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Autor Thema: sittenwidriges Verhalten - oder uebliches Verhalten ?  (Gelesen 4754 mal)

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Offline axeljungfer

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sittenwidriges Verhalten - oder uebliches Verhalten ?
« am: 19. Februar 2006, 14:43:58 »
Hallo -
Als Koordinator eine Gaspreisinitiative hat ein Gaskunde mir folgenden Fall geschildert

Kunde A hat in 01/2005 Widerspruch gegen neue Gaspreise beim oertlichen GVU eingelegt. Sein Rechtsanwalt B hat ihn dann (ohne ihn zu informieren und mitzunehmen) beim Schlichtungstermin im AG vertreten. Die Gegenseite vertreten durch RA C und Leitung GVU hat umfangreiches Zahlenmaterial vorgelegt.  RA B hat auf die Frage des Schlichters, wie er die Gegenargumente beurteilt erklaert, dass er die Angelegenheit aufgrund der Argumente der Antragsgegnerin erst mit seinem Mandanten besprechen muesse, kann zur Zeit keine verbindliche Aussage machen.

Entscheidung des Schlichters Schlichtungsverfahren ist gescheitert und beendet.
Die Erfolglosigkeit des Einigungsversuchs wird dem Antragsteller hiermit bescheinigt.

Der RA B hat seinen Mandanten Kunde A ueber den Ausgang 6 Tage spaeter informiert. In dem Schreiben an seinen Mandanten hat er folgende Aussage gemacht
Wir  haben zugesagt, die uebergebenen Unterlagen, insbesondere die Preiskalkulation vertraulich zu behandeln.

Ich halte dieses Verhalten fuer sittenwidrig - ich haette gern die Meinung eines anderen Rechtsanwalts gelesen/ gehoert.
Gruss
Axel Jungfer

Offline Cremer

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sittenwidriges Verhalten - oder uebliches Verhalten ?
« Antwort #1 am: 19. Februar 2006, 17:48:22 »
@Axeljungfer,

solche Fälle sind mir nicht neu.

Vor 26 Jahren hatte meine Frau mit Ihrem damaligen Vermieter beim Auszug solchen Problemfall. Da hatte der RA sie auch nicht zu einem Orttermin in die dann bereits verlassene bzw. bereits erneut vermietete Wohnung zwecks Feststellung der Schäden mitgenommen.

Daraus haben wir gelernt.

Ein Rechtsanwalt bekommt von mir immer einen schriftlichen Auftrag in welchem ui.a. vermerkt ist, dass jedlicher Schriftverkehr mitzuteilen ist, Orts-/ Gerichtstermine ohne unsere Anwesentheit nicht stattzufinden hat.
MFG
Gerd Cremer
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Offline RR-E-ft

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sittenwidriges Verhalten - oder uebliches Verhalten ?
« Antwort #2 am: 19. Februar 2006, 23:04:21 »
Wenn ein Unternehmen sich in einem Schlichtungsverfahren- und somit außerhalb eines ordentlichen Gerichtsverfahrens - bereit erklärt, nur gegen eine entsprechende Zusage der Vertraulichkeit unternehmensinterne Unterlagen zu übergeben, so ist die zugesagte Vertraulichkeit hinterher zu respektieren.

Schließlich hätte sich das Unternehmen sonst anders entschieden, d. h. ohne in einem ordentlichen Gerichtsverfahren aufgrund der Prozess- situation dazu gezwungen zu sein solche Unterlagen ggf. nicht herausgegeben.

Wenn es also eine entsprechende Vereinbarung im Schlichtungsverfahren gab, dann hat man sich an diese zu halten, will man denn als seriöser Verhandlungspartner noch weiter ernst genommen zu werden.

Es wäre sogar treuwidrig, Unterlagen, welche man nur gegen entsprechende Zusage erhalten hatte, Dritten  zugänglich zu machen.

Schließlich werden ja auch sonst Unterlagen aus einem Prozess grundsätzlich nicht öffentlich gemacht, sondern stehen nur den Prozessparteien und dem Gericht gerade für den zu entscheidenden Fall zur Verfügung.

Tatsächlich leben wir nicht in einem Land, in dem ein Unternehmen ggf. Geschäftsgeheimnisse offenbaren müsste, um diese am nächsten Tag in der Presse nachzulesen oder an Litfass- Säulen plakatiert zu sehen.

Die unkontrollierte Weiterverbreitung ist damit vergleichbar.

Anders mag das sehen, wer seine Steuererklärungen und Steuerbescheide selbst gern ins Internet online gestellt sehen wollte.....

Das Unternehmen kann sich also auch in einem Prozess dazu entscheiden, Unterlagen nur gegen eine Verschwiegenheitsverpflichtung zugänglich zu machen oder aber bei Nichtabgabe einer solchen Erklärung prozessual die negativen Folgen hinzunehmen, die sich daraus ergeben können, dass es zu seiner Preiskalkulation nichts konkretes darlegt und ggf. beweist.

Das ist Teil der grundgesetzlich geschützten alllgemeinen Handlungsfreiheit, Art. 2 Grundgesetz.


Wenn jemand meint, er wäre mit der Verfahrensweise seines Anwalts nicht zufrieden, dann sollte er sich damit zu allererst an seinen Anwalt wenden. Das Mandatsverhältnis ist ein Vertrauensverhältnis undzwar gegenseitig. Ist das notwendige Vertrauen aus welchen Gründen auch immer - nicht vorhanden, sollte dieses Verhältnis beendet werden.



Freundliche Grüße
aus Jena


Thomas Fricke
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sittenwidriges Verhalten - oder uebliches Verhalten ?
« Antwort #3 am: 20. Februar 2006, 10:50:40 »
@Fricke,

nach Rücksprache mit axeljunfer ging es in erster Linie um den Rechtsanwalt, der seinen Mandanten nicht über die anstehende Verhandlung, hier schlichtungsverfahren, informierte, geschweige denn mitgenommen hat.
MFG
Gerd Cremer
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sittenwidriges Verhalten - oder uebliches Verhalten ?
« Antwort #4 am: 20. Februar 2006, 11:06:25 »
@Cremer

Ich dachte das Forum ist dafür da, um sich mit seinem Versorger auseinanderzusetzen undzwar in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit dem eigenen Anwalt....



Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline axeljungfer

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sittenwidriges Verhalten - oder uebliches Verhalten ?
« Antwort #5 am: 28. Februar 2006, 11:30:25 »
@Fricke
... fragen / anschreiben, ob das Vorgehen des RAs mit der Mandatsvereinbarung  konform geht ?
Der nicht juristisch vorgepraegte Menschenverstand des Gasprotestlers sieht die Vereinbarung mit der Gegenseite Vertraulichkeit zu vereinbaren als gelinde ausgedrueckt -nicht gentlemenlike-
Gruss
Axel

Offline RR-E-ft

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sittenwidriges Verhalten - oder uebliches Verhalten ?
« Antwort #6 am: 28. Februar 2006, 11:45:58 »
@axeljungfer

Ich weiß nicht wie es Ihnen geht:

In der Regel vertrauen die Mandanten auf den strafrechtlich bewehrten Schutz des Mandatsgeheimnisses, welches dem Anwalt sogar verbietet, sich darüber zu verbreiten, ob er ggf. von einem bestimmten Mandanten beauftragt wurde.

Der Anwalt hat also bei Meidung erheblicher Strafdrohung die berufliche Verschwiegenheit zu wahren.

Dies schließt es selbstredend auch aus, Dritten- die das Vorgehen in dem einen oder anderen Punkt für beanstandungswürdig halten - Auskünfte irgendwelcher Art zu erteilen oder Dritten gar eine \"Rechenschaft\" abzulegen.

Es handelt sich um ein absolutes Vertrauensverhältnis.

Mit einem Beichtvater würde wohl auch keiner darüber diskutieren wollen, ob die fünf Ave Maria, die einem anderen Beichtgänger aufgegeben wurden, nun der vergebenen Schuld als Buße angemessen waren oder ob man nicht besser eine andere Buße auferlegt hätte....

Das entsprechende Ansinnen ist also schon recht absurd.

Was Inhalt des Mandatsverhältnisses ist, ob es ein solches überhaupt gibt, unterfällt der streng geschützten beruflichen Verschwiegenheitspflicht.
Dies gilt schon gegenüber der Staatsanwaltschaft und Gerichten und und kann gegenüber Koordinatoren von Bürgerinitiativen nicht anders sein.


Das ist im Interesse der Mandanten auch gut so.




Freundliche Grüße
aus Jena




Thomas Fricke
Rechtsanwalt

 

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