@Netznutzer
Wo bitte ist hier die Kontrahierungspflicht gesetzlich festgelegt?
§ 36
Grundversorgungspflicht
(1) Energieversorgungsunternehmen haben für Netzgebiete, in denen sie die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen.
statuiert eindeutig einen gesetzlichen Kontrahierungszwang, nämlich eine gesetzliche
Versorgungspflicht.
Entgegen den Regeln der Privatautonomie ist der Grundversorger gesetzlich verpflichtet, auf vertraglicher Grundlage - zu von diesem selbst einseitig bestimmten und öffentlich bekannt gemachten Preisen - jeden Haushaltskunden im Netzgebiet zu versorgen.
Genau das versteht man weithin unter einem
Kontrahierungszwang oder auch Abschlusszwang genannt.
Zum Begriff siehe nur hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Kontrahierungszwanghttp://www.vur-online.de/beitrag/8.htmlSinn und Zweck eines Kontrahierungszwanges (Im deutschen Recht gibt es derzeit etwa 35 unmittelbare Abschlusszwänge in wichtigen Bereichen der Daseinsvorsorge außerhalb des BGB, vgl. hierzu Kilian, AcP 180, S. 53 oder Vykydal, JA 1996, 81 ff. (Übersicht).) ist es nun, im Prinzip der Vertragsfreiheit in der Wirtschafts- und Vertragsordnung im Wege einer Interessenabwägung ein Korrektiv zu sein (Das RG entwickelte dies dogmatisch aus § 826 i.V.m. § 249 Satz 1 BGB; der BGH und die h.M. stellen dagegen grundsätzlich auf eine Rechtsanalogie zu §§ 26 Abs. 2, 35 Abs. 1 GWB i.V.m. § 249 Satz 1 BGB oder c.i.c. ab.) gegen Missbräuche und Unzuträglichkeiten, die sich aus krassem, meist strukturellem Ungleichgewicht der Machtlage (wie etwa eine mindestens faktische Monopolstellung eines Kreditinstitutes bzw. eine Oligopolstellung mehrerer) oder der fehlenden Fähigkeit der wirtschaftlichen bzw. intellektuellen Interessendurchsetzung der potentiellen Bankkunden ergeben können (Larenz, Allgemeiner Teil des BGB, Bd. I, 6. Aufl. 1983, S. 43.).
Was verstehen Sie denn darunter?Dieser Kontrahierungszwang trifft den jeweiligen Grundversorger.
Es ist dabei vollkommen belanglos, wer gerade der Grundversorger ist.
Richtig ist, dass Yello Strom in einem Netzgebiet zum Grundversorger aufsteigen kann, soweit das Unternehmen dort zum Stichtag die meisten Haushaltskunden versorgt. Ist jedoch bisher eher unwahrscheinlich, im Übrigen auch unerheblich. (Vor der Übernahme des entsprechenden Marktanteils würde man eine Preisschlacht erwarten. Aber auch darauf kommt es nicht an). Auch Yello Strom hat in verschiedenen Netzgebieten unterschiedliche Preise. Die Genehmigung wird sich auf die Preiskalkulation für das entsprechende Marktgebiet, in welchem die Grundversorgung erfolgt, zu beschränken haben.
Wo sollte dabei das Problem liegen?
Einen Kontrahierungszwang des Kunden, auf den Sie möglicherweise bei Ihren Überlegungen abstellen, gab und gibt es so wohl nicht.
Nie war ein Kunde gesetzlich verpflichtet, von einem Unternehmen Energie abzunehmen, mit diesem einen Vertrag zu schließen.
Ein entsprechender Anschluss- und Benutzungszwang des Kunden war nämlich gerade nicht gesetzlich angeordnet.
(Die Frage eines angeordneten Anschluss- und Benutzungszwangs hinsichtlich Fernwärme spare ich an dieser Stelle aus).
Der Kontrahierungszwang trifft immer nur EVU, die gesetzlich zur Versorgung verpflichtet werden.
Einem Kontrahierungszwang unterliegt nur, wer zu einem Vertragsabschluss gesetzlich verpflichtet ist.
Das war
zunächst der sog. Gebietsversorger § 6 EnWG 1935,
dann der sog. Allgemeinversorger § 10 EnWG 1998,
nunmehr der Grundversorger § 36 EnWG 2005.
§ 116 EnWG, dessen Wortlaut Sie zitieren, schreibt in einem Teilbereich die Geltung des § 10 EnWG 1998 fort, der ebenfalls einen gesetzlichen Kontrahierungszwang enthält.
Unbeschadet des § 115 sind die §§ 10 und 11 des Energiewirtschaftsgesetzes vom 24. April 1998 (BGBl. I S. 730), das zuletzt durch Artikel 126 der Verordnung vom 25. November 2003 (BGBl. I S. 2304) geändert worden ist, sowie die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden vom 21. Juni 1979 (BGBl. I S. 684), zuletzt geändert durch Artikel 17 des Gesetzes vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3214), und die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden vom 21. Juni 1979 (BGBl. I S. 676), zuletzt geändert durch Artikel 18 des Gesetzes vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3214), auf bestehende Tarifkundenverträge, die nicht mit Haushaltskunden im Sinne dieses Gesetzes abgeschlossen worden sind, bis zur Beendigung der bestehenden Verträge weiter anzuwenden.
Vielleicht zitieren Sie der Vollständigkeit halber noch den Wortlaut von § 10 EnWG 1998.
Die Vorschriften stimmen insoweit überein. Es war also immer ein EVU und nie der Kunde, das einem gesetzlichen Kontrahierungszwang unterliegt.
Dieser Kontrahierungszwang besteht im Bereich der Grundversorgung fort, so dass die Grundsätze über die Entgeltfindung unter Kontrahierungszwang dabei heranzuziehen sind.
Diese sind seit langem anerkannt, vgl. etwa:
Prof. Dr. Jürgen F. Baur/Katrin Henk-Merten,
Entgeltfindung unter Kontrahierungszwang
Veröffentlichungen des Instituts für Energierecht an der Universität zu Köln, Band 107, Nomos-Verlagsgesellschaft So unterliegt auch nach dem Personenbeförderungsgesetz immer der Konzessionsnehmer (Betreiber des ÖPNV) einem Kontrahierungszwang, nicht jedoch der Bürger, der weiterhin Hubschrauber, Pkw, Kfz, Fahrrad benutzen oder aber zu Fuss gehen darf.
Eine gesetzliche Verpflichtung zur Benutzung des ÖPNV gibt es nicht.
Auch dort unterliegen die Tarife einer behördlichen Genehmigungspflicht.
Nicht anders verhält es sich im Bereich der Telekommunikation oder Post, wo ebenfalls ein Kontrahierungszwang angeordnet ist, und zugleich Wettbewerbg besteht. Die Preiskontrolle betrifft auch dabei nur bestimmte Unternehmen.
Die
Tarife sind allein deshalb nicht nach § 315 BGB zu überprüfen, weil es sich um eine sog. punktuelle Preisgenehmigung handelt, im Gegensatz zu einer Höchstpreisgenehmigung, die ein Ermessen eröffnet (BGH NJW 1998, 3188/ 3192).
Sowohl Stromtarifpreise nach § 12 BTOElt als auch die Entgeltgenehmigung für Netzentgelte sind Höchstpreisgenehmigungen.
Für Grundversorgertarife wird nichts anderes gelten.
Mit Rücksicht auf Art. 19 IV GG fordern Berliner Instanzgerichte jedoch auch bei punktuellen Preisgenehmigung eine gerichtliche Kontrolle zumindet des Genehmigungsverfahrens.
Viele Landessparkassengesetze statuieren einen Kontrahierungszwang für Sparkassen hinsichtlich von Kontoverträgen, ohne dass jeder Bürger verpflichtet wäre, ein Konto bei der örtlichen Sparkasse zu unterhalten.
Deshalb war Ihr Beitrag aus meiner Sicht nicht von sachlichen Argumenten getragen.
Da sieht man wieder die Kurzsichtigkeit und den Populismus von Verbraucherschützern. Auf der einen Seite Markt und Wettbewerb fordern, und wenn der nicht gefällt, einem Teil der Akteure die Preise vorschreiben. Warum schreit keiner danach, Yello und Co. die Preise vorzuschreiben? Lächerlich.
Mögen Sie das nun rhetorisch oder aber phrasenhaft nennen.
http://de.wikipedia.org/wiki/RhetorDas lasse ich mir gern entgegenhalten von jemanden, der über die entsprechende Sachkunde verfügt. :wink:
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Es wurde Ihnen persönlich ja nicht zum Vorwurf gemacht, dass es bisher keinen
wirksamen Wettbewerb gibt.
Die Verantwortung dafür möchte ja niemand so recht tragen.
Wahrscheinlich ein interessanter Fall für eine ganze Sendung
"
Bitte melde Dich".
Wirksamer Wettbewerb besteht nicht schon dann, wenn überhaupt Wettbewerber vorhanden sind, sondern erst dann, wenn der Wettbewerb auf die Interaktion der Marktteilnehmer und deren Preisgestaltung entsprechenden Einfluss nimmt.
Entsprechender Wettbewerb besteht derzeit und auf absehbare Zeit nicht, auch nicht zum Stichtag 01.07.2007.
Die Situation ist auf absehbare Zeit weiter wie sie ist und dem
muss Rechnung getragen werden.
Die Kontrolle einseitig bestimmter Entgelte kann nicht allein den Gerichten überlassen bleiben.
Bei sog. "
Wettbewerbsprodukten" wird es absehbar keine einseitigen Preisbestimmungen mehr geben.
Verträge werden auf Zeit geschlossen oder auf unbestimmte Zeit ohne Preisänderungsklausel und durch Änderungskündigung beendet. So ist es auch in anderen Bereichen üblich.
Der Grundversorger kann demgegenüber aufgrund des bestehenden Kontrahierungszwanges grundsätzlich nicht kündigen, hat somit auch keine Möglichkeit zur Änderungskündigung und ist auf einseitige Preisänderungen - wie deshalb in der GrundversorgungsVO vorgesehen und bisher in § 4 AVBV geregelt, angewiesen.
Auch daraus wird deutlich, dass dessen in jedem Falle einseitig bestimmten Preise im Sinne der neueren Preisblätter- Rechtsprechung weiter nach § 315 BGB kontrollierbar bleiben.
Da kann eine Preisgenehmigung ggf. schon helfen.
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Es muss nicht dabei verbleiben, dass die Erzeugung weiter unreguliert bleibt. (Teilweise ist sie im AtomG reguliert.)
Meines Erachtens wird die Notwendigkeit einer Regulierung auch im Bereich der Erzeugung immer klarer.
Eine solche wird erfolgen, wenn erst die Überzeugung Raum greift, dass die in § 1 EnWG statuierten Ziele des Gesetzes nicht anders zu erreichen sind. Davon sind wir gar nicht so weit entfernt.
Vorhandene Erzeugungskapazitäten werden dem Markt vorenthalten, nicht nur durch den Atomausstieg notwendige Ersatzkapazitäten werden nicht in hinreichendem Maße geschaffen.
Kompensierende Transportkapazitäten für Importe bestehen nicht und werden auch nicht im notwendigen Umfange ausgebaut.
Ich stelle fest: Viele, die hier schreiben, kennen noch nicht einmal den Unterschied zwischen Erzeugung, Übertragungsnetz, Verteilnetz und Vertrieb, zwischen regulierten Bereichen und Wettbewerb.
[/i]
Haben wir ein Glück, dass es auch Kenner gibt. :wink:
Einen funktionierenden Wettbewerb im Erzeugungsbereich gibt es nicht.
Die Annahme, dass in einem bisher nicht (mehr) regulierten Bereich bereits wirksamer Wettbewerb herrscht, wäre ein Trugschluss.
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Ceteris paribus - unter sonst gleichen, unveränderten Randbedingungen - führen sinkende Netzentgelte zwingend zu niedrigeren Energiepreisen (zuletzt Strompreis E.ON Thüringer Energie).
Sinken die Gasnetzentgelte, so sinken
c. p. auch die Gaspreise.
Sinkende Gaspreise müssten dann - wenn es einen wirksamen Wettbewerb gäbe - wie er immer behauptet wird - zu sinkenden Heizölpreisen führen.
Ich bin jedoch weiter mit dem BGH und den Kartellbehörden davon überzeugt, dass es keinen einheitlichen Wärmemarkt gibt.
Gäbe es einen solchen, müssten sich sinkende Gasnetzentgelte nach vorgesagtem jedenfalls auch preisdämpfend auf die Heizölpreise auswirken.
Dies folgt aus einer unbestreitbaren Interpedenz der Märkte.
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Genau für die Fälle des Kontrahierungszanges ist ein Bedürfnis nach behördlicher Preiskontrolle, zumindest einer Regulierung anerkannt.
Warum wurde der Kontrahierungszwang angeordnet?
Warum hat man nicht auf diesen verzichtet?Die Preise des so Verpflichteten wurden noch nie in dessen freie Disposition gestellt, sondern immer - mehr oder weniger - reglementiert.
So gibt es auch bei Freiberuflern zumindet die
Gebührenrahmen, etwa für Ärzte nach der GOÄ. Das Ermessen hinsichtlich der Ausschöpfung des Gebührenrahmens bei der Liquidation durch den Arzt gegenüber dem Privatpatienten unterliegt selbstverständlich der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB. Und das bei freier Arztwahl !
Apothekenpreise und die Preise des kontrahierungspflichtigen Postdienstleisters mögen weitere Beispiele geben.
Auf eine Angewiesenheitslage oder eine Monopolstellung kommt es für die Frage der Anwendbarkeit des § 315 BGB überhaupt nicht an. Das ist auch nur ein wohl gepflegter Irrtum, spielt jedoch für die Frage des Bedürnisses nach Preiskontrolle auch kein Rolle.
Warum also sollte es allein im Energiebereich gänzlich anders sein als in anderen Bereichen der Daseinsvorsorge und des Kontrahierungszwanges?
Eine Antwort darauf ist man schuldig geblieben.
Man beruft sich immer nur auf einen Wettbewerb, der herrschen sollte.
Ein Imperativ, der noch keine Wirklichkeit schafft.
Auf die Frage, ob Wettbewerb vorhanden und dieser wirksam ist, kommt es dabei auch nicht an.
Auch der ÖPNV unterliegt selbstredend einem scharfen Substitutionswettbewerb. In einer Stadt kann man sich auch das Taxi zur Beförderung frei wählen. Gleichwohl sind die Preise desjenigen, der eine entsprechende Konzession inne hat, behördlich reguliert.
Warum eigentlich?Möglicherweise bedarf es also doch vertiefter Überlegungen und keiner vorschnellen Ereiferungen.
Ebenso ein schönes Wochenende !
Freundliche Grüße
aus Jena
Thomas Fricke
Rechtsanwalt