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BGW- Energierechtsexperten: Schnell zurück zum § 315 BGB!

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Stadt/Versorger:
Der BGH hat in einem Fernwärme-Fall mit Urteil vom 15. Februar 2006 entschieden, dass die Verträge gemäß § 2 Abs. 2 S. 2 AVBFernwärmeV zustande kommen und deshalb § 315 BGB nicht anzuwenden ist. Damit wird erstmals vom BGH anerkannt, dass die Verhältnisse bei Fernwärme eine automatische Anwendung des § 315 BGB nicht zulassen. § 30 AVBFernwärmeV wurde einschränkend ausgelegt.

aus www.agfw.de

RR-E-ft:
@Stadt/Versorger

Na so etwas aber auch.

Man darf nicht alles glauben, was man auf den Seiten der Lobbyverbände zu lesen bekommt. Die Kollegen werden sehr gut dafür bezahlt, die Meinung der Versorgungswirtschaft zu vertreten/ zu verbreiten oder eine solche neu zu gestalten:

http://www.agfw.de/823.0.html

Man muss einfach selbst die BGH- Entscheidung lesen, insbesondere die Textziffern [28] ff.:

http://www.pontepress.de/pdf/200602U6.pdf

Das steht hier schon so oft im Forum geschrieben, dass man nicht immer wieder neu damit kommen sollte:

http://forum.energienetz.de/viewtopic.php?t=4327

Die Kollegen vom AGFW sehen es übrigends (mittlerweile?) selbst weit differenzierter, vgl. nur hier auf Seite 10:

http://www.agfw.de/fileadmin/dokumente/rec/060928_Preisanpassung_Internet_01.pdf


Übrigends befassen sich die BGW- Energierechtsexperten, um deren Erkenntnisprozess es in diesem Thread geht, mit der Billigkeitskontrolle von Erdgaspreisen.


Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

uwes:
@Fricke
@Stadt/Versorger
Bitte genau lesen!
Ich bin der Auffassung, dass das Urteil des BGH (ZNER 2006 S. 150)
http://www.zner.org/pdf/200602U6.pdf
in Sachen Fernwaerme eine Menge auch für den Bereich des Erdgaspreisanpassungsrechts hergibt und vor allem ganz anders als oben beschrieben.

Der BGH stellt nämlich gerade nicht fest, dass § 315 BGB auf die Preisgestaltung nicht anwendbar ist.
Darüberhinaus prüft der 8 Zivilsenat des BGH aber auch, unter welchen Voraussetzungen eine Preisänderung/Erhöhung möglich ist.

Er vertritt hierzu die Auffassung, dass die Preise geschuldet werden, die in vergleichbaren Versorgungsverhältnissen von dem Energieversorger zugrundegelegt werden.

Soweit ersichtlich - erstmalig - sagt der BGH aber jetzt hierzu, dass es "desweiteren der Feststellung" bedürfe, "ob und unter welchen Voraussetzungen solche Verträge Preisanpassungen während der Vertragslaufzeit" zuließen[/b]. Ohne Preisänderungsklauseln wären im Verhältnis Kunde - Versorger ausschließlich die zu Beginn des Vertrages in vergleichbaren Versorgungsverträgen vereinbarten Preise maßgeblich.

Im Klartext:
§ 4 Abs 2 AVBGasV beinhaltet für sich allein genommen kein Recht des Versorgungsunternehmens, die Preise zu erhöhen.
Erhöht werden dürfen die Preise bei Fehlen einer wirksamen Preisänderungsklausel im Vertrag mit dem Kunden nur dann,  wenn (wirksame) Preisänderungsklauseln in gleichartigen Versorgungsverträgen des Energieversorgungsunternehmens festgestellt werden können und diese die Preisänderungen ermöglichen.

Das bedeutet für die Tarifkunden ohne wesentliche Vertragsinhalte und vor allem ohne wirksame Preisänderungsklauseln im Vertrag, dass eine Preisanpassung nach den oben dargelegten Grundsätzen durch das Energieversorgungsunternehmen nicht möglich ist, sondern (nur) der Preis geschuldet ist, der zu Beginn des Vertragsverhältnisses in gleichartigen Versorgungsverhältnissen bestanden hat, dessen Angemessenheit einmal vorausgesetzt.

RR-E-ft:
@uwes

Im Fernwärmebereich besteht die Besonderheit, dass es keine Tarifkunden gibt.

Es besteht, soweit nicht etwa ein Anschluss- und Benutzungszwang besteht, auch keine gesetzliche Versorgungspflicht des FVU, so dass es - von Ausnahmen abgesehen - auch keinem Kontrahierungszwang unterliegt.

Für Tarifkunden bleibe ich deshalb bei meiner Auffassung, dass es sich von Anfang an nur um einseitig bestimmte Preise im Sinne von § 315 BGB handeln kann, wobei der Anfangspreis nicht weniger einseitig bestimmt ist wie die Folgepreise (BGH NJW 2006, 684 und BGH NJW- RR 2006, 915).

Bei Sondervertragskunden mag anderes gelten.

Der Kontrahierungszwang des Versorgungsunternehmens und das daraus folgende Gleichbehandlungsgebot schafft m. E. immer eine besondere Situation, die zur direkten Anwendung von § 315 BGB führt.



Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

uwes:

--- Zitat von: \"RR-E-ft\" ---Im Fernwärmebereich besteht die Besonderheit, dass es keine Tarifkunden gibt.
--- Ende Zitat ---


Richtig. Das löst aber nicht die aufgeworfene Frage, ob und unter welchen Bedingungen den Versorgern ein einseitiges Preisbestimmungsrecht in Verträge mit Tarifkunden während der Vertragslaufzeit zusteht.


--- Zitat von: \"RR-E-ft\" ---Es besteht, soweit nicht etwa ein Anschluss- und Benutzungszwang besteht, auch keine gesetzliche Versorgungspflicht des FVU, so dass es - von Ausnahmen abgesehen - auch keinem Kontrahierungszwang unterliegt.
--- Ende Zitat ---


Auch - teilweise - richtig. Ein Versorgungszwang wird bei bestehenden Verträgen wohl über die kartellrechtliche Belieferungspflicht angenommen werden können. Schließlich können Fernwärmekunden nicht so einfach auf einen anderen Energieträger umsteigen.


--- Zitat von: \"RR-E-ft\" ---Für Tarifkunden bleibe ich deshalb bei meiner Auffassung, dass es sich von Anfang an nur um einseitig bestimmte Preise im Sinne von § 315 BGB handeln kann, wobei der Anfangspreis nicht weniger einseitig bestimmt ist wie die Folgepreise (BGH NJW 2006, 684 und BGH NJW- RR 2006, 915).
--- Ende Zitat ---


Ja. Auch richtig- aber: Ich wiederhole meine Hinweise. Woraus ergibt sich ein Preisbestimmungsrecht im laufenden Vertragsverhältnis ohne Preisänderungsklauseln weder im streitgegenständlichen noch in gleichartigen Versorgungsverträgen?
§ 4 Abs. 1 AVBGasV und § 4 Abs. 1 FernwaermeV sind dort meines Erachtens inhaltsgleich.

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