Potsdam_060515_3S147-05.pdf Auch das OLG Brandenburg geht in seinem Urteil vom 16.03.2006, Az. 5 U 75/05 wohl mit dem BGH davon aus, dass Gaspreise eines
kontrahierungspflichtigen und
monopolistischen Gasversorgers der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB unterfallen (vgl. Seite 11 der Urteilsausfertigung oben) und dass § 30 AVBV den Einwand der unbilligen Leistungsbestimmung gem. § 315 BGB nicht ausschließt (vgl. Seite 17 der Urteilsausfertigung), also nicht dazu führen kann, dass der Kunde zur Zahlung als unbillig gerügter einseitig festgesetzter Preise des Versorgungsunternehmens verpflichtet sein kann:
http://www.agfw.de/fileadmin/dokumente/rec/OLG_Brandenburg_060316_5U75-05.pdfDie Kläger werden deshalb nun eine Berufung zu erwägen haben.
Diese könnten jetzt wohl zudem auch die Zahlungen für die Gaslieferungen vollständig einstellen und auf eine Zahlungsklage des Versorgers zu den abgerechneten allgemeingültigen Tarifen das sie betreffende Urteil des LG Potdsam vorlegen, wonach bis zum nachvollziehbaren und prüffähigen Nachweis der Angemessenheit des zur Abrechnung gestellten Gaspreises nichts verbindlich und somit geschuldet ist, was sich bereits aus § 315 BGB ergibt.Auch keine schlechte Aussicht. :wink:
Dies entspräche wohl sogar der Rechtsauffassung des Versorgers:
http://www.emb-gmbh.de/cms/index.php?id=5&newsid=177 "Die EMB begrüßt das Urteil, das die Rechtssauffassung der EMB bestätigt.
Eine ausführliche Begründung des Urteils wird in den nächsten Tagen veröffentlicht."
Obschon der Versorger das Urteil mittlerweile mit vollständigen Entscheidungsgründen vorliegen haben wird und er eine baldige Veröffentlichung der vollständigen Urteilsgründe in Aussicht gestellt hatte, findet sich eine solche bisher nicht:
http://www.emb-gmbh.de/cms/index.php?id=73 :roll:
Der Versorger hatte vor Gericht sogar vorgetragen, die Kunden wüssten durch die Veröffentlichungen der Verbraucherverbände, dass sie gar nicht mehr zahlen brauchen. Wer trotzdem noch vollständig zahle, der könne in Anbetracht von § 814 BGB nichts mehr zurück verlangen. So wird indes deutlich gemacht, dass Kunden kürzen
müssen, wenn sie sich keiner Rechte begeben wollen. Wer den
vollständigen Gaspreis auf Billigkeit überprüft haben wolle, müsse - so die Bekl. in dem Verfahren - sowieso auch
vollständig kürzen. Schließlich könne nur die Billigkeit eines noch offenen Betrages gerichtlich überprüft werden..... Eine Meinung, die sich hören lässt.
Soweit die Kläger bereits in 2004/ 2005 Rechnungsbeträge gekürzt hatten, trifft das Urteil nach dem Vortrag der Beklagten sogar die Feststellung, die Zahlungen auf die entsprechenden Rechnungen seien bereits
vollständig geleistet worden, so dass wohl schon allein deshalb von dieser nichts mehr verlangt werden kann.....
Möglicherweise hatte der Versorger das Urteil des LG Potsdam deshalb zu früh
begrüßt.
Freundliche Grüße
aus Jena
Thomas Fricke
Rechtsanwalt