Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Überhöhte Stromrechnung ohne Ausicht auf Einigung  (Gelesen 7231 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline HHeinz

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 37
  • Karma: +0/-0
Überhöhte Stromrechnung ohne Ausicht auf Einigung
« am: 13. Mai 2006, 13:58:02 »
Hallo,
ich wohne seit mehreren Jahren in einer 2 Zi Wohnung in München mit Zentralheizung, 2 Tarifzähler, Gasherd und Elektroboiler über Nachtstrom.
Normalerweise verbrauche ich über Jahre hinweg max. 1500 kw/h im Tagtarif pro Jahr.
Im November habe ich selber die Jahresablesung (vorher wurde aber immer abgelesen) vorgenommen und der Zähler hat diesmal einen Jahresverbrauch von 11.000 kw/h im Tagtarif ausgewiesen.
Der Nachttarif wies keine Unregelmäßigkeiten auf. Insgesamt kommen pro Jahr max. 4500 kw/h zusammen, dieses Mal waren es dann 14.000 kw/h.
Der Zähler hat kurz vor der Ablesung einen 10.000er Sprung vorgenommen (Endstand 60134). Ich habe seitens der Stadtwerke die Vermutung geäußert das der HT Tarif evtl. von 49999 direkt auf 60000 gesprungen ist.
Der Verbrauch laut Rechnung entspricht einer Dauerlast von 2,2 kw/h im Tagstrombereich. Mein stärkster Verbraucher ist ein 1,5 l Wasserkocher mit 3000 Watt (ich trinke gerne Instantkaffee), ansonsten laufen nur Fernseher Laptop und Kühlschrank dauernd bzw. häufig.    
Eine Zählerüberprüfung wurde in der Zwischenzeit durchgeführt, leider ohne Befund. Allerdings hat man meinem Wunsch bei der Überprüfung anwesend zu sein nicht entsprochen (das konnte man ankreuzen) und das Prüfprotokoll weist auch nur eine Differenz von 2 kw/h aus. Die prinzipielle Messgenauigkeit habe ich aber nie angezweifelt.
Ich habe im Sommer 2005 zufällig den Stromverbrauch überprüft und konnte keine Unregelmäßigkeiten feststellen allerdings habe ich darüber keine Unterlagen vorliegen (war ja alles i.O.). Es ging mir damals nur um den Verbrauch durch den Tausch eines PC gegen ein Laptop im Dez. 2004.
Ich hatte eigentlich mit einer Erstattung gerechnet. Illegale Stromentnahme kann ich, sofern möglich, ausschließen. Die Stromzähler sind im Keller. Ironischerweise wurde beim Ausbau des Zählers ein Nachbarzähler wegen Defektes spontan getauscht. Der von mir beanstandete Zähler war 1 Jahr älter wie ich ( Baujahr 1970). Der Verbrauch seit Ablesung durch mich bis zum Tausch im März 2006 war normal und im üblichen Rahmen.
Auch der neue Zähler ermittelt Werte im normalen Rahmen d.h. hochgerechnet derzeit 100 kw/h pro Monat im Tagtarif.
Was mich stört ist das es keine Handhabe zu geben scheint. Während im Bereich der Telekommunikation inzwischen weitgehend Beweislastumkehr herrscht soll ich den inzwischen privatisierten Stadtwerken München nachweisen das ich den Verbrauch nicht verursacht habe.
Meine Heizung hat nicht einmal eine Messeinrichtung. Ich kann heizen wie blöd und die Kosten werden auf alle Mieter umgelegt (hab ich unterschreiben müssen das ich dagegen nicht vorgehe). Ich hätte also wenig davon wenn ich z.B. Heizstrahler betreiben würde.
Dabei habe ich seit meiner Reklamation im November schon einmal 4 Monate gewartet bis ich überhaupt eine Stellungnahme erhalten habe.
Außer einer Ratenzahlung wurde mir kein Angebot gemacht außer das ich schriftlich eine Bestätigung habe das der Verbrauch auch seitens der Stadtwerke als zumindest ungewöhnlich erachtet wird.
Wer bezahlt schon gerne 2200 Euro für etwas das er glaubt nicht verursacht zu haben.
Die Stadtwerke selber sind dank Callcenter System auch nicht zu konkreten Aussagen fähig.
Gegen die Befundprüfung habe ich Einspruch eingelegt. Die Rechnung habe ich bisher nicht bezahlen müssen aber außer einer Mahnsperre konnte bisher keine Einigung erzielt werden.
Das ganze zieht sich schon 6 Monate hin. Ich bin mit den Nerven runter und habe schon oft überlegt einfach zu bezahlen aber eigentlich geht mir das gegen den Strich.
Vielleicht hat jemand schon einmal ähnliches erlebt, vielleicht kennt jemand einen Anwalt.

Offline Cremer

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 5.185
  • Karma: +2/-0
  • Geschlecht: Männlich
    • http://www.cremer-kreuznach.de
Überhöhte Stromrechnung ohne Ausicht auf Einigung
« Antwort #1 am: 13. Mai 2006, 22:49:24 »
@HHeinz,


Sie haben Widserspruch nach §  30 Abs 1 der AVBeltV eingelegt.

Nehmen Sie die Rechnungen aus den vergangenen Jahren und teilen Sie dies der SWM mit, dass sich hierüber ein mittlerer Jahresbezug von etwa 4500 Kwh zusammen kommen.

Weisen Sie auf den § 18 "Berechnungsfehler" der neuen StromGVV hin. Diese wurde am 2.5.06 in den Bundesrat zwecks Zustimmung eingebracht.
MFG
Gerd Cremer
BIFEP e.V.

info@bifep-kh.de
www.bifep-kh.de
gerd@cremer-kreuznach.de

Offline HHeinz

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 37
  • Karma: +0/-0
Überhöhte Stromrechnung ohne Ausicht auf Einigung
« Antwort #2 am: 14. Mai 2006, 10:54:38 »
Vielen Dank für die Tipps. Einiges habe ich schon ausgeschöpft (u.a. die Vorjahresvergleiche). Die neue StromGVV schaue ich mir gleich an.
Trotzdem befürchte ich, daß die Zeit des Säbelrasselns vorbei ist und es nun Ernst wird.
Ich habe leider trotz intensiver Recherche keine Urteile über ähnlich gelagerte Fälle gefunden und andere Forenbeiträge sind nicht sehr ermutigend ("Wenn der Zähler das ausweist müssen Sie zahlen").
Naja die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Ich wünsche eine schönes Woche und nochmals Danke
Gruß

Henning

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Überhöhte Stromrechnung ohne Ausicht auf Einigung
« Antwort #3 am: 15. Mai 2006, 20:49:03 »
@HHeinz

§ 18 StromGVV hilft nicht, wenn die durchgeführte  Befundprüfung ergab, dass der Zähler innerhalb der Verkehrsfehlergrenzen anzeigte und auch im übrigen i.O. war.

Dann ist davon auszugehen, dass der angezeigte Verbrauch auch abgenommen wurde. Wofür der Strom verbraucht wurde, ist schlussendlich vollkommen egal....

Der Versorger hat nun einmal nichts anderes als den Zähler, der den Verbrauch erfasst. er kann auch nicht wissen, wann und wofür der angezeigte Verbrauch verwendet wurde.

Es ist also vollkommen irrelevant, ob einem der etwa der Hang zum Instandkaffee zum Verhängnis gereicht.

Möglicherweise war ja der Endzählerstand auch korrekt abgelesen, aber der der Rechnung zugrunde gelegte Anfangszählerstand stimmte nicht, weil in den vorherigen Rechnungen immer zu niedrige Zählerstände ausgewiesen und abgerechnet wurden.

Möglicherweise wurde bei früheren Ablesungen die Kommastelle falsch berücksichtigt und nun auf einmal richtig, bzw. andersrum.

Dann wäre in früheren Perioden ggf. schlicht zu wenig abgerechnet worden.

Man sollte auch überlegen, welcher Verbrauch denn für den Rechnungsbetrag auf dem einen Zähler täglich hätte anfallen müssen und ob ein solcher  Verbrauch aufgrund des Anschlusses und der Absicherung überhaupt möglich wäre. Da kann ggf. ein Elektromeister weiterhelfen.

Und gegen die Preise an sich gibt es ja auch nicht etwa etwas einzuwenden (?!).


Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline HHeinz

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 37
  • Karma: +0/-0
Überhöhte Stromrechnung ohne Ausicht auf Einigung
« Antwort #4 am: 22. Mai 2006, 18:03:49 »
Lieber Herr Fricke,
vielen Dank für die ausführliche Antwort.
Ich kann ausschließen das der Zählerstand in den Vorjahren nicht korrekt abgelesen wurde da ich diesen selber immer kontrolliert habe.
Der ausgewiesene Verbrauch auf dem Zähler ist theoretisch möglich (Durchschnittsverbrauch ca. 2,2 kW/h) allerdings nur mutwillig. Waschmaschine und/oder Wasserkocher hätte ich dann nicht mehr betreiben können da dann die Sicherung geflogen wäre. Ich lebe auch nicht alleine in meinem Haushalt (Frau und Kind). Das wäre also sicher aufgefallen.
Der Verbrauch ist mit krimineller Energie aber zu erreichen, z.B. indem man den extra abgesicherten Stromkreis vom 100 Liter Boiler verwendet (Ich habe 3 abgesicherte Stromkreisläufe).
Das der Versorger so einfach davonkommt weil er "nur den Zähler" hat finde ich etwas zu einfach. Mein neuer Zähler läßt sich erschreckenderweise schon durch einen einfachen Schlag mit der flachen Hand aus dem Gleichgewicht bringen. Ich habe dieses Experiment aus verständlichen Gründen nicht vertieft aber es hat mehr als deutlich gewackelt als ich dem neuen Gerät nach einer Kontrollablesung meinerseits einen kleinen Verzweiflungsklapps mitgegeben habe. Kein Vergleich z.B. mit einem Zählwerk in einem KFZ.
Gegen die Preise kann ich an sich nicht sagen denn die Stadtwerke München berechnen den niedrigsten Preis gegenüber allen Mitbewerbern (sofern man denn von Wettbewerb sprechen kann denn die Durchleitungsgebühren sind sehr hoch). Da der Anbieter sich in kommunaler Hand befindet wird er die vorhandenen Preise/Kosten aber zur Not auch anders realisieren können. Zur Not steigt der ÖPNV oder die Eintrittsgebühren für die Freibäder etc.
Für meinen Fall wäre ein zusätzlicher Einspruch sicherlich nicht lösungsfindend denn sowie ich das verstanden habe geht ohne Entgegenkommen der SWM leider gar nichts.
Aber natürlich habe ich mir vorgenommen mich in dieser Materie zukünftig mehr zu engagieren.
Mit freundlichen Grüßen aus München

Henning Heinz

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Überhöhte Stromrechnung ohne Ausicht auf Einigung
« Antwort #5 am: 22. Mai 2006, 18:25:37 »
@HHeinz

Wenn man die Unbilligkeit gegen die geforderten Tarife einwendet, sind diese für den Kunden nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entsprechen.

Das Versorgungsunternehmen hat die Billigkeit nachzuweisen, trägt die vollständige Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit.

Bis zum Nachweis ist die Forderung unverbindlich, vgl. nur BGH, Urt. v. 05.07.2005 - X ZR 60/04 und X ZR 99/04, BGH, Urt. v. 15.02.2006 - VIII ZR 138/05.

Wenn man jedoch keinen Zweifel daran hat, dass die geforderten Tarife der Billigkeit entsprechen, sollte man alle geforderten Tarife zahlen.

Zweifel daran  ergeben sich wohl dann nicht, wenn man Quersubventionen für den ÖPNV, Sportsponsoring u.a. unnötig kostentreibende Aktivitäten, wie auch überteuerte Netzentgelte und Vorlieferantenpreise,  die mit einer möglichst preisgünstigen  Energieversorgung gem. §§ 1, 2 EnWG unvereinbar sind, sicher ausschließen kann und die Tarife zudem im bundesweiten Preisvergleich (etwa www.verivox.de ) auch zu den günstigsten überhaupt gehören.

Wenn Zweifel an der Billigkeit bleiben, hat man gute Aussichten auf eine Einigung:

http://www.energienetz.de/index.php?itid=352&search_artikel_id=352

Für die Billigkeitskontrolle reicht es aus, dass der Versorger gem. § 4 Abs. 1 AVBV die jeweils geltenden Allgemeinen Tarife verlangt, die er gemäß § 4 Abs. 2 AVBV immer wieder insgesamt einseitig (neu) bestimmt (vgl. BGH, Urt. v. 18.10.2005 - KZR 36/04 = NJW 2006, 684 ff.).

Auf eine Monopolstellung, Leistungen der Daseinsvorsorge und eine Angewiesenheitslage soll es dabei nach der neuen Tarife- und Preislisten- Rechtsprechung des BGH gar nicht mehr ankommen, wenn es sich um eine dynamische Verweisung auf jeweils geltende Tarife handelt (vgl. auch Markert, RdE 2006, 88 ff. und RdE 2006, 138 ff.)



Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline alx

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 76
  • Karma: +0/-0
    • http://www.e-r-n-a.de
Überhöhte Stromrechnung ohne Ausicht auf Einigung
« Antwort #6 am: 22. Mai 2006, 22:47:45 »
also ein Zweifel ist eigentlich nie verkehrt!!   :wink:
E.R.N.A. - Energie-Rebellen Neckar-Alb
www.E-R-N-A.de

Offline HHeinz

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 37
  • Karma: +0/-0
Überhöhte Stromrechnung ohne Ausicht auf Einigung
« Antwort #7 am: 03. Juni 2006, 22:34:12 »
Hallo,

ich habe heute von den SWM eine neue Rechnung erhalten. Diese weist die strittigen 10.000 kw/h nicht mehr auf.
Sehr geholfen hat mir dabei das Engagement von Stadtrat Marian Offman und seine Webseite www.stadtwerke-beschwerden.de. Aber er steht ja auch in Verbindung mit dem Bund der Energieverbraucher e. V.
Trotzdem bin ich mit dem Umstand das einem Zähler uneingeschränkt vertraut wird nicht ganz glücklich.
Die am Ende getroffene Entscheidung der Stadtwerke war eine reine Kulanzlösung. Ich bin damit sehr zufrieden allerdings habe ich in über 6 Monaten Kampf viel Zeit und Energie geopfert.
Ich habe mir vorgenommen in diesem Thema engagiert zu bleiben.

 

Bund der Energieverbraucher e.V. | Impressum & Datenschutz