@Sukram
"Denkst Du, die Russen wollen Krieg?", ein Gedicht, das wir in der Schule zu lernen hatten.
Wenn man sich die Differenz zwischen Grenzübergangspreisen und den Endverbraucherpreisen vergegenwärtigt, wird wohl klar, wo die eigentliche Wertschöpfung stattfinden muss.
Diese weckt Begehrlichkeiten.
Gazprom ist seit langem daran interessiert, daran teilzuhaben:
In Folge der Auflagen für die Ministererlaubnis hatte sich Ruhrgas von der Beteiligung an der Leipziger VNG zu trennen.
Gazprom hatte Interesse an dieser, EWE machte jedoch das Rennen:
http://www.boersen-zeitung.com/online/redaktion/aktuell/vollansicht_st.php?artikelID=52_246_108_26_22_216_222_52_Gazprom strebt eine höhere Beteiligung an E.ON Ruhrgas an, blitzte damit jedoch bisher ab:
http://www.stock-world.de/news/article.m?news_id=2052264Schlussendlich will sich Gazprom an deutschen Stadtwerken beteiligen:
http://www.welt.de/data/2006/01/07/828018.htmlDie Ministererlaubnis zur Fusion E.ON Ruhrgas gründet auch auf einem Gutachten des ifo- Instituts.
Demnach sei die Fusion volkswirtschaftlich vorteilhaft, weil verschiedene Handels- und Wertschöpfungsstufen unter einem Dach vereinigt werden, was sinkende Preise erwarten ließe.....
Argument war dabei der sog.
doppelte Preisaufschlag (double marginalization), einem Problem, dem mit vertikaler Integration begegnet werden könne.
Zum Hintergrund vgl. etwa hier:
http://www.vwl.uni-muenchen.de/ls_schnitzer/download/Wettbewerbstheorie/WS0506/Vorlesung_02_Monopol.pdfDie Allgemeine Wohlfahrt würde nach dieser Theorie profitieren, wenn es durch vertikale Integration zur Verringerung von Handelsstufen kommt.
http://www.cesifo-group.de/portal/page?_pageid=36,34661&_dad=portal&_schema=PORTAL&item_link=proj-sb-eon-ruhrgas.htm(Die E.ON Ruhrgas- Fusion hat entsprechendes offensichtlich nicht bewirkt. Es ist eben eine Theorie. E.ON hat nicht die Zwischenmargen verringert, sondern das für den Konzern bewährte System fortgesetzt. E.ON ist eben
homo oeconomicus und verzichtet nicht freiwillig und aus Gründen der allgemeinen Wohlfahrt auf Marge und Gewinn. Vollkommen legitim. Das hätte sich indes auch Prof. Sinn bei seinem Gutachten denken können. Prof. Sinn ist nun Aufsichtsrat bei der E.ON Ruhrgas- Tochter thüga, welche an über 100 Stadtwerken beteiligt ist, welche wohl nichts von grundlegenden Veränderungen seit der Fusion erfahren haben:
http://www.thuega.de/index.php?id=104 . In dem ifo-Gutachten sind insoweit insbesondere auch die Ausführungen auf Seite 37 interessant:
http://www.cesifo-group.de/link/fober-eon-text.PDF )
In diesem Sinne könnte es auch sinnvoll sein, wenn der Importeur vertikal integriert auch Endkunden beliefert.
Das könnte auch Gazprom leisten und möchte es wohl auch.
Es ist nicht ersichtlich, weshalb es beim derzeitigen System bleiben sollte, bei dem viele Zwischenhändler jeweils "eine Schippe auflegen".
Beispiel Ostdeutschland:
Gazprom liefert an VNG Leipzig.
Die generiert eine eigene Marge und verkauft das Gas an die EVG Erdgasversorgung Thüringen- Sachsen GmbH, an welcher VNG zu 50 Prozent beteiligt ist.
EVG generiert eine eigene Marge, an welcher VNG als Mitgesellschafter partizipiert.
Die weiteren 50 Prozent an der EVG hält E.ON Ruhrgas.
EVG liefert das Gas sodann an die Regionalversorger, etwa E.ON Thüringen.
Auch dort wird wiederum eine Marge generiert, an welcher der E.ON - Konzern partizipiert.
EVG liefert aber auch an die Stadtwerke Jena- Pößneck GmbH.
Auch diese generiert eine eigene Marge, angeblich ausschließlich zum Frommen der Bürger der Stadt....
Tatsächlich sind an den Stadtwerken zu 10 Prozent die EVG beteiligt, die nochmals an der letzten Marge partizipiert, ebenso E.ON Thüringen zu 10 Prozent und nochmals STEAG Saar Fernwärme zu 10 Prozent (über STEAG, RAG mittelbar zum E.On- Konzern gehörend).
Die Marge bleibt also nicht allein bei den Bürgern.
An diesem Beispiel wird deutlich, dass VNG vom Import bis zum Endverkauf jeweils an den Margen der Zwischenhändler in der weiteren Kette partizipiert.
Kein unattraktives Geschäftsmodell, zumal wenn der Markt festgefügt und abgeschottet ist.
Gazprom will nun wohl als vertikal integriertes Unternehmen die Zwischenhändler überflüssig machen, wodurch das Bedürfnis nach doppeltem Preisaufschlag entfällt, die Endpreise sinken und gleichwohl beim verbleibenden Händler eine höhere Marge anfällt.
Wer wollte den Russen dieses legitime wirtschaftliche Interesse verübeln.
Schließlich könnten sie selbst als vertikal integrierter, Endkunden beliefernder Händler ein besseres Geschäft mit dem selbst geförderten Gas machen.
Das ist in Deutschland nicht anders als sonst in Europa.
Man sollte also nicht aus dem Blick lassen, dass ggf. deutsche Unternehmen ein Interesse daran haben, Gazprom als Buhmann darzustellen, um eigene, gewachsene Pfründe zu verteidigen.
Die Abhängigkeit von russischem Gas bleibt dabei, egal wer dieses Gas schlussendlich importiert und endverteilt.
Und hat nicht auch die deutsche Gaswirtschaft vor allem zu Beginn des Preisprotestes den Kunden ihre vermeintlichen Instrumente (Liefereinstellung) gezeigt, um ihre wirtschaftlichen Interessen gegenüber den Verbrauchern durchzusetzen?
Das "Zeigen der Instrumente" gehört zum Geschäft.
Insbesondere wohl auch für E.ON Ruhrgas, deren Vorstandsmitglied Pfingsten wohl auch schon Stadtwerken einen Einstieg in die Endkundenbelieferung durch E.ON- Regionalgesellschaften für den Fall in Aussicht stellte, dass Stadtwerke ihren Bezug bei E.ON Ruhrgas beenden, nachzulesen in der ZfK:
E.ON Ruhrgas \"Vertriebspartnerschaften\"Warum sollte ausgerechnet Gazprom darauf verzichten, ebenso seine Instrumente zu zeigen, um wirtschaftliche Interessen durchzusetzen?
Natürlich interessieren sich auch andere für russisches Erdgas. Und natürlich könnte Gazprom auch mit diesen gute Geschäfte machen. Auch das ist Wettbewerb, weil die Importeure wohl nicht die Gasfelder, sondern nur das Gas gekauft haben.
Dies bedeutet jedoch wohl nicht, dass bestehende, langfristige Verträge nicht eingehalten werden. Immerhin müsste sich der entsprechende anderweitige Absatz auch lohnen, was nur dann der Fall ist, wenn Gazprom andernorts
verlässlich und
langfristig die selben oder bessere Erlöse erzielen könnte.
Schlussendlich eine Frage des Preises, der bekanntlich für die Lieferungen nach Westeuropa bereits besonders hoch liegt.
Zudem ist spätestens seit Chrutschows berühmten Auftritt in der UNO bekannt, dass Diplomatie nicht unbedingt jedermanns Sache ist.
Imagine:Tatsächlich könnte man fragen, wie es wäre, wenn sich die derzeitigen Monopolisten auf den regulierten, weiter monopolistischen Netzbetrieb ggf. auch Speicherdienstleistungen zurück ziehen würden, und das angeblich ohnehin allein preisbestimmende Oligopol der wenigen ausländischen Erdgasproduzenten sogleich den kompletten Handel bis zum Endkunden übernähme.
Folgt man der Expertise des ifo- Instituts, sollte es dadurch wohl weit billiger werden.
Deutsche Händler, die das Gas erst teuer und mit eigenem Preisaufschlag aus dem Ausland beschaffen, braucht es dann nicht.
Das schafft eine höhere Konsumentenrendite und schafft wegen besserer Kaufkraft und Binnenkonjunktur auch Arbeitsplätze.
Alles wohl nachzulesen im o. g. sinnigen ifo- Gutachten, wenn man den Auftraggeber E.ON schlicht durch Gazprom & Co. ersetzt.
Der Markt kennt keinen Patriotismus....
Das zeigt sich auch daran, dass die Gewinne der Konzerne nicht in Deutschland reinvestiert werden, sondern Finanzinvestitionen weltweit erfolgen.
Ist nicht gerade "einer von uns, der weiß, wo er herkommt und wo er hingehört" (Träne im Knopfloch) nach Moskau gegangen....
Wenn E.ON & Co. global denken, dann kann und muss es auch den Kunden mit WeitBlick egal sein, von welchem global agierendem Konzern die Energie geliefert wird, wenn es nur billiger ist als im bisherigen System, in welchem wohl zu viele die Hand (gleich mehrfach hintereinander) aufhalten.
Denn auch für die Verbraucher geht es nicht um die Wohlfahrt nationaler Champions, sondern um die allgemeine Wohlfahrt der Gesellschaft.
In diesem Sinne ist der Protektionismus, den E.ON in Spanien kritisiert, wohl auch gegenüber Gazprom & Co. in Deutschland vollkommen fehl am Platze.
Die Welt zu Gast bei Freunden.
Menschen brauchen Wärme, Erdgas aus Russland, Norwegen und den Niederlanden etc., ohne teuren Ruhrgas - Zwischenhandel.
Direkt vom Erzeuger, da weiß man, wo es herkommt.
Wie gesagt:
Imagine.
Unsere teuren Konzerne mit ihrer vielen Imagewerbung betreiben allenfalls noch die Netze, soweit nicht verstaatlicht bzw. eigentumsrechtlich abgespalten, mit ihren Handelsaktivitäten haben sie sich dahin verzogen, wohin sie bisher global investierten.
Große, international erfahrene Player versorgen uns gleichwohl sicher, ggf. preiswerter mit Erdgas, denn wir sind ihre direkten Kunden und als solche schätzen sie uns.
Die Vertriebsgesellschaften der Gazprom und Co. buhlen um die Kundschaft und treten gegeneinander in Wettbewerb um die Endkunden in Deutschland.
Bunte Vielfalt:
Dong, Statoil, Gazprom, BP, ExxonMobile, Shell ...
statt eintöniger roter Beflaggung.
Die Stadtwerke- Vertreter reisen guten Gewissens in der Welt herum zu Verhandlungen mit den Lieferanten. Der Gasbezug wird europaweit ausgeschrieben.
Jedenfalls entfällt der offensichtlich (zu) teure inländische Zwischenhandel.
Bisher hat der mehr als doppelte Preisaufschlag in der gesamten Lieferkette wohl die selbe Folge wie hohe Netzverluste.
Die nachteiligen Effekte sind wohl vergleichbar mit hohen Leitungsverlusten in maroden Wasserleitungen....
Freundliche Grüße
aus Jena
Thomas Fricke
Rechtsanwalt