Pressemitteilung vom Bund der Energieverbraucher e.V.
Grundversorger müssen auf Stromsperren verzichten(Unkel, den 19. März 2020) Angesichts der Coronavirus-Pandemie haben zahlreiche große Energieversorger angekündigt, auf Energiesperren gegen säumige Energieverbraucher zu verzichten und die Wiederaufnahme der Versorgung bei bestehenden Sperren vorzunehmen. Der Bund der Energieverbraucher appelliert auch an regionale Stadtwerke und alle anderen Grundversorger, die Versorgung sämtlicher momentan von der Energieversorgung getrennten Haushalte aus humanitären Gründen unverzüglich wieder aufzunehmen. In Anbetracht der COVID-19-Pandemie in Deutschland sind Versorgungssperren derzeit ausnahmslos unverhältnismäßig und damit unrechtmäßig.
Über 4,9 Millionen Stromsperren und 1,2 Millionen Gassperren pro Jahr wurden deutschen Haushalten laut dem aktuellen Monitoringbericht 2019 der Bundesnetzagentur angedroht. Rund 300.000 Stromsperren und 33.000 Gassperren werden jährlich tatsächlich vollzogen. Für die betroffenen Energieverbraucher handelt es sich in jedem einzelnen dieser Fälle um eine Ausnahmesituation: Gefriertruhen tauen ab, Lebensmittel in den Kühlschränken verderben, die Heizung funktioniert nicht und ohne Waschmaschine bleiben Kleidung und Handtücher schmutzig – kurzum: Die hygienischen Verhältnisse verschlimmern sich dramatisch und die Menschen werden der Möglichkeit beraubt, frische Lebensmittel zu lagern. Dies ist angesichts der aktuellen Lage unverhältnismäßig und setzt leichtfertig Menschenleben aufs Spiel. Der Bund der Energieverbraucher fordert daher alle Energieversorger in Deutschland auf, bestehende Versorgungssperren kurzfristig zumindest so lange auszusetzen und keine neuen Versorgungssperren zu vollziehen, bis die Coronavirus-Krise bewältigt ist.
Grundsätzlich haben Strom- und Gasversorger das Recht, bei einem Zahlungsrückstand von mehr als 100 Euro mit einer Frist von vier Wochen und nach zweimaliger Aufforderung eine Versorgungssperre bei Energieverbrauchern vorzunehmen, sofern diese den Umständen entsprechend verhältnismäßig ist (§ 19 StromGVV/GasGVV). Im Fall einer Fernwärmeversorgung beträgt die Frist bis zu einer Sperre nur zwei Wochen (§ 33 AVBFernwärmeV). Diese für Versorgungssperren notwendige Verhältnismäßigkeit ist in der aktuellen Krise nicht gegeben!
Sprecher der großen Grundversorger EnBW, E.ON Energie Deutschland und Innogy (ehem. RWE) haben bereits verkündet, dass diese Unternehmen auf neue Energiesperren weitestmöglich verzichten werden. Am verantwortungsvollsten handelt derzeit der Versorger EnBW, der mitteilte, dass „derzeit alle Strom- und Gassperren, die in den letzten Wochen vorgenommen wurden, aufgehoben werden.“ Mehr noch: Die EnBW hat bekannt gegeben, dass für die Entsperrung keine Gebühren erhoben werden. „Wir hoffen, damit unseren Beitrag für eine solidarische Bewältigung der aktuellen Herausforderung leisten zu können“, so der Versorger.
Der Bund der Energieverbraucher fordert alle Grundversorger auf, sich daran ein Beispiel zu nehmen und ihren Beitrag zur Bewältigung der derzeitigen Krise zu leisten. Verbrauchern, die aktuell von einer Versorgungssperre betroffen sind, rät der Bund der Energieverbraucher sich umgehend an den örtlichen Grundversorger zu wenden und unter Verweis auf die aktuelle Situation eine Aufhebung der Strom-, Gas- oder Wärmesperre zu verlangen.
Sollte der örtliche Versorger dem nicht nachkommen, können sich Verbraucher an die Erfassungsstelle für widerrechtliche Versorgungssperren im Bund der Energieverbraucher e.V. per E-Mail an energieunrecht@energieverbraucher.de wenden. Telefonisch erreichen betroffene Verbraucher das von Thomas Schlagowski geleitete Büro für Energieunrecht des Vereins zudem montags bis freitags jeweils von 9 bis 13 Uhr unter der Rufnummer 02224.1231248.
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