Bevor wir uns darüber verkopfen, wer der größere oder wer der kleinere Verbraucher ist, nur ein Hinweis (und damit Schluß hierzu): Die Richtlinien sind zum "Schutz der Verbraucher" geschaffen worden - und dies leitet sich schon aus den -voran gestellten- Erwägungen her.
Was ist nun drin, in der Mogelpackung der §§ 36, 39 EnwG, welche sodann in den Bestimmungen gem. § 4 AVB und/oder § 5 GVV daher geschlichen kam und als solche erkannt worden war.
Schon der Begriff "Preisbestimmungspflicht" schafft für sich betrachtet etwas Unbehagen. Diese Pflicht passt eben halt nur in Bereiche der Daseinsvorsorge bzw. der Grundversorgung.
Man kann die Bestimmungen des § 36 EnwG als legislative Ausprägung dieser Pflicht verstehen. Man muss sich dann aber auch dazu äußern, ob es sich bei dieser Bestimmung eben nur um eine "formale" Pflicht oder auch um eine "materielle" Preisbestimmungspflicht handelt.
Zunächst scheint es sich mit § 36 EnWG nur um eine formale Preisbestimmungspflicht zu handeln. Denn die Norm sieht eine Reihe formaler Bedingungen vor, welche von dem Versorger eingehalten werden müssen, damit Tarife wirksam werden können.
Formelles Preisordnungsrecht statuiert allerdings keine materiellen Preisbildungspflichten.
Dies zeigt sich an den Bestimmungen der Preisangabenverordnung (PAngVO). Von Bedeutung ist hierin insbesondere die Zentralnorm des § 1 PAngVO. Derjenige, der Letztverbrauchern gewerbs- oder geschäß̊ig oder regelmäßig in sonstiger Weise Waren oder Leistungen anbietet oder als Anbieter von Waren oder Leistungen gegenüber Letztverbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt, muss die Preise angeben (§ 1 Abs. 1 S. 1 PAngVO), die einschließlich der Umsatzsteuer und sonstigen Preisbestandteilen unabhängig von einer Rabattgewährung zu zahlen sind (Endpreise). Die Preisangabenverordnung läßt auch zu, auf die Bereitschaft ̧über den angegebenen Preis zu verhandeln hinzuweisen (§ 1 Abs. 1 S. 3 PAngVO), soweit es der allgemeinen Verkehrsauffassung entspricht und Rechtsvorschriften nicht entgegen stehen.
Man hätte sich also schlicht mit der PAngVO begnügen können. Allerdings kommen in § 36 EnWG noch andere, weitere Formalien ins Spiel, welche sich aus dem Wortlaut der PAngVO nicht herleiten können. Diese Zusätze finden sich jetzt halt doch in der "Natur der Sache", d.h. in darin, dass Massengeschäfte vorliegen und die Daseinsvorsorge betroffen ist.
Allein mit dem Wortlaut des § 36 EnWG läßt sich somit noch kein materielles Preisbestimmungsrecht begründen. Dies setzt immerhin einen materiellen Interessenausgleich voraus, bei dem sich beide Marktteilnehmer auf gleicher Augenhöhe befinden. Da kommen dann noch Elemente wie § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 EnWG ins Spiel. Bei rechtem Lichte betrachtet bewirken diese Regelinstrumente nicht mehr als die Parabel, dass "was sein soll, noch lange nicht so ist".
Um zu einem materiellen Preisbestimmungsrecht zu gelangen, bedürfte eines wirkungsvollen Korrektivs, welches den materiellen Interessenausgleich sichert (oder wie es die Gas- und Stromrichtlinien ausdrücken: den Verbraucher schützt). Dazu hat man die GVV's und AVB's an die §§ 36, 39 EnWG angehängt - was jetzt wirkungsvoll als in die Hose gegangen angesehen werden kann. Was wir von dem Korrektiv des § 315 BGB halten dürfen - und sich recht eindrucksvoll in der Rechtsprechungspraxis in allen Instanzen gezeigt hat - braucht hier auch nicht weiter erörtert zu werden.
Und eine materielle Preiskontrolle will der Bundesgesetzgeber ja auch nicht; dem ist ja der Zivilrechtserfindungsenat auch wiederum, durchwinkend, gefolgt.
Also, worin soll die zivilrechtsfundierte und verfassungsrechtlich (Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG) abgesicherte Rechtsgrundlage für ein materielles Preisbildungsrecht gesehen werden ?
Ein Blick in die Schweiz eröffnet Horizonte, über die wir uns im nordeuropäischen Wirtschaftskapitalismus Stehenden hinweg gesetzt wähnen. Die Schweizer haben ein Stromversorgungsgesetz und eine Stromversorgungsverordnung. In der Stromversorgungsverordnung wurde geregelt (siehe da):
Art. 4 Elektrizitätstarife und Kostenträgerrechnung für Energielieferung
1 Der Tarifanteil für die Energielieferung an Endverbraucher mit Grundversorgung orientiert sich an den Gestehungskosten einer effizienten Produktion und an langfristigen Bezugsverträgen des Verteilnetzbetreibers.
2 Der Verteilnetzbetreiber ist verpflichtet, gegenüber Endverbrauchern mit Grundversorgung Erhöhungen oder Senkungen der Elektrizitätstarife zu begründen. Aus der Begründung muss hervorgehen, welche Kostenveränderungen zur Erhöhung oder Senkung führen.
3 Der Verteilnetzbetreiber ist verpflichtet, der ElCom Erhöhungen der Elektrizitätstarife mit der den Endverbrauchern mitgeteilten Begründung bis spätestens zum 31. August zu melden.
Das Schweizer Bundesgericht
http://www.wangensz.ch/documents/Bundesgerichtsentscheid.pdf hatte am 23.11.2012 in einer Rechtssache 2C 518/2012 zu entscheiden und ausgeführt:
Dass für feste Endverbraucher mit gleichartiger Verbrauchscharakteristik ein einheitlicher Tarif festzulegen ist (Art. 6 Abs. 3 StromVG [...] Nach Bundesrecht unterliegen die Elektrizitätstarife der Aufsicht der ElCom. Der Verteilnetzvertreiber muss gegenüber Endverbrauchern mit Grundversorgung Erhöhungen oder Senkungen der Elektrizitätstarife begründen (Art. 4 Abs. 2 StromVV. Er muss Erhöhungen der Tarife auch der ElCom mit der den Endverbrauchern mitgeteilten Begründung melden (Art. 4 Abs. 3 StromVV). Die ElCom kann die Tarife überprüfen [...]
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Wenn man sich nur auf den § 36 EnWG zurück ziehen möchte, dann kocht man den ausgelutschten Teebeutel noch ein weiteres Mal. So stelle ich mir keine materielle Preisbildungsrechtsgrundlage nicht vor.