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Autor Thema: Ist der § 315 BGB tot ?  (Gelesen 4940 mal)

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Offline userD0010

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Ist der § 315 BGB tot ?
« am: 27. Juli 2015, 10:04:05 »
Trifft es auf Kunden auf dem seit 1998 liberalisierten Energiemarkt nicht (länger) zu, den § 315 BGB anzuführen, weil er sich nicht der Entscheidungsmacht seines bisherigen Energieversorgers durch den jederzeit möglichen kurzfrisitgen Wechsel zu einem anderen Anbieter zu entziehen vermochte?
Wer Jahr für Jahr auch nach 1998 bei den Jahresabrechnungen den Energiepreis unter Hinweis auf den § 315 BGB in der jewieligen Preisanhebung gerügt hat, könnte nach derartiger Aussage im Falle eines Rechtsstreites wohl dann schlechte Karten haben, oder?

Offline bolli

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Re: Ist der § 315 BGB tot ?
« Antwort #1 am: 27. Juli 2015, 13:13:00 »
Warum sollte man schlechte Karten haben ? Zumindest wenn man, wie spätestens Mitte der 2000er Jahre empfohlen wurde, der Preisrüge eine Einbehaltung gewisser Anteile des Preises folgen ließ und bisher noch keine Klage erhalten hat, dürften zahlreiche Forderungen mittlerweile "verjährt" sein, so denn bereits entsprechende Jahresrechnungen gestellt wurden (also die Forderung geltend gemacht wurde).

Den Rest der Frage habe ich aber zugegebenermaßen nicht verstanden. Vor allem den ersten Satz.

Offline energienetz

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Re: Ist der § 315 BGB tot ?
« Antwort #2 am: 27. Juli 2015, 14:20:05 »
« Letzte Änderung: 27. Juli 2015, 14:32:52 von DieAdmin »

Offline RR-E-ft

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Re: Ist der § 315 BGB tot ?
« Antwort #3 am: 29. Juli 2015, 20:17:51 »
Siehe nur BGH, B. v. 29.6.11 Az. VIII ZR 211/10 juris Rn. 17

 
Zitat
Ist einem Energieversorger aufgrund Gesetzes oder vertraglicher Vereinbarung [wirksam- Einfügung TF] ein  Preisanpassungsrecht  eingeräumt,  so  unterliegt  eine  auf  der Grundlage  dieses  Rechts  erfolgte  Preiserhöhung  als  einseitige Leistungsbestimmung der  gerichtlichen  Billigkeitskontrolle  nach  § 315  Abs. 3  Satz2  BGB, sofern  und  soweit  es  sich  nicht  um  vereinbarte  Preise  handelt  (st.  Rspr. des Senats; zuletzt Beschlüsse vom 18. Mai 2011 -VIII ZR 71/10, aaO unter III 2 a; vom 9. Februar  2011 -VIIIZR  162/09, WM  2011,  850 Rn. 18;  jeweils mwN).
« Letzte Änderung: 29. Juli 2015, 20:24:59 von RR-E-ft »

Offline userD0010

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Re: Ist der § 315 BGB tot ?
« Antwort #4 am: 02. August 2015, 08:57:16 »
Was gilt denn als "vereinbart"?  Vielleicht die Tatsache, dass der Versorger entscheidet, im der Rechnungslegung folgenden Jahr einen anderen Energiepreis zu verlangen ? Die gängige Praxis war doch wohl -in den meisten Fällen-  das der Verbraucher Jahr für Jahr mit Preiserhöhungen konfrontiert wurde, sich gegen diese schriftlich gewehrt hat und die Rechnung auf die Basis des nach seiner Auffassung "vereinbarten" Preises berufen hat.
Die sog. schlechten Karten beziehen sich auf die Behauptung der Anwaltskanzlei eines Energielieferanten, der in seiner Klage die Behauptung aufstellt, dass der § 315 BGB vtw, auch der § 307 BGB nicht bültig seien.

Offline berghaus

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Re: Ist der § 315 BGB tot ?
« Antwort #5 am: 02. August 2015, 13:06:12 »
Die Gültigkeit der BGB-§§ wird wohl keine Anwaltskanzlei in Frage stellen können.

Wenn es aber der Gegenseite nutzt, ist es dieser unbenommen, zu behaupten, was sie will, bis der Himmel nicht mehr blau ist.
(Vielleicht erklärt mal jemand, wann die Grenze zum Prozessbetrug überschritten ist.)

Wichtig ist, dass der Beklagte die unrichtigen Behauptungen Punkt für Punkt widerlegt.
Dann wird sich das Gericht an die §§ erinnern.

Der § 315 BGB spielt ja hauptsächlich im Bereich der Grundversorgung eine Rolle.

Hilfreich war es aber immer, wenn man glaubte, Sonderkunde zu sein, oder dies umstritten war,
hilfsweise den Unbilligkeitseinwand nach § 315 BGB zu erheben.
 
Diesen hilfsweisen Einwand enthielten auch schon die Musterbriefe der frühen Jahre.

berghaus 02.08.15

Offline berghaus

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Re: Ist der § 315 BGB tot ?
« Antwort #6 am: 02. August 2015, 14:35:14 »
Zitat
von berghaus:
(Vielleicht erklärt mal jemand, wann die Grenze zum Prozessbetrug überschritten ist.)

Gesucht, gefunden:
Hier und anderswo ist hierüber schon mal ordentlich diskutiert worden:

http://forum.energienetz.de/index.php/topic,12584.msg62275.html#msg62275

berghaus 02.08.15

Offline bolli

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Re: Ist der § 315 BGB tot ?
« Antwort #7 am: 03. August 2015, 07:58:21 »
Was gilt denn als "vereinbart"? 
Gemäß der Rechtsprechung des BGH (erstmalig BGH VIII ZR 36/06 Rd. 31), gilt im Bereich der Grundversorgung der Preis als vereinbart, der beim Vertragsabschluss für die Grundversorgung (egal ob dieser schriftlich oder virtuell durch Entnahme erfolgte) galt. Besser bekannt ist diese Regelung unter dem Begriff "Preissockel".
Fraglich ist möglicherweise des weiteren noch, inwieweit ein nicht rechtzeitig erfolgter Widerspruch gegen eine Preiserhöhung in der Grundversorgung ebenfalls eine Anerkennung dieser Preiserhöhung zur Folge hat und nicht mehr später mit einem Unblligkeitseinwand angegriffen werden kann.

 

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