[ 8-S-146-05 07-09-2006 ]
Das Gaspreis- Urteil des Landgerichts Bonn Az. 8 S 146/05, verkündet am 07.09.2006 wurde veröffentlicht:
http://www.energieverbraucher.de/de/site/Hilfe/Container-Urteilssammlung/site__1890/Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Die Revision wurde ausdrücklich zugelassen.
Anmerkung:
Das Gericht kam hinsichtlich der Transparenzkontrolle einer Preisänderungslausel zu einem m. E. nicht vertrebaren Ergebnis.
"Die Preise können geändert werden, wenn die Tarifpreise sich ändern". ist nun einmal keine transparente Klausel.
Bemerkenswert ist, dass das Gericht auf Preisänderungen gegenüber Tarifkunden nach § 4 AVBGasV als vertragliches einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zutreffend § 315 BGB zur Anwendung bringen will.
Es handelte sich um in 2003 geschlossene Sonderverträge, deren Anfangspreis nach Auffassung des Gerichts Gegenstand einer vertraglichen Einigung waren, mithin nicht einseitig bestimmt waren im Sinne einer direkten Anwendung des § 315 BGB.
Mit der Frage einer faktisch einseitigen Bestimmung des Anfangspreises aufgrund der Monopolstellung im Bereich der Daseinsvorsorge und einer analogen Anwendung des § 315 BGB deshalb (insoweit) hatte sich das Gericht nicht befasst.
In dem konkreten Fall handelte es sich bei der angegriffenen Preiserhöhung zum 01.01.2005 um die
erstmalige Preiserhöhung nach Vertragsabschluss in 2003.
Wenn das LG Bonn in diesem Zusammenhang vom nicht konrollierbaren
Anfangspreis als "Preissockel" spricht, meint es ersichtlich etwas anderes als das LG Hamburg in seinem Hinweisbeschluss, auf den Bezug genommen wurde.
Zur Überprüfung standen auch allein die Preiserhöhungen aufgrund der Prozessanträge der Kläger. Auf die angegriffenen Preiserhöhungen wurde § 315 BGB direkt angewandt.
Die Billigkeitskontrolle von Erdgaspreisen hat nach diesem Urteil grundsätzlich anhand der eröffneten Preiskalkulation zu erfolgen (im Anschluss an OLG Karlsruhe).Auf den Vergleich mit den Preisen anderer Gasversorger kann demnach nicht abgestellt werden.
Im Übrigen kontrollierte das Gericht die Billigkeit der erhöhten Preise anhand der gestiegenen Bezugskosten, da nach unbestrittenen Vortrag sich die Steuern und Abgaben, die Netz- und Personalkosten etc. und alle anderen Bestandteile der Preiskalkulation sich nicht geändert hatten.
Die Bezugskosten seien dabei nicht vollständig weitergegeben worden.
Der entsprechende Vortrag sei von den Klägern nicht bestritten worden.
Zwar hatte die Beklagte bei gesunkenen Bezugspreisen in IV/ 2003 und I/2004 die Gaspreise zum 01.01.2004 auch gesenkt.
Es ist jedoch nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte die nach Vertragsschluss gesunkenen Bezugskosten
vollständig an die Kläger weitergegeben hatte.
Viele Gasversorger hatten entsprechende Preissenkungen einfach unter den Tisch fallen lassen. Dies ist jedoch für die saldenmäßige Betrachtung der Bezugskostensteigerung beachtlich. Es zeichnet sich dadurch regelmäßig ein anderes Bild.Bei den
unstreitig im Übrigen konstanten Kalkulationsbestandteilen und den nicht vollständig weiter gegebenen Bezugskostensteigerungen ergäbe sich mithin, dass die Preiserhöhungen der Billigkeit entsprachen.
Logisch und konsequent.
Die Entscheidung beruht also maßgeblich auf der unzutreffenden Anwendung des § 307 BGB, im Übrigen am nicht hinreichendem Bestreiten, so dass das Gericht im konkreten Fall eine ausreichende Beurteilungsbasis sah.
Weil das Urteil auf dem unzureichenden Bestreiten gründen soll, lässt es sich auf andere Kunden der Regionalgas Euskirchen nicht übertragen.
Wegen der fehlerhaften Anwendung des § 307 BGB hat die ausdrücklich zugelassene Revision jedenfalls Aussicht auf Erfolg.
Das Gericht verkannte, dass durch die AGB nicht von den gesetzlichen Bestimmungen der AVBGasV abgewichen werden konnte, da deren Anwendungsbereich auf Sonderkunden schon überhaupt nicht eröffnet war (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AVBGasV). Dies war schon immer so und hat sich nicht etwa erst durch die Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes 2005 geändert.
Eine nachträgliche Überprüfbarkeit über § 315 BGB reicht nach der gefestigten Rechtsprechung gerade nicht dafür, dass eine AGB- Klausel dem Transparenzgebot des § 307 BGB genügt (vgl. nur OLG Stuttgart, ZNER 2005, 163, [164], re. Sp, m.w.N.):
http://www.pontepress.de/pdf/200502OLGStgt13_01_2005.pdfBei der Beurteilung der Klausel machte das Gericht den Fehler, dass es anstatt auf eine notwendig
abstrakt-generelle Betrachtung bei der Klauselkontrolle auf die konkrete Vertragsdurchführung abstellte und deshalb auch die Tatsache der Preissenkung zum 01.01.2004 (vgl. Seite 8 UA) in seine wertende Überlegung mit einbezog.
http://forum.energienetz.de/viewtopic.php?t=4125Insoweit hat eine Revision Aussicht auf Erfolg.
Bereits im November wird der BGH über eine Revision zu einem Urteil des OLG Köln vom 13.01.2006 zu befinden haben, welches eine Preisänderungsklausel unter Einbeziehung der AVBGasV in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Energielieferanten zum Gegenstand hatte.
Was das im Ergbenis bestätigte Urteil des AG Euskirchen betrifft, ist zu sagen, dass dessen Begründung vom LG Bonn vollständig verworfen und durch eine neue Begründung ersetzt wurde.
Weil dieses Urteil auf den Besonderheiten gründet (Angriff der erstmaligen Preiserhöhung nach Vertragsabschluss, Nichtbestreiten von Tatsachen durch die Kläger) lässt sich dieses Urteil keinesfalls dergestalt verallgemeinern, dass der Versorger Regionalgas Euskirchen nun die Billigkeit seiner Erdgaspreise umfassend nachgewiesen bzw. das LG Bonn diese umfassend geprüft und danach als "billig" bewertet habe.
Das LG Bonn sah sich vielmehr nach den gestellten Prozessanträgen und dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten
ausdrücklich einer weitergehenden, vertiefteren Prüfung enthoben an.
http://www.ksta.de/html/artikel/1157542128504.shtml Noch weniger lässt es eine Verallgemeinerung dergestalt zu, dass nun etwa die Preiserhöhungen anderer Versorger der Billigkeit entsprochen hätten.
Übertragbar ist indes die Rechtsauffassung, dass die Billigkeitskontrolle bei Gastarifkunden nach § 315 BGB anhand der offen zu legenden Preiskalkulation zu erfolgen hat.
Auch wenn das Urteil im Ergebnis bisher nicht überzeugen kann, hat es insoweit doch für weitere Klarheit bezüglich vieler Rechtsfragen im Interesse der Verbraucher gesorgt und stärkt deren Position.
Freundliche Grüße
aus Jena
Thomas Fricke
Rechtsanwalt