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Autor Thema: Problematik 315 und Preisgleitklausel, Versorgerstandpunkt!  (Gelesen 7307 mal)

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Problematik 315 und Preisgleitklausel, Versorgerstandpunkt!
« am: 26. Dezember 2005, 21:27:25 »
Zunächst möchte mich ich auch bei den Herren Fricke und Cremer herzlich für die vielen Hinweise bedanken, ohne die die vielen Schreiben, die dem örtlichen Gasversorger bisher zugestellt worden sind – nicht halb so fundiert gewesen wären. Danke.

Ich gehöre also auch zu den „Verweigerern“ und reiche gerade das vierte Billigkeitsschreiben ein. Inzwischen werden die Antwortschreiben meines Versorgers auch mehr und mehr speziell; heißt also, dass nicht mehr diese einfachen Serienbriefe aus den Anfangszeiten verschickt werden. Ich möchte den letzten erhaltenen Brief des Gasversorgers hier mal vorstellen und vielleicht kann ich dazu etwas Hilfe zur adäquaten Beantwortung aus dem Board bekommen:

**********************************************

Sehr geehrter Herr + Frau ……….,

Bei dem Mahnverlauf vom …….. wurde übersehen, dass sich ihr Vorgang bereits in Bearbeitung befindet. Von der Erhebung von Mahnkosten wird daher abgesehen. Dies trifft ebenso auf die im Mahnschreiben angedrohte Einstellung der Versorgung zu.

(Hatte nach persönlicher Nachricht an den Versorger wegen der Versorgungseinstellung, keine Reaktion erhalten. Erst als ich die Energieaufsicht des Ministeriums eingeschalten hatte – wurde mir obiges nun mitgeteilt. Aber weiter im Text:)

Die Billigkeitsprüfung nach § 315 BGB findet analoge Anwendung auf Leistungen im Rahmen der Daseinsvorsorge, allerdings nur dann, wenn der Kunde im Bedarfsfalle auf diese Leistung des Unternehmens angewiesen ist (vgl. BGH Urteil vom 05.07.2005 – X ZR 60/04). Hingegen ist  § 315 BGB nicht anwendbar, wenn Wettbewerb besteht (vgl. LG Ulm vom 08.08.2005; AG Euskirchen vom 05.08.2005) Erdgas steht auf dem Wärmemarkt im Substitutionswettbewerb zwischen den unterschiedlichen Heizenergieträgern wie Heizöl, Flüssiggas, Kohle, Strom oder Fernwärme. Die Kunden haben damit alternative Möglichkeiten sich auf dem Wärmemarkt zu versorgen.

Der § 315 BGB ist aber bereits schon deshalb nicht anwendbar, da vorliegend keine einseitige Leistungsbestimmung durch Einbeziehung von AGB – wie in der von Ihnen zitierten Rechtssprechung (siehe ihr vorhergehendes Schreiben) – erfolgt ist. [ Zur Erklärung: In diesem Schreiben hatte ich darauf verwiesen, dass unter Umständen die Preisgleitklausel (§ 2 Abs. 2  Erdgasliefervertrag) wegen § 307 BGB unwirksam sein könnte. Somit nur der bei Vertragsschließung gültige Preis akzeptiert werden müsste.]

Die Anpassung der Erdgaspreise erfolgt in Anwendung des § 2 Abs. 2 des mit Ihnen abgeschlossenen Erdgaslieferungsvertrages. Gemäß § 2 Abs. 2 ist das GVU berechtigt, die Gaspreise zu ändern, wenn eine Preisänderung durch den Vorlieferanten erfolgt. Diese vertragliche Bestimmung unterfällt nicht der AGB-rechtlichen Kontrolle, da sie Art und Umfang der Vergütung unmittelbar regelt ( vgl. OLG München Urteil vom 22.05.2003, RdE 2004, 52).

Über die Preisänderung werden Sie schriftlich informiert. Den Preis an sich haben Sie mit Abschluß des Sondervertrages akzeptiert, ohne dass es für Sie entscheidend darauf ankam, wie sich der Preis zusammensetzt. Eine Offenlegung der Gesamtkalkulation der Gaspreise kann bereits deshalb nicht gefordert werden.

Die für eine gesetzliche Preiskontrolle der Erdgaspreise zuständige Behörde ist die Landeskartellbehörde. Diese wird in begründeten Fällen der missbräuchlichen Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung eines Unternehmens tätig und dagegen vorgehen. Wie Sie bereits aus den Medien erfahren konnten, hat eine Anhörung im Rahmen der Vorprüfung des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit im August/September dieses Jahres wegen Verdachts einer missbräuchlichen Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung stattgefunden. Der Verdacht eines Preismissbrauchs durch GASO hat sich nicht bestätigt. Dies wurde uns von der Landekartellbehörde mit Schreiben vom 17.10.2005 mitgeteilt.

Die Forderungen werden in vollem Umfang aufrechterhalten …….

Mit freundlichen Grüßen

………..

********************************************************+

Soweit das Schreiben der ENSO – welches sicherlich auch in ähnlicher Form andere Widersprüchler im Bereich der ENSO bzw. GASO erhalten haben.

Wie sollte insbesondere die Passage - § 315 BGB ist nicht anwendbar, da keine einseitige Leistungsbestimmung, und im weiteren das Urteil des OLG München – bewertet werden?

Offline Cremer

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Problematik 315 und Preisgleitklausel, Versorgerstandpunkt!
« Antwort #1 am: 26. Dezember 2005, 22:53:39 »
@Empty Wallet,

das Urteil von München ist bekannt und wurde bereits hier mehrfach besprochen. Schauen Sie auf der Seite Energienetz nach, hier:

http://www.energiepreise-runter.de/index.php?pre_cat_open=2&id=131&subid=1617&subsubid=1627&

Selbstverständlich ist der § 315 anwendbar.

Die Versorger versuchen mit immer weiteren Argumentationen die \"Nichtanwendbarkeit von § 315\" den Kunden zu verkaufen.
MFG
Gerd Cremer
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Problematik 315 und Preisgleitklausel, Versorgerstandpunkt!
« Antwort #2 am: 27. Dezember 2005, 11:52:20 »
Zitat von: \"Cremer\"
@Empty Wallet,

das Urteil von München ist bekannt und wurde bereits hier mehrfach besprochen. Schauen Sie auf der Seite Energienetz nach, hier


Der Link führt mich zu einem Urteil des OLG München vom 28.05.2005. Das von meinem Gasversorger angegebene Urteil ist vom 22.03.2005. Dazu konnte ich im Forum noch keine Anmerkungen finden. Vielleicht können Sie noch einmal helfen.

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Offline Cremer

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Problematik 315 und Preisgleitklausel, Versorgerstandpunkt!
« Antwort #3 am: 27. Dezember 2005, 12:34:12 »
@Empty Wallet,

da müßte Herr Fricke mal in seiner \"Schatzkiste\" nachschauen, ob er war findet.

Wäre es relevant, wäre es uns bekannt und in der Liste aufgeführt.

Daher schließe ich, dass es nicht zutreffend ist.

Der Versorger stellt da ganz absurde Thesen in seinem Schreiben auf, wo man sich mit Wärme eindecken kann:
Zitat
Die Billigkeitsprüfung nach § 315 BGB findet analoge Anwendung auf Leistungen im Rahmen der Daseinsvorsorge, allerdings nur dann, wenn der Kunde im Bedarfsfalle auf diese Leistung des Unternehmens angewiesen ist (vgl. BGH Urteil vom 05.07.2005 – X ZR 60/04). Hingegen ist § 315 BGB nicht anwendbar, wenn Wettbewerb besteht (vgl. LG Ulm vom 08.08.2005; AG Euskirchen vom 05.08.2005) Erdgas steht auf dem Wärmemarkt im Substitutionswettbewerb zwischen den unterschiedlichen Heizenergieträgern wie Heizöl, Flüssiggas, Kohle, Strom oder Fernwärme. Die Kunden haben damit alternative Möglichkeiten sich auf dem Wärmemarkt zu versorgen


Da fehlt nur noch der Hinweis auf Holz und Pellets.
MFG
Gerd Cremer
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Offline RR-E-ft

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Problematik 315 und Preisgleitklausel, Versorgerstandpunkt!
« Antwort #4 am: 27. Dezember 2005, 12:46:26 »
@Empty Wallet

Auf einseitige Preisänderungen - um nichts anderes handelt es sich, findet § 315 BGB direkt Anwendung, so dass es gar nicht auf die Voraussetzungen einer Analogie, insbesondere die Frage der Ausweichmöglichkeit ankommt.

Das Recht zu solchen einseitigen Preisanpassungen leitet Ihr Versorger aus § 2 Ziff. 2 des Vertrages her, wo eine Preisänderungsklausel enthalten sein soll.

Sie können weiter  darauf verweisen, dass die Preisänderungsklausel im Vertrag gem. §§ 307, 315 BGB wegen Intransparenz unwirksam ist.

Verweisen Sie dazu auf BGH, Urteil vom 21.09.2005 -VIII ZR 38/05:

 http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=ff74f5c69e990e48ff9ee0a12625365c&client=3&nr=34088&pos=16&anz=24

Die Klausel Ihres Versorgers regelt gerade nicht Art und Umfang von Preisanpassungen:

Sie wissen nämlich weder ob, noch wann, noch in welchem Umfange der Vorlieferant seine Preise geändert hat und wie diese Preisänderungen des Vorlieferanten sich genau auf die Gaspreise Ihres Versorgers auswirken sollen.

Sie wissen noch nicht einmal, ob Ihr Versorger einen oder mehrere Vorlieferanten hat oder vielleicht gar keinen  und sich statt dessen laufend auf dem deutschen Erdgasmarkt das Erdags beschafft, also ständig neue einmalige Austauschverträge abschließt- so wie wenn Sie an der Tankstelle Kraftstoff kaufen.

Zudem könnten entsprechende Kostenerhöhungen durch zwischenzeitliche Kostensenkungen an anderer Stelle kompensiert worden sein.


Der Fall ist deshalb vollkommen vergleichbar mit der vorgenannten BGH- Entscheidung zur Unwirksamkeit von Preisänderungsklauseln von Flüssiggasanbietern..

Ihr Versorger wird nicht ernsthaft einwenden können, dass ein Flüssiggaskunde auf dem \"Wärmemarkt\" schlechter gestellt sei als ein Erdgaskunde und deshalb eines besonderen Schutzes bedürfe.

Die Unwirksamkeit einer solchen Preisänderungsklausel ergibt sich auch aus dem Rechtsgutachten, welches die VZ NRW durch Herrn Prof. Arzt u. a. hat erstellen lassen.

Demnach ist die Klausel auch deshalb unwirksam, weil sie den Versorger nur zu Preisänderungen berechtigt - wovon er bei steigenden Preisen Gebrauch macht - ihn jedoch nicht auchj im Falle von Kostensenkungen zugleich zu Preissenkungen verpflichtet.

Wenn Ihr Versorger selbst meint, er wäre gar nicht zu einseitigen Preisändrungen nach § 315 BGB berechtigt, nehmen Sie ihn beim Wort und weisen Sie die Preiserhöhung auch allein deshalb zurück.


Die Kartellbehörden üben keine Preisaufsicht aus, sondern allein eine kartellrechtliche Preismissbrauchsaufsicht.

Die Missbrauchsaufsicht besteht dabei überhaupt nur, weil die Gasversorger Monopolisten und deshalb marktbeherrschende Unternehmen sind. Die Kartellbehörden stellen dabei auch nur auf den Erdgasmarkt ab.


Diese Missbrauchsaufsicht ist etwas anderes als die zivilrechtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB (vgl. BGH NJW 2001, 2141, 2144; BGH, Urteil v. 18.10.2005 -  KZR 36/04).

Selbst wenn es eine Preisaufsicht gäbe, wäre eine behördliche Genehmigung für die gereichtliche Billigkeitskontrolle nicht relevant (BGH NJW 2005, 2919; BGH NJW 2003, 3131; BGH NJW 2003, 1449).



Zudem führt eine Marktabgrenzung hinsichtlich des sachlich relevanten Marktes immer dazu, dass allein auf Erdgas abzustellen ist und nicht auf einen fiktiven Wärmemarkt.

Sie könnten Ihren Versorger auch auffordern seine Preise den Preisen für Brennholz, Pellets, Heizöl, Heizstrom, Fernwärme und Kohle ganz konkret bei Ihnen am Ort für die von Ihnen regelmäßig benötigte Energiemenge gegenüber zustellen. Außerdem könnten Sie nachfragen, wann und wo in Ihrem Ort der nächste Wärmemarkt abgehalten wird.

Hierzu sollte Ihr Versorger in der Lage sein, wenn es denn bei Ihnen am Ort tatsächlich einen regelmäßig abgehaltenen Wärmemarkt gibt, auf welchem die einzelnen Preise aufgerufen werden.

Eine Marktabgrenzung hinsichtlich des räumlich relevanten Marktes führt dazu, dass allein auf die Erdgaspreise im Netzgebiet des örtlichen  Erdgasnetzbetreibers, an dessen Versorgungsnetz Sie angeschlossen sind, abzustellen ist.

Sie können hierzu auf die Aufsätze Held NZM 2004, 169 ff. und Fricke WuM 2005, 547 ff., jeweils mit weiteren Nachweisen verweisen, ebenso auf die Gaspreis-  Urteile LG Mannheim, AG Karlsruhe, AG Heilbronn und auf die Hinweisbeschlüsse in den Gaspreis- Verfahren LG Hamburg und AG Neuwied.

Nach einer Pressemitteilung der EWE vom 23.12.2005 soll auch das AG Oldenburg laufende Gaspreiserhöhungen einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB unterziehen, d. h. eine solche kommt auf Gaspreiserhöhungen zur Anwendung:

http://forum.energienetz.de/viewtopic.php?t=2129


Weisen Sie Ihren Versorger darauf hin,  dass er nur an folgender Veranstaltung hätte teilnehmen müssen, um es besser zu wissen:

http://www.energieverbraucher.de/index.php?pre_cat_open=2&id=131&subid=1382&subsubid=1400&content_news_detail=4686&back_cont_id=1400

Die vom Versorger genannten Urteile LG Ulm (Fernwärme) und AG Euskirchen (Erdgas) befindet sich derzeit in der Berufung.

Hinsichtlich des Uerteils des AG Euskirchen hatte das LG Bonn bereits in der mündlichen Verhandlung vom 22.11.2005 deutlich darauf hingeweisen, dass es dem erstinstanzlichem Gericht wohl nicht folgen wird:

http://www.energienetz.de/pre_cat_2-id_131-subid_1382-subsubid_1400__.html



Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

 

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