Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Ist §1,2 EnWG ein besserer Hebel als §315 BGB ?
UweHobohm:
@Cremer
Lassen wir uns die beiden Paragraphen mal auf der Zunge zergehen (gekürzt):
\"§1 Zweck des Gesetzes ist eine möglichst ... preisgünstige, verbraucherfreundliche ... Versorgung ... mit Gas.
§2 Aufgaben der Energieversorgungsunternehmen: Energieversorgungsunternehmen sind im Rahmen der Vorschriften dieses Gesetzes zu einer Versorgung im Sinne §1 verpflichtet.\"
Da auch §1 zu den \"Vorschriften dieses Gesetzes\" gehört, lese ich aus der Kombination $1 und §2 - wenn auch mit einer gewissen Selbstbezüglichkeit - die Verpflichtung zur preisgünstigen Versorgung heraus.
Der Gesetzgeber hat in diesem Gesetz nicht definiert, was \"preisgünstig\" genau bedeutet. Möglicherweise war eine schärfere Formulierung gegen die Lobbygruppen nicht möglich, oder man hat sich diese Arbeit schlicht erspart, um sie den Gerichten zu überlassen. Preisgünstig klingt auf den ersten Blick unscharf, doch man kann das Gegenteil schon gut beschreiben. Eine Versorgung kann kaum preisgünstig sein, wenn die Eigenkapitalrendite über 20% liegt anstatt den von der Verbändevereinbarung empfohlenenen 7,8%, wenn die Netzpreise irreal sind (siehe Beispielrechnung unter http://bioinfo.tg.fh-giessen.de/energieprotest ) und wenn die Gaspreise - in unserem Fall - zu den höchsten in Deutschland gehören. Die Versorgung ist sicher nicht verbraucherfreundlich, wenn dem Verbraucher Einsicht in das Zustandekommen des Gaspreises verwehrt wird (laut §6 EnWG sind die Versorger zur Transparenz verpflichtet).
Da aber juristische Hirne anders arbeiten als die eines Naturwissenschaftlers: möglicherweise kann sich ja mal ein Jurist hierzu äussern ?
RR-E-ft:
@UweHobohm
Die Gehirne funktionieren (hoffentlich) genauso, kommen nur wegen unterschiedlicher Methoden oft zu anderen Ergebnissen.
Wenn man den Gesamtpreis als unbillig rügt, so werden vom BGH als Auslegungsmaßstab dessen, was der Billigkeit im Sinne des § 315 BGB entspricht, gerade die Vorschriften §§ 1, 2 EnWG herangezogen.
Dabei hatte der BGH schon in dem Urteil NJW-RR 1992, 183, 185 herausgestellt, dass \"preisgwürdige\" Versorgung (seinerzeit Ziel der Preiswürdigkeit nur in der Präambel des EnWG 1938) als \"so billig wie möglich\" zu verstehen ist, was eine Gewinnbeschränkung auf ein \"angemessenes Maß\" erfordertet.
Das entsprechende Strompreisurteil können Sie hier nachlesen:
http://www.energieverbraucher.de/index.php?pre_cat_open=2&id=131&subid=1617&subsubid=1653&
Alle anderen Urteile knüpfen (zutreffend) daran an:
http://www.energieverbraucher.de/index.php?pre_cat_open=2&id=131&subid=1617&subsubid=1638&
http://www.energieverbraucher.de/index.php?pre_cat_open=2&id=131&subid=1617&subsubid=1670&
Mithin steht nicht die Frage § 315 BGB oder §§ 1, 2 EnWG.
Vielmehr sind diese immer zusammen zu sehen.
Das verkennt das LG Heilbronn, wenn es ausführt, die Vorschriften des EnWG schlössen § 315 BGB nicht aus....
Nunmehr steht die Preiswürdigkeit nicht nur als Lyrik in der Präambel zum Gesetz, sondern es gibt eine gesetzliche Verpflichtung zu preisgünstiger Versorgung. Dies spielte auch bereits in dem Lichtblick-Urteil vom 18.10.2005 - KZR 36/04 eine entsprechende Rolle:
http://www.energieverbraucher.de/index.php?pre_cat_open=2&id=131&subid=1617&subsubid=1619&
Freundliche Grüße
aus Jena
Thomas Fricke
Rechtsanwalt
UweHobohm:
@ThomasFricke
Herzlichen Dank für diese sachkundige Auskunft !
Beste Grüsse aus Kandern
Uwe Hobohm
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