Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Nachzahlung über einen Zeitraum von 5 Jahren - rechtmäßig?  (Gelesen 24004 mal)

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Offline rs

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Seit 5 Jahren bezahle ich Abschlagszahlungen für Strom und Gas nach Schätzwerten der Stadtwerke. Ich bekam zwar regelmäßig eine Karte der Stadtwerke mit der Bitte, die Zähler abzulesen. Tut man das aber nicht blitzartig, kommt schon eine Rechnung der Stadtwerke aufgrund deren Schätzwerte. Diesmal habe ich selbst abgelesen und bekam eine Nachzahlungsforderung in Höhe von 7.500 Euro.

Darüber bin ich natürlich entsetzt. Ich frage mich:

1. Wie kann es zu so einer krassen Fehleinschätzung über so viele Jahre kommen? Wir wohnen hier in gleichen Verhältnissen seit 10 Jahren (Einfamilienhaus, Standardfamilie 2 Erw. 2 Kinder). Wir haben auch nicht durch Anbauten die Wohnfläche vergrößert oder sonst etwas veranstaltet, was unseren Energieverbrauch eklatant in die Höhe schrauben könnte.

2. Die Abrechnung erfolgt nach den Tarifen des vergangenen Jahres. Da der Mehrverbrauch ja aber in einem Zeitraum von 5 Jahren stattfand, halte ich diese Preisgestaltung für falsch.

3. Sind eventuell Teile der Forderungen schon verjährt? Bei Strom habe ich eine Verjährungsfrist von 2 Jahren in den allgemeinen Verordnungen für Stromversorger gefunden und bei Gas greifen womöglich die allgemeinen Verjährungsfristen des BGB (in dem Falle 3 Jahre)?

Für Tips von allen, denen ähnliches passiert ist, wäre ich dankbar, ebenso für Hinweise auf Bestimmungen, Urteile etc.

Viele Grüße aus Kiel
Ralf Schröder

Offline stromdesigner

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Nachzahlung über einen Zeitraum von 5 Jahren - rechtmäßig?
« Antwort #1 am: 04. Februar 2006, 18:38:16 »
Also wenn das kein Ablesefehler ist, frage ich Mich warum der Unterschied erst jetzt bemerkt wird. 1500 € pro Jahr sollten doch schon zu denken geben..

Offline Kampfzwerg

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Nachzahlung über einen Zeitraum von 5 Jahren - rechtmäßig?
« Antwort #2 am: 05. Februar 2006, 16:53:27 »
Hallo RS,

meines Wissens verjähren Nachzahlungsansprüche grundsätzlich erst ab Fälligkeit. Fällig werden diese Ansprüche aber erst mit Rechnungslegung, die ja gerade erst erfolgt ist.

Das ist ja auch ein wesentlicher Aspekt bei der Anwendung von §315.

Die Abrechnung müsste aber doch wohl jeweils getrennt für Strom und Gas und der jeweiligen Abrechnungsperiode erfolgen und nicht zusammen für den ganzen Zeitraum von 5 Jahren??

Bei der Summe würde ich ggf. einen RA einschalten, vielleicht haben Sie eine RS-Versicherung.

Offline rs

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Nachzahlung über einen Zeitraum von 5 Jahren - rechtmäßig?
« Antwort #3 am: 05. Februar 2006, 19:33:28 »
Hallo Kampfzwerg

Zitat von: \"Kampfzwerg\"
Hallo RS,

meines Wissens verjähren Nachzahlungsansprüche grundsätzlich erst ab Fälligkeit. Fällig werden diese Ansprüche aber erst mit Rechnungslegung, die ja gerade erst erfolgt ist.



Ich habe ja Jahresrechnungen bekommen in der Zwischenzeit, die allerdings auf Schätzwerten beruhten.

Nun tun die SW so, als wäre der Mehrverbrauch allein in 2005 entstanden und rechnen auch so ab.

Viele Grüße aus Kiel
Ralf Schröder

Offline goly

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Nachzahlung über einen Zeitraum von 5 Jahren - rechtmäßig?
« Antwort #4 am: 06. Februar 2006, 04:06:38 »
Simmulationsrechnung (zu deren Gunsten) nennt man so etwas. Nimm doch den Anfangszählerstand und den jetzigen und berechne das. Dann hast du das exakte Ergebnis, sowie deine eigene Sicherheit.
Schätzwerte weichen enorm von der Realität ab, musste ich zu meinen Gunsten feststellen.

Grüße

Offline hollmoor

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Nachzahlung über einen Zeitraum von 5 Jahren - rechtmäßig?
« Antwort #5 am: 06. Februar 2006, 07:35:04 »
@rs
Es ist mir unbegleiflich,wie man 5 Jahre nur die Schätzung des EVU,s zahlen kann!
Sie hätten doch auch nachrechnen können,ob evt.richtig geschätzt wurde
und dann reklamieren können.Man hätte Ihnen sicher dann eine berichtigte Rechnung zukommen lassen.
Ansonsten würde ich so verfahren,wie Goly schrieb.
7500,00 Euro sind ja eine enorme Summe.Dann müßten ja ihre \"geschätzten\" Rechnungen sehr niedrig ausgefallen sein.Auf die Summe komme ich noch nicht einmal für mein Haus/bei null Abschlag f.Strom u.Gas/in 5 Jahren!
Gruß aus der Lüneburger Heide

Offline RR-E-ft

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Nachzahlung über einen Zeitraum von 5 Jahren - rechtmäßig?
« Antwort #6 am: 06. Februar 2006, 13:20:56 »
@rs

Ihnen muss eigentlich aufgefallen sein, dass der Versorger in den Vorjahren einen zu geringen Verbrauch abrechnete.

Für Sie offensichtlich keine Veranlassung, sich darüber zu beschweren, was sich nun als misslich erweisen kann....

Weisen Sie Ihrem Versorger nach, wann Sie dem diesem welche abgelesenen  Zählerstände mitgeteilt hatten und vor allem dass der Anfangszählerstand der letzten Abrechnungsperiode höher war (Ableseliste, Zeugen).

Sie müssen den tatsächlichen Anfangszählerstand unter Beweis stellen.

Sie müssen nachweisen, dass die Schätzungen unberechtigt bzw. unzutreffend erfolgten.


Dann müssen alle Verbrauchsabrechnungen entsprechend korrigiert werden.



Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline Kampfzwerg

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Nachzahlung über einen Zeitraum von 5 Jahren - rechtmäßig?
« Antwort #7 am: 06. Februar 2006, 13:36:46 »
Zitat von: \"Kampfzwerg\"
Hallo RS,

meines Wissens verjähren Nachzahlungsansprüche grundsätzlich erst ab Fälligkeit. Fällig werden diese Ansprüche aber erst mit Rechnungslegung, die ja gerade erst erfolgt ist.


Zitat
Ich habe ja Jahresrechnungen bekommen in der Zwischenzeit, die allerdings auf Schätzwerten beruhten.

Ich meinte auch nicht die bisherigen Jahresabrechnungen sondern die erst jetzt erfolgte RG für die Nachforderung.

Offline rs

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Nachzahlung über einen Zeitraum von 5 Jahren - rechtmäßig?
« Antwort #8 am: 29. August 2006, 13:45:39 »
Erstmal vielen Dank an alle, die hier gepostet haben.

Um vielleicht anderen in ähnlicher Situation weiterzuhelfen, hier der Verlauf meiner (leider vergeblichen) Bemühungen.

Auf Anraten meines Anwaltes habe ich zuerst Einspruch wegen Verjährung nach BGB eingelegt. Der greift aber nicht, weil der beanstandete Betrag erst 2006 in Rechnung gestellt wurde. Dieser Anspruch verjährt also erst 2009.

Danach habe ich Einspruch eingelegt nach §21 AVB ersatzweise §24 AVB mit folgender Begründung. Da ich regelmäßig Jahresabrechnungen bekommen habe, entsprechen sie nicht dem tatsächlichen Verbrauch, sind also nicht richtig. Hier argumentieren die SW, es wäre ja nach Schätzung abgerechnet worden, die Berechnung damals wie heute die Nachberechnung sind (rechnerisch) korrekt, eine Verjährung nach §21 AVB wegen fehlerhafter Berechnung kommt also nicht in Frage.

§24 AVB regele allein den Zeitraum von einem Jahr, für den abgerechnet werden dürfe. Das ist aber sowohl in den Schätzungen der vergangenen Jahre wie auch in den nachträglichen Abrechnungen 2006 passiert.

Also: Keine Chance eines Einspruches nach geltender Rechtsprechung. Dies ist soweit auch mit einem Rechtsanwalt, der in dieser besonderen Materie fit ist, besprochen und von ihm (leider) bestätigt.

Fragen darf man sich natürlich, ob ein Versorgungsunternehmen nicht auch eine gewisse Verantwortung für die Kunden hat und vielleicht solche Fehler etwas rechtzeitiger bemerken müsste. Das ist allerdings bestenfalls moralisch und nicht juristisch relevant.
Im Ergebnis laufen diese Abrechnungen bei den SW vollautomatisch und kein Mensch macht sich Gedanken über Plausibilität, bis halt irgendwann der automatische Ablauf gestört wird.
Und was den vielgepriesenen "persönlichen Service" zumindest unseres VU angeht, habe ich - um\'s mal freundlich zu formulieren - viel dazugelernt...  "Wir sind für Sie da!" Ich lach\' mich schlapp!

Offline RR-E-ft

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Nachzahlung über einen Zeitraum von 5 Jahren - rechtmäßig?
« Antwort #9 am: 29. August 2006, 14:13:42 »
@rs

Wenn die Abrechnung erst spät erfolgt, ist an eine Verwirkung zu denken.

Sonst könnte  der Versorger auch erst nach zwanzig Jahren eine Rechnung legen, ohne dass die Forderung verjährt sein könnte.....

Man sollte eine entsprechende Einrede erheben.

Offline rs

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Nachzahlung über einen Zeitraum von 5 Jahren - rechtmäßig?
« Antwort #10 am: 29. August 2006, 14:45:52 »
Danke für den Tip.
Habe gerade mal gesucht aber sehr schnell ein Urteil in einem ähnlichen Fall gelesen (ging zwar um Fernwärme) wo aber die Verwirkung ausgeschlossen wurde mit dem Hinweis, dass die Verbrauchsabrechnungen erkennbar auf Schätzungen beruhen. In dem Fall waren es zwar 4 Jahre und nicht 5, aber ich denke, das macht nicht so den Unterschied.

Viele Grüße aus Kiel
rs

Offline RR-E-ft

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« Antwort #11 am: 29. August 2006, 17:10:47 »
@rs

Das macht  wohl doch einen Unterschied.

Früher betrug die Verjährung ggü. Kaufleuten vier Jahre.

Nach rechtzeitig erstellter Abrechnung und Nichtzahlung darauf wäre die Forderung mithin noch gar nicht verjährt gewesen, so dass dann ggf. auch keine Verwirkung vorliegen konnte.

Anders kann es liegen, wenn der Zahlungsanspruch in drei Jahren nach Rechnungslegung verjährt, jedoch erst nach fünf Jahren die Rechnung gelegt wird.

Die Forderung aus einer rechtzeitig erstellten Rechnung wäre dann nämlich bereits verjährt gewesen, so dass die verspätete Rechnungslegung sich als rechtsmissbräuchlich erweisen kann.

Eine Jurastudium braucht nicht ohne Grund seine Zeit....

Offline rs

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« Antwort #12 am: 30. August 2006, 15:30:01 »
@RR-E-ft

Das ist ein interessanter Ansatz, danke.
Nach meinem "Normalbürger-Rechtsverständnis" könnte ich mich dem gut anschließen. Juristen denken da aber doch meistens anders ;-)

Der Mehrverbrauch wurde mittlerweile von den SW auch gesplittet, d.h. ich habe auch für den Mehrverbrauch Jahresabrechnungen.
Die erste davon betrifft den Zeitraum vom 15.12.01 bis 14.12.02. Wenn man dann eine mögliche Rechnungsstellung für Anfang 2003 annimmt, beträgt der Abstand nur noch 3 Jahre.

In dem erwähnten Urteil heiß es:
"Allein eine Untätigkeit des Gläubigers, d.h. eine nicht vertragsgerechte Abrechnung innerhalb des vorgesehenen Abrechnungszeitraums wird als nicht ausreichend für eine Verwirkung angesehen...
Der Senat folgt in dieser Frage der Meinung des BGH. In Anbetracht der kurzen Verjährungsfrist von vier Jahren besteht kein weiteres Bedürfnis, den Mieter zusätzlich durch erleichternde Anforderungen an den Verwirkungstatbestand zu schützen. Demnach kann im vorliegenden Fall eine Verwirkung nur dann bejaht werden, wenn besondere Umstände neben der Untätigkeit des Kl. vorliegen. Das ist ersichtlich nicht der Fall...
Deshalb ist allein der Zeitablauf von fast vier Jahren zwischen Fälligkeit einerseits und Geltendmachung der Forderung andererseits für die Annahme einer Verwirkung nicht ausreichend."

(Quelle: http://www.kalo.de/show_page.php?id=111 )

Allgemein ist ja für den Beginn der Frist der Verjährung der Zeitpunkt der Lieferung entscheidend. Im Falle der VU ist das aber nach z.B. AVBGas anders. Es gilt der Zeitpunkt der Rechnungsstellung.
Wann die SW eine Rechnung schreiben müssen, habe ich nirgendwo gefunden. Nach meinen persönlichen Erfahrungen habe ich mittlerweile den Eindruck, die SW würden das auch noch nach 10 Jahren berechnen. Und §24 AVB legen Juristen offenbar so aus, daß der Berechnungszeitraum ein Jahr nicht wesentlich überschreiten darf. Das ist aber durch die Aufsplittung in Jahresabrechnungen geschehen und somit in Ordnung.

Aber zurück zum Thema:
Die in den Rechnungen enthaltenen Lieferungen beginnen zwar 2001, aber wegen der möglichen Rechnungslegung sehe ich in meinem Falle keine Chance.

Viele Grüße aus Kiel
rs

Offline RR-E-ft

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« Antwort #13 am: 30. August 2006, 16:22:46 »
@rs


Hätte ich gewusst, dass Rechtsfindung so einfach ist, hätte ich mir die lange Ausbildung gespart.... :roll:

Es ist aber wohl nicht so einfach.

In 2001 begonnene Lieferungen waren regelmäßig in 2002 abzurechnen usw. Einer Abrechnung vor dem 31.12.2002 stand wohl nichts entgegen.

2002 + 3 = 2005

Verwirkung bedarf neben Zeit- auch Umstandsmoment.

Offline rs

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« Antwort #14 am: 30. August 2006, 17:14:20 »
Zitat
Verwirkung bedarf neben Zeit- auch Umstandsmoment.


Unabhängig davon, daß mir dieses "Umstandsmoment" nicht wirklich klar ist:
In dem zitierten Urteil sehen die Richter in der Untätigkeit des Klägers (und was sonst sollte ich den SW vorwerfen) ja eben kein besonderes Versäumnis. Dort ist von weiteren besonderen Umständen die Rede.

Zitat
In 2001 begonnene Lieferungen waren regelmäßig in 2002 abzurechnen


Welches Gesetz, Verordnung oder was immer bestimmt das? Ich habe zu dem Thema nichts gefunden.
Die SW sagen ansonsten, es ist ja abgerechnet worden - eben nach Schätzung. Daß diese Abrechnung nicht dem Zählerstand entsprach, hätte mir klar sein müssen.

Viele Grüße aus Kiel
rs

 

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