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Autor Thema: Ist §1,2 EnWG ein besserer Hebel als §315 BGB ?  (Gelesen 4731 mal)

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Offline UweHobohm

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Ist §1,2 EnWG ein besserer Hebel als §315 BGB ?
« am: 25. Februar 2006, 22:15:44 »
Die mir bekannten Klagen gegen Gasversorger berufen sich auf §315 BGB und richten sich gegen einzelne zurückliegende Gaspreiserhöhungen. Das hat jedoch aus heutiger Sicht ein erhebliches Prozessrisiko.

Hierzu enthaelt das Urteil des LG Heibronn vom Januar 2006, in dem die Klage von Richter i.R. Waldeyer-Hartz gegen eine Gaspreiserhoehung abgewiesen wird, einige erhellende Passagen ( http://www.energieverbraucher.de/files.php?dl_mg_id=593&file=dl_mg_1138746451.pdf ):

\"Die Beklagte hat aber zur Überzeugung der Kammer nachgewiesen, dass die allein
streitgegenstaendliche Gaspreiserhoehung zum 01.10.2004 der Billigkeit entspricht, weil
sie damit lediglich ihre gestiegenen Bezugskosten an die Kunden weitergegeben hat.
.....
Eine darueber hinaus gehende Verpflichtung der Beklagten, ihre gesamten betriebswirtschaftlichen
Unterlagen, insbesondere die Kalkulation des Gesamtpreises, offen zu legen,
enthaelt § 315 BGB - anders als es das Amtsgericht Heilbronn im angefochtenen
Urteil bejaht hat - nicht. Dies folgt fuer das Berufungsgericht schon daraus, dass Streitgegenstand
des Verfahrens (nur) die Gaspreiserhoehung der Beklagten zum 01.10.2004 ist.\"


Eine Klage nur gegen die letzte Gaspreiserhoehung greift also zu offenbar kurz.

Frage: Sind §1,2 EnWG bessere Hebel, und zwar einer Klage gegen das zu hohe Preisniveau insgesamt ? Hier wird eine \"preisgünstige\" Gaslieferung gefordert, das schliesst eine Profitmaximierung des Gasversorgers explizit aus. Eine Eigenkapitalrendite zwischen 20 und 30% ist jedoch fast schon ein Beweis (?) dass gegen §1,2 EnWG verstossen wird.

Offline Cremer

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Ist §1,2 EnWG ein besserer Hebel als §315 BGB ?
« Antwort #1 am: 26. Februar 2006, 12:10:42 »
@UweHobohm,

kann mich Ihrer Auffassung nicht anschließen, dass § 1 und 2 des EnWG die besseren Hebel als § 315 BGB sind. Es steht nicht genau genug drin, dass Profitmaximierung ausgeschlossen wird, um eine Anerkanntnis durch Gerichte bestätigt zu bekommen.

Übrigens LG Heilbronn ist der erste Fall, abgesehen vom AG Koblenz, welches gegen die Kunden entschieden hat. Man dies nicht exemplarisch ansehen und gilt nur für diesen Fall in Heilbronn.

Ferner wird vWH in die Revision gehen.
MFG
Gerd Cremer
BIFEP e.V.

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Offline Schöfthaler

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Ist §1,2 EnWG ein besserer Hebel als §315 BGB ?
« Antwort #2 am: 26. Februar 2006, 16:28:55 »
Frage an Euch beide:

Ich selbst habe (wie sicherlich viele hier) gegenüber meinem Versorger nur die Billigkeit der Preiserhöhungen seit 1.1.05 angezweifelt. Nun lese ich im Forum immer wieder (und so folgere ich auch aus dem obigen Thread), dass man offenbar die Billigkeit des Gesamtpreises in Frage stellen sollte, da sonst evtl. ein Gericht (auch wenn das Quatsch ist) die Billigkeit der Erhöhung feststellen könnte, für die der Versorger die Grundlagen offenlegt, und damit eine vollständige Kalkulationsoffenlegung verhindert wird.

Sollte ich meinem Versorger gegenüber jetzt klarstellen, dass ich auch die Billigkeit des Gesamtpreises am 1.1.05 anzweifle und diesen Basispreis (anders als die von mir für billig erachteten Erhöhungen um pauschal 2%/a) nur unter Vorbehalt bezahle? Oder ist sowas unnötig?
E.R.N.A. - Energie-Rebellen Neckar-Alb
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Offline Zoppo Trump

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Ist §1,2 EnWG ein besserer Hebel als §315 BGB ?
« Antwort #3 am: 26. Februar 2006, 16:51:35 »
\'tschuldigung, das ist keine Antwort, sondern ein nachdrücklicher Zuspruch.
Ich habe im Augenblick exakt das gleiche Problem wie \"Schönthaler\"
und würde diese Wissenslücke gerne zeitnah schließen.

beste Grüße an Alle, die hier so viel Zeit investieren !

Offline Monaco

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Ist §1,2 EnWG ein besserer Hebel als §315 BGB ?
« Antwort #4 am: 26. Februar 2006, 18:03:20 »
@Zoppo Trump
@Schöfthaler

Wo liegt das Problem?
Teilen Sie doch Ihrem Versorger einfach (nachträglich) mit, dass Sie neben den aktuellen Preiserhöhungen auch die Angemessenheit des Gesamtpreises anzweifeln. Zahlungen erfolgen bis auf Weiteres zwar auf Basis der Preise vom September 2004, jedoch auch nur unter Vorbehalt.

Selbst wenn die jüngsten Preiserhöhungen möglicherweise (wie in Heilbronn festgestellt) angemessen waren, muss es der Gesamtpreis (\"Stabilisierung auf hohem Niveau\") noch lange nicht sein.

Den 2%igen Aufschlag können - müssen Sie aber nicht zahlen. Wenn Ihr Versorger dieses Angebot nicht annimmt (weil er auch weiterhin mit \"seinen\" Preisen rechnet), dann brauchen Sie sich auch zukünftig nicht mehr daran halten. Diese Entscheidung liegt jedoch einzig bei Ihnen.

Übrigens: Man kann den Hinweis in der Entscheidung des Landgerichts Heilbronn, dass nicht der Gesamtpreis (sondern nur eine Preiserhöhung separat) geprüft wurde, durchaus auch positiv sehen ...

Mit freundlichen Grüßen

Monaco.

Offline UweHobohm

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Ist §1,2 EnWG ein besserer Hebel als §315 BGB ?
« Antwort #5 am: 26. Februar 2006, 19:19:25 »
@Cremer

Lassen wir uns die beiden Paragraphen mal auf der Zunge zergehen (gekürzt):

\"§1 Zweck des Gesetzes ist eine möglichst ... preisgünstige, verbraucherfreundliche ... Versorgung ... mit Gas.
§2 Aufgaben der Energieversorgungsunternehmen: Energieversorgungsunternehmen sind im Rahmen der Vorschriften dieses Gesetzes zu einer Versorgung im Sinne §1 verpflichtet.\"

Da auch §1 zu den \"Vorschriften dieses Gesetzes\" gehört, lese ich aus der Kombination $1 und §2 - wenn auch mit einer gewissen Selbstbezüglichkeit - die Verpflichtung zur preisgünstigen Versorgung heraus.

Der Gesetzgeber hat in diesem Gesetz nicht definiert, was \"preisgünstig\" genau bedeutet. Möglicherweise war eine schärfere Formulierung gegen die Lobbygruppen nicht möglich, oder man hat sich diese Arbeit schlicht erspart, um sie den Gerichten zu überlassen. Preisgünstig klingt auf den ersten Blick unscharf, doch man kann das Gegenteil schon gut beschreiben. Eine Versorgung kann kaum preisgünstig sein, wenn die Eigenkapitalrendite über 20% liegt anstatt den von der Verbändevereinbarung empfohlenenen 7,8%, wenn die Netzpreise irreal sind (siehe Beispielrechnung unter http://bioinfo.tg.fh-giessen.de/energieprotest ) und wenn die Gaspreise - in unserem Fall - zu den höchsten in Deutschland gehören. Die Versorgung ist sicher nicht verbraucherfreundlich, wenn dem Verbraucher Einsicht in das Zustandekommen des Gaspreises verwehrt wird (laut §6 EnWG sind die Versorger zur Transparenz verpflichtet).

Da aber juristische Hirne anders arbeiten als die eines Naturwissenschaftlers: möglicherweise kann sich ja mal ein Jurist hierzu äussern ?

Offline RR-E-ft

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Ist §1,2 EnWG ein besserer Hebel als §315 BGB ?
« Antwort #6 am: 26. Februar 2006, 19:34:20 »
@UweHobohm

Die Gehirne funktionieren (hoffentlich) genauso, kommen nur wegen unterschiedlicher Methoden oft zu anderen Ergebnissen.

Wenn man den Gesamtpreis als unbillig rügt, so werden vom BGH als Auslegungsmaßstab dessen, was der Billigkeit im Sinne des § 315 BGB entspricht, gerade die Vorschriften §§ 1, 2 EnWG herangezogen.

Dabei hatte der BGH schon in dem Urteil NJW-RR 1992, 183, 185 herausgestellt, dass \"preisgwürdige\" Versorgung (seinerzeit Ziel der Preiswürdigkeit nur in der Präambel des EnWG 1938) als \"so billig wie möglich\" zu verstehen ist, was eine Gewinnbeschränkung auf ein \"angemessenes Maß\" erfordertet.


Das entsprechende Strompreisurteil können Sie hier nachlesen:

http://www.energieverbraucher.de/index.php?pre_cat_open=2&id=131&subid=1617&subsubid=1653&


Alle anderen Urteile knüpfen (zutreffend) daran an:

http://www.energieverbraucher.de/index.php?pre_cat_open=2&id=131&subid=1617&subsubid=1638&

http://www.energieverbraucher.de/index.php?pre_cat_open=2&id=131&subid=1617&subsubid=1670&

Mithin steht nicht die Frage § 315 BGB oder §§ 1, 2 EnWG.
Vielmehr sind diese immer zusammen zu sehen.


Das verkennt das LG Heilbronn, wenn es ausführt, die Vorschriften des EnWG schlössen § 315 BGB nicht aus....

Nunmehr steht die Preiswürdigkeit nicht nur als Lyrik in der Präambel zum Gesetz, sondern es gibt eine gesetzliche Verpflichtung zu preisgünstiger Versorgung. Dies spielte auch bereits in dem Lichtblick-Urteil vom 18.10.2005 - KZR 36/04 eine entsprechende Rolle:

http://www.energieverbraucher.de/index.php?pre_cat_open=2&id=131&subid=1617&subsubid=1619&



Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline UweHobohm

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Ist §1,2 EnWG ein besserer Hebel als §315 BGB ?
« Antwort #7 am: 27. Februar 2006, 00:23:44 »
@ThomasFricke
Herzlichen Dank für diese sachkundige Auskunft !

Beste Grüsse aus Kandern
Uwe Hobohm

 

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