Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: \"Sicherheitszuschlag\" ?  (Gelesen 3799 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
\"Sicherheitszuschlag\" ?
« am: 29. Juli 2006, 17:22:27 »
Ein einseitig bestimmtes Entgelt ist für den anderen nur verbindlich, wenn es der Billigkeit entspricht.

Der Zahlungspflichtige kann dabei  die Unbilligkeit rügen und sich auf die Unverbindlichkeit gem. § 315 BGB berufen.


Weist das EVU die Billigkeit erst im Prozess nachvollziehbar und prüffähg nach, beseht dann noch die Möglichkeit des sofortigen Anerkenntnisses mit der Folge der Kostentragungspflicht des Klägers.

Kann das Gericht nicht feststellen, ob der Preis der Billigkeit entspricht, wird eine Zahlungsklage abgewiesen.

Allenfalls kann das EVU noch beantragen, einen billigen Preis zu bestimmen.

Die Bestimmung durch das Gericht kann nur erfolgen, wenn es alle zur Bestimmung des billigen Entgelts maßgeblichen Tatsachen kennt.

Dieser neu bestimmte, niedrigere Preis wird jedoch erst mit der Rechtskraft des Gestaltungsurteils fällig, so dass man sich dann nicht im Verzug befand und deshalb keine Kosten zu tragen hat.

Wenn man die Unbilligkeit gegen den einseitig bestimmten  Gesamtpreis einwendet und die Preise August 2004 fortan unter Vorbehalt zahlt, sollte dies die Unsicherheiten beseitigen.

Mit der Fälligkeit verhält es sich so ähnlich wie mit einer Schwangerschaft:

Eine teilweise Fälligkeit gibt es nicht.

Dem Bestimmungsgegner wird ja gerade auch nicht zugemutet, selbst einen billigen Preis zu bestimmen.

Es ist deshalb unsinnig, einen Sicherheitszuschlag zuzugestehen.

Man sollte indes die einbehaltenen Beträge sicherheitshalber auf dem Konto beiseite legen.



Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline gasol

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 11
  • Karma: +0/-0
\"Sicherheitszuschlag\" ?
« Antwort #1 am: 31. Juli 2006, 00:25:19 »
Herr Fricke,

aber ist es nicht so, dass wir Preisverweigerer durch unser Verweigerungsverhalten gerade die Veranlassung zur Klage geben würden.

Oder ist das alles ganz anders?

Mit freundlichem Gruß,

gasol

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
\"Sicherheitszuschlag\" ?
« Antwort #2 am: 31. Juli 2006, 11:19:58 »
@gasol

Der Versorger muss doch sowieso klagen, wenn er an das Geld gelangen will.

Der Anlass für eine Klage fällt doch nicht deshalb weg, weil man etwa einen Sicherheitszuschlag zugesteht.

Davon zu unterscheiden ist Frage der Veranlassung einer Klage im Sinne der Vorschriften über ein sofortiges Anerkenntnis bei erstmaligem Nachweis der Angemessenheit der einseitig bestimmten Preise erst im Prozess.

Aus Sicht des Versorgers ist die Forderung nicht vollständig ausgeglichen, unabhängig davon, ob Fälligkeit vorliegt oder nicht.

Der Versorger kann und wird also klagen, wenn ihm danach ist.

Nur ist den Versorgern ersichtlich bisher nicht danach und es sieht auch nicht so aus, als wenn sich daran absehbar etwas ändert.

Diese Frage beurteilt sich jedoch nicht danach, ob ein Sicherheitszuschlag zugestanden wurde.


Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline gasol

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 11
  • Karma: +0/-0
\"Sicherheitszuschlag\" ?
« Antwort #3 am: 31. Juli 2006, 19:36:34 »
Herr Fricke,

soweit verstanden.

Ich wollte nchmal auf das "Sofortanerkenntnis" gem. §93 ZPO zu sprechen kommen.

Geht hierbei ein Beklagter tatsächlich kostenfrei aus, wenn er die gutachterlich bzw. gerichtlich festgestellte Billigkeit des Preises sofort anerkennt?

Oder greift da etwa §91a ZPO, dass dann der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt wird, und dann doch Gerichtskosten auf den Beklagten zukommen?

Mit freundlichem Gruß

gasol

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
\"Sicherheitszuschlag\" ?
« Antwort #4 am: 31. Juli 2006, 19:51:49 »
@gasol

Beide Fragen sind eindeutig zu verneinen.

Zur letzteren:

Von einer Erledigung spricht man, wenn nach Erhebung der Zahlungsklage, jedoch vor Erlass eines Urteils durch den Beklagten Zahlungen auf die Klageforderung geleistet werden.

Dann kann er wegen der bereits eingetretenen Erfüllung nicht mehr verurteilt werden, die ursprüngliche Klage wird dadurch unbegründet und müsste insoweit ohne eine Erledigungserklärung in jedem Falle insoweit  abgewiesen werden.

Das ist etwas gründsätzlich anderes.


Zu § 93 ZPO bitte den Verweisen zur BGH- Rechtsprechung in Energiedepesche Sonderheft und WuM 2005, 547 ff. folgen.

Es darf nicht erst dazu kommen, dass das Gericht die Billigkeit feststellt (Urteil) oder etwa eine Beweisaufnahme stattfindet (Sachverständigengutachten).

Es ist vielmals erforderlich, dass der Kunde vorprozessual Nachweise gefordert hatte und  dass anhand der Prozessunterlagen des Versorgers erstmals nachvollziehbar und prüffähig die Erforderlichkeit und Angemessenheit der Preise hervorgeht und man noch unmittelbar nach Erhalt dieser Unterlagen (die auch Grundlage auch eines Sachverständigengutachtens wären) mit einem Schriftsatz die Klageforderung "sofort" anerkennt, also dann, wenn man die Berechtigung der Preisforderung erstmals nachvollziehbar selbst prüfen und erkennen kann.

Nach LG Mönchengladbach, RdE 2006, 170 muss der Gasversorger schon vor einem Prozess seine Kalkulationsunterlagen offen legen.


Macht er es nicht und verweigert der Kunde, der nachvollziehbare und prüffähige Nachweise gefordert hatte,  deshalb nach Unbilligkeitseinwand die Zahlung, so hatte der Kunde, der zur Überlassung von Nachweisen aufgefordert hatte, keine Veranlassung zur Klage gegeben.

In einem solchen Fall, in dem diese Voraussetzungen zusammentreffen, hat nach der BGH- Rechtsprechung der Kläger die Verfahrenskosten zu tragen.

Diese Konstallation ist jedoch selbst vielen Kollegen nicht bekannt und ich hatte diese ersichtlich (WuM 2005, 547 ff.) in den  Zusammenhang mit Energiepreisklagen gestellt, was einigen in der Branche sicherlich Nerven gekostet haben kann....

Man kann dabei ziemlich viel falsch machen, weil sich immer die Frage stellt, wann denn nun der Zeitpunkt schon gekommen ist, in dem noch "sofort" anerkannt werden muss.

Man darf diese Erklärung eben nicht zu spät abgeben.

Man sollte sich diese von Anfang an vorbehalten, was die Erörterung des rechtlichen Hintergrundes erfordert.

Möglicherweise bestehen dazu immer noch Missverständnisse, wie allein dieser Beitrag deutlich aufzeigt.

Es ist an dieser Stelle jedoch nicht möglich, ein ZPO- Seminar zu veranstalten.

Da muss man sich schon im Falle eines Falles auf seinen Anwalt verlassen.
 

Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

 

Bund der Energieverbraucher e.V. | Impressum & Datenschutz