Sehr geehrter Herr Benner,
Wenn Ihr Versorger bei Kostenerhöhungen die Preise immer nach billigem Ermessen erhöht hätte, hätten - wie von Ihnen geschildert der Allgemeine Tarif und der Sondertarif - wohl gar nicht auseinanderdriften können:
Tatsächliche Kostenerhöhungen hätten in der Vergangenheit billigerweise auf die Gesamtheit aller Stromkunden gleichmäßig weitergegeben werden müssen, da andernfalls schon die sog. Preisäquivalenz im Vertragsverhältnis verletzt wird.
Der einmal günstigere Tarif musste im konkreten Abnahmefall somit immer günstiger bleiben als der Allgemeine Tarif.
Wenn dies nicht so ist -was sie geschildert haben - sollte dies von großem Interesse für die Energiepreisaufsicht beim zuständigen Landeswirtschaftsministerium sein.
Informieren Sie also deshalb diese Behörde.
Im Übrigen gilt Folgendes:
Es ist zu unterscheiden zwischen dem bisherigen Stromlieferungsvertrag und dem ggf. neu abzuschließenden.
Den Einwand der Unbilligkeit können Sie bei einseitigen Preiserhöhungen des Versorgers in einem laufenden Vertragsverhältnis bringen.
§ 315 BGB ist ausgeschlossen bei individuell vereinbarten Preisen, was dann gegenüber dem neuen Versorger der Fall ist, wenn Sie Ihren Versorger wechseln.
Auf Allgemeine Tarife findet § 315 BGB entsprechende Anwendung, wie der BGH schon wiederholt festgestellt hat, weil es dabei an wirklichen Preisverhandlungen mangelt.
Die Versorger behaupten gern, diese entsprechende Anwendung gelte seit der Liberalisierung des Strommarktes 1998 nicht mehr.
Es ist aber nicht ersichtlich, was sich an der Situation entscheidend geändert haben sollte. Über die Allgemeinen Tarife verhandelt der Versorger bis heute nicht wirklich mit dem Kunden.
Auch hat der Versorger im Rahmen der Allgemeinen Versorgung nach wie vor ein Monopol. Kein anderes Unternehmen unterliegt insoweit dem Kontrahierungszwang nach § 10 EnWG. Gem. § 2 Abs. 2 AVBV kommen immer noch sog. faktische Versorgungsverträge in der Allgemeinen Versorgung zustande.
Insoweit unterscheidet sich die Situation nicht zu der vor der Liberalisierung.
Da es sich bei den behördlich genehmigten Allgemeinen Tarifen jedoch gem. § 12 BTOElt um höchstzulässige Preise handelt, macht es wohl wenig Sinn, in den Allgemeinen Tarif zu wechseln, um hiernach dessen Unbilligkeit einzuwenden.
Suchen Sie sich ggf. gleich einen günstigeren Versorger.
Ich hoffe, dass Ihr Versorger nicht zu denen gehört, die durch weit überzogene Netznutzungsentgelte Wettbewerb verhindern und sie somit hindern, einen günstigeren Anbieter zu finden.
Freundliche Grüße
aus Jena
Thomas Fricke
Rechtsanwalt