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Autor Thema: Macht Unbilligkeitseinrede noch Sinn?  (Gelesen 7455 mal)

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Offline Harry01

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Macht Unbilligkeitseinrede noch Sinn?
« am: 22. März 2017, 00:11:45 »
Hallo Forum,

heute flatterte eine Mitteilung meines Stromversorgers ins Haus, daß ab 01. Mai die Preise für die Grundversorgung erhöht werden, und zwar Arbeits- und Grundperis. Die Änderung erfolge auf Basis von §5 (2) und §5a der StromGVV und wenn ich nicht einverstanden wäre, hätte ich (nur) ein Kündigungsrecht zum 30.04.2017.

Macht es Sinn, hier wieder mit dem Einwand der Unbilligkeit zu widersprechen oder ist die Rechtsprechung inzwischen so gefestigt, daß sowas keinen Erfolg mehr hat? Kündigen kann ich nicht, weil ich dann keinen Strom mehr bekomme und wechseln möchte ich auch nicht, dürfte aber auch nicht gehen, da noch immer aus den vorangegangenen Preiswidersprüchen Rückstände bestehen, die bisher nicht eingeklagt wurden und mir der Grundversorger deshalb sicher keine Schuldenfreibestätigung (heißt das so?) ausstellt, die ich für einen Wechsel aber benötige.

Offline bolli

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Re: Macht Unbilligkeitseinrede noch Sinn?
« Antwort #1 am: 22. März 2017, 08:42:16 »
Kündigen kann ich nicht, weil ich dann keinen Strom mehr bekomme...
Sie müssten auch kündigen, wenn Sie wechseln wollten, auch wenn dieses ggf. im Hintergrund vom neuen Versorger gemacht wird.

...und wechseln möchte ich auch nicht, dürfte aber auch nicht gehen, da noch immer aus den vorangegangenen Preiswidersprüchen Rückstände bestehen, die bisher nicht eingeklagt wurden und mir der Grundversorger deshalb sicher keine Schuldenfreibestätigung (heißt das so?) ausstellt, die ich für einen Wechsel aber benötige.
Wer erzählt Ihnen denn so etwas? Ein Wechsel des Versorgers ist unabhängig von etwaigen Restforderungen jederzeit möglich, sofern die vertraglichen Bedingungen dieses zulassen (Kündigungsfrist). Der Versorger darf seine etwaigen Restforderungen nicht als Druckmittel gegen Sie einsetzen !!! Ob Sie das wollen, weil Sie ggf. in der Grundversorgung mit bereits lange laufenden Preiswidersprüchen vermeintlich in einer "besseren Position" sind, ist eine andere Sache. Fakt ist aber auch, WENN Ihre Preiswidersprüche Sinn machen sollen, müssen Sie zumindest jeder Preisveränderung (egal ob nach oben oder unten) widersprechen und/oder den Unbilligkeitseinwand erheben, da gem. der BGH-Rechtsprechung ansonsten der dann hingenommene Preis als vereinbart gilt (BGH-Urteil vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 84 und BGH-Urteil vom 06.04.2016 - VIII ZR 324/12  Rn 21), und das auch für Teile, gegen die Sie früher ggf. schon widersprochen haben und über die noch nicht entschieden ist (weil z.B. noch keine Klage seitens des Versorgers erhoben wurde). Wobei dieses dann nur Auswirkungen auf die Zukunft hat.

Der Versorger muss für jede vorgenommene Preisanpassung nachweisen, dass Sie den Anforderungen, die der BGH an eine solche gestellt hat, entspricht (also darf z.B. nicht der Gewinnanteil in dem Vertragsverhältnis erhöht werden).
Derzeit meint der BGH, dass für einen Unbilligkeitseinwand bei der Rechtsposition des BGH kein Raum mehr ist, jedoch gibt es an dieser Auffassung durchaus Zweifel, Problem ist nur, dass diese nur noch der EuGH bestätigen könnte und dafür müsste erst einmal wieder ein Verfahren zur Entscheidung dorthin verwiesen oder dieser um seine Rechtsposition gefragt werden. Beides scheint derzeit nicht aktuell zu sein.

Ich würde allerdings vorsorglich weiterhin neben dem Widerspruch gegen das Preisanpassungsrecht auch den Unbilligkeitseinwand erheben. Bedeutung erlangt dieses eh erst im Klagefall und dann kann ein Rechtsanwalt selbst noch entscheiden, was er weiter verfolgt, je nachdem wie dann der Rechtssprechungsstand ist. Wird aber nicht innerhalb von 3 Jahren widersprochen bzw. Unbilligkeitseinwand erhoben, gilt dieser Preis dann als vereinbart.

Offline berghaus

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Re: Macht Unbilligkeitseinrede noch Sinn?
« Antwort #2 am: 22. März 2017, 11:51:25 »
Zitat
Der Versorger muss für jede vorgenommene Preisanpassung nachweisen, dass Sie den Anforderungen, die der BGH an eine solche gestellt hat, entspricht (also darf z.B. nicht der Gewinnanteil in dem Vertragsverhältnis erhöht werden).

Ich meine mich zu erinnern, dass die Gerichte den Vortrag der Versorger, ihre Preiserhöhungen entsprächen der Billigkeit, gerne von teueren Gutachtern untersuchen ließen und, dass diese meistens ehöhte Bezugskosten bestätigt haben.

Und auch die Frage, ob die Rechtsschutzversicherungen, wenn man denn eine hat und diese auch noch eine Zusage gibt, auch die Kosten von Gutachten übernehmen.
 
berghaus 22.03.17
« Letzte Änderung: 23. März 2017, 22:28:43 von berghaus »

Offline RR-E-ft

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Re: Macht Unbilligkeitseinrede noch Sinn?
« Antwort #3 am: 22. März 2017, 12:00:45 »
Wenn es sich um ein Grundversorgungsverhältnis handelt und die Normen, auf die der Versorger seine einseitige Preisänderung stützt, ihm wirksam das Recht zur einseitigen Preisänderung einräumen, so unterliegt eine solche einseitige Preisänderung der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB.

Anders als bei § 4 AVBEltV seit 01.07.04 und § 5 StromGVV in der bis  31.10.13 geltenden Fassung steht nicht fest, dass die jetzigen Bestimmungen der StromGVV, auf die die Grundversorger nunmehr Preiserhöhungen stützen, ebenso  wegen Intransparenz und Verstoß gegen EU- Recht unwirksam sind und deshalb noch  eine Vertragslücke besteht, die durch ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden könnte.

Der Versorger muss dabei nachweisen, dass seine Kosten entsprechend gestiegen sind.
Er muss dafür die konkreten Kostenänderungen vortragen und im Bestreitensfalle in einem gerichtlichen Verfahren beweisen. 

Daneben sind Haushaltskunden gem. § 41 Abs. 3 Satz 2 EnWG berechtigt, den Vertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, wenn der Lieferant die Vertragsbedingungen einseitig ändert.
 
Unabhängig davon besteht die Möglichkeit, einen Grundversorgungsvertrag gem. § 20 StromGVV unter Einhaltung der Kündigungsfrist von zwei Wochen ordentlich zu kündigen.

Die Kündigung kann auch durch einen beauftragten neuen Lieferanten erfolgen.

Vermeintliche oder tatsächliche Zahlungsrückstände beim Grundversorger hindern einen Lieferantenwechsel nicht.

Die Kündigung sollte man durch den neuen  Lieferanten erklären lassen, so dass im Anschluss ein neuer Stromliefervertrag mit dem anderen Anbieter besteht.

Sonst besteht die Gefahr, dass durch Stromentnahme über den Vertragsbeendigungszeitpunkt hinaus ein neuer Grundversorgungsvertrag schlüssig zustande kommt, dessen Anfangspreis als vertraglich vereinbart gilt und den man erst wieder ordentlich kündigen muss.

Oft besteht die Möglichkeit, durch einen Lieferantenwechsel ohne rechtliche Risiken zu einem deutlich günstigeren Preis zu gelangen.   
« Letzte Änderung: 22. März 2017, 12:08:57 von RR-E-ft »

Offline Harry01

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Re: Macht Unbilligkeitseinrede noch Sinn?
« Antwort #4 am: 22. März 2017, 13:57:35 »
Der Versorger darf seine etwaigen Restforderungen nicht als Druckmittel gegen Sie einsetzen !!!
Danke. Das wußte ich nicht.

Ob Sie das wollen, weil Sie ggf. in der Grundversorgung mit bereits lange laufenden Preiswidersprüchen vermeintlich in einer "besseren Position" sind, ist eine andere Sache.

Genau das ist der Grund.

Fakt ist aber auch, WENN Ihre Preiswidersprüche Sinn machen sollen, müssen Sie zumindest jeder Preisveränderung (egal ob nach oben oder unten) widersprechen und/oder den Unbilligkeitseinwand erheben, da gem. der BGH-Rechtsprechung ansonsten der dann hingenommene Preis als vereinbart gilt (BGH-Urteil vom 28. Oktober 2015 - VIII ZR 158/11, aaO Rn. 84 und BGH-Urteil vom 06.04.2016 - VIII ZR 324/12  Rn 21)

Ich habe bisher jeder Preisanpassung widersprochen.

Ich würde allerdings vorsorglich weiterhin neben dem Widerspruch gegen das Preisanpassungsrecht auch den Unbilligkeitseinwand erheben. Bedeutung erlangt dieses eh erst im Klagefall und dann kann ein Rechtsanwalt selbst noch entscheiden, was er weiter verfolgt, je nachdem wie dann der Rechtssprechungsstand ist. Wird aber nicht innerhalb von 3 Jahren widersprochen bzw. Unbilligkeitseinwand erhoben, gilt dieser Preis dann als vereinbart.

Gegen die Jahresverbrauchsabrechnung muß ich ja so oder so einen Einwand schreiben. Würde es da reichen, den Preiswiderspruch dort mit hinzuzufügen, oder muß der zwingend zu Beginn der Änderung erhoben werden? Ich würde den Aufwand für mich gern so gering wie möglich halten.

Offline Didakt

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Re: Macht Unbilligkeitseinrede noch Sinn?
« Antwort #5 am: 22. März 2017, 17:59:01 »
Zitat von: unter Antwort # 4
Gegen die Jahresverbrauchsabrechnung muß ich ja so oder so einen Einwand schreiben. Würde es da reichen, den Preiswiderspruch dort mit hinzuzufügen, oder muß der zwingend zu Beginn der Änderung erhoben werden? Ich würde den Aufwand für mich gern so gering wie möglich halten.
Ihren Preiswiderspruch können Sie durchaus wirksam in Ihrem Widerspruch gegen die aktuelle JVA zum Ausdruck bringen.

Der BdEV hat seine Musterschreiben in Sachen Preisprotest aus meiner Sicht noch nicht aktualisiert. Er führt u. a. dazu nach wie vor auf dieser Website folgendes aus:
Zitat
Der folgende Musterbrief an den Gas-/Stromversorger eignet sich dazu, die Verbraucherrechte auf faire, das heißt billige Gas-, Strom- und Fernwärmepreise geltend zu machen. Die Musterbriefe gelten nur dann, wenn es keine wirksame Preisgleitklausel für die Änderung der Preise gibt. Die meisten Preisgleitklauseln haben sich als unwirksam erwiesen.

Aus meinen Annalen habe ich zu Ihrer Kenntnis folgenden Tex kopiert, der m. E. noch verwendbar sein dürfte. Darüber werden die Experten unter den Forumsmitgliedern sicher auch noch befinden:
Den zitierten Text werde ich nach geraumer Zeit wieder löschen.

Edit: Mustertext gelöscht.
« Letzte Änderung: 24. März 2017, 08:00:55 von Didakt »

Offline Harry01

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Re: Macht Unbilligkeitseinrede noch Sinn?
« Antwort #6 am: 27. März 2017, 17:46:01 »
Danke für die Infos. Dann warte ich mal die Jahresverbrauchsrechnung ab.

 

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