Moin, zusammen.
Meine Frage befindet sich in enger thematischer Nähe zur Themenstarterin:
In der Stadt Lüneburg wird ein neues Baugebiet ausgewiesen. Die Grundstücke dazu befinden sich ausschließlich in städtischem Besitz. In die Grundstückskaufverträge werden – über die Festsetzungen und Hinweise im Bebauungsplan hinaus - einige Regelungen zu baulichen Standards aufgenommen, welche bei der Umsetzung der Baumaßnahmen zwingend zu beachten sind. Eine dieser Regelungen lautet wie folgt:
"Es wird eine zentrale Wärmeversorgung mit Heizzentrale errichtet, das die Grundstücke im gesamten Baugebiet mit Wärme versorgen soll. Der jeweilige Eigentümer der betreffenden Grundstücke ist verpflichtet, sich an diese zentrale Wärmeversorgung anzuschließen und auf seinem jeweiligen Grundstück somit keine Anlagen zu errichten oder zu betreiben oder errichten oder betreiben zu lassen, die
der Erzeugung von Wärme zur Raumheizung und von Wärme zur Bereitung von Brauchwasser dienen. Die Grundstücke werden mit einer Grunddienstbarkeit (Heizenergiebeschränkung) zu Gunsten der Avacon Natur GmbH in 31157 Sarstedt versehen."
Ich gehöre selbst nicht zu dem Personenkreis, die den Erwerb eines dieser Grundstücke beabsichtigt. Jedoch missfällt mir, dass einer der "großen" Energieversorgungsunternehmen (Avacon Natur GmbH = e.on) hier in der wie oben beschriebenen Weise sich einen Absatzmarkt verschafft, der gute Gewinne zulasten von Häuslebauern und Bewohnern der dort einmal wohnenden Mietern verspricht.
Klar, es herrscht in Deutschland Vertragsfreiheit. Immobilienkäufer können sich also von vornherein darauf einstellen. Und wer das nicht möchte, kann sich anderweitig umsehen. Beim Abschluss eines Fern- oder Nahwärme-Vertrags sollten dessen Konditionen genau geprüft sein. Jedoch sind vielen Bauherren weder die rechtlichen noch die finanziellen Konsequenzen dieser Verträge klar.
Ich bin durchaus nicht generell gegen Fernwärmeversorgung, jedoch ist mir aus Fällen in der Vergangenheit bekannt, dass e.on nicht davor zurückschreckt, die Preisschraube gerne ein paar Gänge härter anzuziehen. Für die Betroffenen ist es dann ein mühsamer und zeitaufwändiger Gang durch die Instanzen, bis sie sich erfolgreich gegen überhöhte Wärmeenergiepreise gewehrt haben.
Nützlich zu wissen ist in diesem Zusammenhang, dass die Stadt Lüneburg ein Aktienpaket respektabler Größe an der AVACON AG hält. Hinzu kommt, dass der Bürgermeister der Stadt Lüneburg, Ulrich Mädge (SPD), stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der AVACON AG ist. Auch die Wasserversorgung der Stadt Lüneburg liegt bei einem AVACON-Tochterunternehmen, der Purena GmbH. Die Avacon betreibt bereits jetzt schon drei weitere Wärmenetze. Zaghafte Rufe aus der Stadtgesellschaft nach der Gründung eines Stadtwerkes gab es in der Vergangenheit durchaus. Jedoch gelang es dem OB stets, eine Mehrheit im Rat der Stadt zu mobilisieren, die sich dann gegen ein solches Vorhaben aussprach. Dies nur einmal kurz hier angerissen, um die politische Situation vor Ort zu skizzieren.
Fernwärme kann durchaus geeignet sein, in ihrem Versorgungsgebiet eine klimaneutrale Wärmeversorgung bereitzustellen. Allerdings wird hier im konkreten Fall keine Aussage getroffen, auf welche Weise und welchen Energieträgern oder -quellen die Bereitstellung erfolgt. Für niedersächsische Kommunen gibt es durchaus eine rechtliche Grundlage, auf der ein Anschluss- und Benutzungszwang ausgesprochen werden kann. §13 (Anschlusszwang, Benutzungszwang) des Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG) verfügt dazu:
Die Kommunen können im eigenen Wirkungskreis durch Satzung
1. für die Grundstücke ihres Gebiets den Anschluss
a) an die öffentliche Wasserversorgung, die Abwasserbeseitigung, die Abfallentsorgung, die Straßenreinigung und die Fernwärmeversorgung,
b) von Heizungsanlagen an bestimmte Energieversorgungsanlagen und
c) an ähnliche dem öffentlichen Wohl dienende Einrichtungen anordnen (Anschlusszwang) sowie
2. die Benutzung
a) der in Nummer 1 genannten Einrichtungen,
b) der öffentlichen Begräbnisplätze und Bestattungseinrichtungen sowie
c) der öffentlichen Schlachthöfe
vorschreiben (Benutzungszwang), wenn sie ein dringendes öffentliches Bedürfnis dafür feststellen.
Meine erste Frage ergibt sich hieraus: Ist eine solche Satzung wie oben genannt für die Festlegung eines Anschluss- und Benutzungszwanges (ABZ) somit eine zwingende Voraussetzung, oder kann der ABZ allein auf Basis des §13 ausgesprochen werden?
Meine zweite Frage: Die AVACON GmbH ist ein privatrechtliches Unternehmen, erfüllt also die Vorgaben von §13, 1. a) nicht. Ergibt sich daraus, dass die vorgesehene Grunddienstbarkeit (Heizenergiebeschränkung) zu Gunsten der Avacon Natur GmbH unzulässig ist?
Ein BVerwG Beschluss v. 24.01.2019 - 10 BN 2/18 legt diesen Schluss nahe. Darin heißt es u.a.:
Die Fernwärmeversorgung im Satzungsgebiet sei keine öffentliche Einrichtung im Sinne des Kommunalverfassungsgesetzes, weil der mit dem privaten Betreiber der Fernwärmeversorgung geschlossene Betreibervertrag der Antragsgegnerin keinen maßgeblichen Einfluss auf die wesentlichen Fragen der Betriebsführung vermittle. Damit entfalle auch die in der Klimasatzung vorgesehene Widmung als öffentliche Einrichtung, weil die Satzung die Widmung von dem Abschluss eines den Einfluss der Antragsgegnerin sichernden Betreibervertrages abhängig mache. Darüber hinaus sei der Anschluss- und Benutzungszwang nicht mit § 16 des Gesetzes zur Förderung Erneuerbarer Energien im Wärmebereich (Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz - EEWärmeG) vereinbar, weil die Fernwärmeversorgung zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht den Anforderungen der Nummer VIII der Anlage zu diesem Gesetz genügt habe und die Antragsgegnerin nicht nachgewiesen habe, dass der Anschluss- und Benutzungszwang in hinreichendem Umfang zur Reduktion der globalen CO2-Belastung beitrage.
Über Hinweise von Foristen, die mit dieser Thematik vertraut sind, würde ich mich freuen.
Viele Grüße