Energiepreis-Protest > Gerichtsurteile zum Energiepreis-Protest
BGH, Urt. v. 3.12.14 VIII ZR 370/13 obiter dicta(tur)
RR-E-ft:
Ohne dass wir bereits wissen, wie der VIII.ZS zu seinem neuerlichen obiter dictum gefunden haben will, lässt sich wohl schon folgendes anmerken:
Ein Energielieferungsvertrag unterfällt dem Kaufrecht.
Haben sich die Parteien bei Vertragsabschluss auf einen Preis geeinigt, besteht keine Regelungslücke.
Die vertraglichen Hauptleistungspflichten im Sinne des § 241 BGB liegen damit fest.
Der Energielieferant als Verkäufer trägt nach der gesetzlichen Regelung das Risiko nachträglicher Kostensteigerungen.
Möchte der Verkäufer dieses Risiko - in Abweichung von § 241 BGB - auf den Käufer verlagern, so obliegt es ihm, eine Preisänderungsklausel in den Vertrag einzubeziehen.
Im Kern liegt die Verwendung einer Preisänderungsklausel, mit welcher von der gesetzlichen Regelung abgewichen wird, wonach der Verkäufer an den vereinbarten Preis gebunden ist, immer nur im Interesse des Verkäufers. Deshalb unterliegt eine Preisänderungsklausel innerhalb Allgemeiner Geschäftsbedingungen auch der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB. Ergibt sich bei der Inhaltskontrolle, dass die Preisänderungsklausel unwirksam ist, so ist der Versorger zu einseitigen Preisänderungen weder berechtigt noch verpflichtet. Es verbleibt bei der gesetzlichen Regelung §§ 241, 433 BGB.
Unzutreffend erscheint deshalb die Argumentation des VIII.ZS über "die Einbeziehung eines vertragstypischen und im Grundsatz den Interessen beider Parteien Rechnung tragenden formularmäßigen Preisanpassungsrechts". Schließlich hat bisher auch noch niemand ein solches vertragstypisches und im Grundsatz den Interessen beider Parteien Rechnung tragendes formularmäßiges Preisanpassungsrecht zu Gesicht bekommen. Alle formularmäßigen Preisanpassungsrechte, die bisher vom Senat geprüft wurden, benachteiligten die Kunden unangemessen (vgl. nur BGH, Urt. v. 31.07.13 VIII ZR 162/09). Typisch erscheint deshalb allein die unangemessene Benachteiligung der Kunden durch formularmäßige Preisanpassungsrechte.
Wurde keine Preisänderungsklausel einbezogen, hat man es demnach nicht mit einer planwidrigen Regelungslücke zu tun, sondern mit der regulären gesetzlichen Regelung §§ 241, 433 BGB.
Eine planwidrige Regelungslücke kann allenfalls dann angenommen werden, wenn beide Vertragsteile übereinstimmend den Plan verfolgten, eine Preisänderungsklausel in den Vertrag einzubeziehen (vgl. BGH, Urt. v. 14.03.12 - VIII ZR 113/11, juris Rn. 20).
Wurde hingegen keine Preisänderungsklausel in den Vertrag einbezogen, was mehrere Gründe haben kann, so spricht schon nichts dafür, dass es überhaupt dem Plan des Kunden als Käufer entsprach, eine Preisänderungsklausel einzubeziehen.
Allein der (missglückte) Plan des Verkäufers, eine Preisänderungsklausel einzubeziehen, schafft demnach noch keine planwidrige Regelungslücke im Vertragswerk, für die es auf den übereinstimmenden Regelungsplan beider Vertragsparteien ankommt.
Nach alldem vermag auch dieses obiter dictum nicht zu überzeugen.
tangocharly:
Eine gewisse Beliebigkeit in der Handhabung des Instruments "Ergänzende Vertragsauslegung" ist beim 8.ZS schon auszumachen.
Während in der Entscheidung vom 28.10.2009, Az.: VIII ZR 320/07, Tz 44,45 zu lesen ist:
--- Zitat ----Zwar zählen zu den gemäß § 306 Abs. 2 BGB bei Unwirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen anwendbaren gesetzlichen Vorschriften auch die Bestimmungen der §§ 157, 133 BGB über die ergänzende Vertragsauslegung (BGHZ 90, 69, 75 zu der Vorgängerregelung in § 6 Abs. 2 AGBG; Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 36). Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt aber nur dann in Betracht, wenn sich die mit dem Wegfall einer unwirksamen Klausel entstehende Lücke - wie hier (dazu vorstehend unter II 3 b ) - nicht durch dispositives Gesetzesrecht füllen lässt und dies zu einem Ergebnis führt, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern das Vertragsgefüge einseitig zugunsten des Kunden verschiebt (BGHZ 90, 69, 77 f.; 137, 153, 157; Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 36). Das ist hier nicht der Fall.
Gemäß § 4 der Vertragsfassungen A, B und C steht der Beklagten das Recht zu, sich jeweils mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ablauf der Mindestvertragslaufzeit von zwei Jahren und sodann zum Ablauf der um je zwölf Monate verlängerten Vertragslaufzeit vom Vertrag zu lösen. Wenn sie bis zu diesem Zeitpunkt an den vertraglich vereinbarten Preis gebunden bleibt, so führt bereits dies nicht ohne Weiteres zu einem die ergänzende Vertragsauslegung gebietenden unzumutbaren Ergebnis (vgl. BGHZ 176, 44, Tz. 33; BGHZ 179, 186, Tz. 26; Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 25/07, aaO, Tz. 37).
--- Ende Zitat ---
Dann war der 8.ZS mit seiner Entscheidung vom 15.07.2009, Az.: VIII ZR 225/07, Tz. 37, doch schon einiges weiter:
--- Zitat ---Gemäß § 14 Nr. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen steht der Beklagten das Recht zu, sich jeweils mit einer Kündigungsfrist von einem Monat zum Ablauf der Mindestvertragslaufzeit von 18 Monaten und sodann zum Ablauf der um je zwölf Monate verlängerten Vertragslaufzeit vom Vertrag zu lösen. Wenn sie bis zu diesem Zeitpunkt an den vertraglich vereinbarten Preis gebunden bleibt, so führt dies nicht ohne weiteres zu einem unzumutbaren Ergebnis (vgl. BGHZ 176, 244, Tz. 33; Senatsurteil vom 17. Dezember 2008, aaO, Tz. 26). Soweit die Beklagte in der Revisionsinstanz geltend macht, eine nicht mehr hinnehmbare grundlegende Störung des vertraglichen Gleichgewichts ergebe sich daraus, dass sie aus rechtlichen und politischen Gründen massenhafte Rückforderungen anderer Kunden zu gewärtigen habe, in deren Verträgen die unangemessene Preisanpassungsklausel ebenfalls enthalten sei, zeigt sie entsprechenden Sachvortrag in den Instanzen nicht auf, obwohl dazu Anlass bestanden hätte, nachdem bereits das Amtsgericht die Preisanpassungsklausel gemäß § 307 Abs. 1 BGB als unwirksam angesehen hat. Es kann deshalb offen bleiben, ob ein sich aus dem Abschluss einer Vielzahl gleich lautender Verträge ergebender wirtschaftlicher Nachteil überhaupt geeignet sein kann, eine nicht mehr hinnehmbare einseitige Verschiebung des im Individualprozess zu beurteilenden konkreten Vertragsgefüges zulasten des Verwenders zu begründen.
--- Ende Zitat ---
Beileibe muss, mit Rücksicht auf diesen Filter, nun auf dem Weg dieses Instituts (erg. Vertragsauslegung) und schon gar nicht zwingend, eine Unzumutbarkeit hergeleitet werden. Sonst hätte dies - wie ja beim 8. ZS üblich, obiter dictum - bereits beantwortet werden können.
Jetzt, am 03.12.14, soll dies halt doch mit einer etwas abgespeckten Begründung wieder eine Rolle spielen. Das Verwirkungsinstrumentarium wirkt schon wieder aus dem Gebüsch. Oder mit anderen Worten ausgedrückt: Der schweigende Kunde sei der Dumme - hätte er doch seinen Widerspruch formuliert - immerhin sei dem Sonderkunden ja schon seit 2005 klar gewesen, dass die PA-Klauseln reihenweise unwirksam sind.
Nicht hingeguckt hat der 8. ZS auf die Entscheidungsgründe des EuGH vom 23.10.2014, wo sich der Gerichtshof gegen die Fristenlösung ausgesprochen hatte. Dabei wurden genau die Argumente besprochen, welche der 8.ZS ja schon in seiner Entscheidung vom 15.07.2009 besprochen hatte.
Was der Gerichtshof nicht für zwingend ansah, was der BGH bislang nicht für zwingend ansah, das wird jetzt schlau in das Gewand "Akzeptanz" gekleidet. Und wieder hat der 8.ZS auf den kreativen Busch geklopft und einen neuen (alten) Bären aus dem Schlaf gerissen.
uwes:
BGH contra EuGH
die nationalen Gerichte sollten auf die Europarechtswidrigkeit der Entscheidung reagieren und Rechtssachen, bei denen die Fristenlösung zur Anwendung gelangen könnte, dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorlegen.
Siehe hier:http://forum.energienetz.de/index.php/topic,18522.msg112258.html#msg112258
RR-E-ft:
--- Zitat von: uwes am 04. Dezember 2014, 12:26:04 ---BGH contra EuGH
die nationalen gericht sollte auf die Europarechtswidrigkeit der Entscheidung reagieren und Rechtssachen, bei denen die Fristenlösung zur Anwendung gelangen könnte, dem Geriochtshof zur Vorabentscheidung vorlegen.
Siehe hier:http://forum.energienetz.de/index.php/topic,18522.msg112258.html#msg112258
--- Ende Zitat ---
Der VIII.ZS möchte wohl nach seinem obiter dictum VIII ZR 370/13 - darum geht es an dieser Stelle - eine angeblich planwidrige Regelungslücke erdichten, selbst wenn sich ein entsprechender übereinstimmender Regelungsplan der Vertragsparteien schon gar nicht feststellen lässt. Mit einer solchen Problematik wurde der EuGH wohl bisher noch nicht befasst.
Dabei geht es um die Verletzung nationalen Rechts. Wo der Anknüpfungspunkt zum Gemeinschaftsrecht zu sehen sein soll, ist nicht offensichtlich.
uwes:
Die Auffassung des BGH erscheint vor folgendem Hintergrund geradezu widersinnig:
Versorger 1 trifft mit den Kunden eine (AGB-rechtswidrige) unwirksame Preisregelung. Nach Jahren der Nichtbeanstandung macht der Kunde Rückforderungsansprüche geltend. Er obsiegt, weil nach EuGH das nationale Gericht an einer Vertragsanpassung gehindert ist.
Versorger 2 nimmt in seine Verträge keine Preisänderungsregelung mit auf. Er erhöht - wie Versorger 1 regelmäßig seine Preise. Nach Jahren der Nichtbeanstandung verlangt der Kunde die auf Preiserhöhungen fußenden Zahlungen zurück. Jetzt wendet der BGH die Fristenlösung an, weil ein Bezug zur RiLi 93/13 nicht gegeben ist mangels Vorliegen einer unwirksamen Klausel. Der Kunde verliert soweit er die Rückzahlung auf Preise stützt, die nicht innerhalb einer Zeit von 3 Jahren rückwirkend vereinbart waren.
Hier sehe ich die Argumentation von Zimmerlin:
--- Zitat ---Das vom BGH gesetzte Richterrecht zum sog. Preissockel verstößt somit nicht nur - wie in den Beispielen aufgezeigt – gegen das Transparenzgebot sondern auch gegen das Diskriminierungsverbot, das in den Art. 3 und 4 der EU-Richtlinie 93/13/EWG sowie in Art. 102 Abs. 1 AEUV (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Februar 1979 - Rs. 85/76, Slg. 1979, 461 Rn. 125 …) zum Schutz der Kunden festgelegt ist. Der BGH hat per Richterrecht sogar quasi eigene intransparente und die Kunden diskriminierende Regeln geschaffen und damit das Gegenteil dessen bewirkt, wozu er in Art. 7 der EU-Richtlinie 93/13/EWG verpflichtet ist, nämlich dafür zu sorgen, dass "im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird."
--- Ende Zitat ---
der insoweit richtig auf die Gleichbehandlung der Parteien auch durch die Gerichte sowie die Zielsetzungen der RiLi hinweist. Schließlich handelt es sich um nahezu identische Sachverhalte, die sich nur in einem Punkt unterscheiden. Versorger 1 hatte unwirksame Preisregelungen und Versorger 2 gar keine. Schafft der BGH aber die Möglichkeit, dem Versorger Preisanpassungsregelungen allein durch Rechtsprechung zu verschaffen, dann schafft er dem Kunden nicht ersichtliche und damit intransparente Preisregelungen, die Ihrerseits die Transparenzanforderungen der RiLi 200353 und 54/EG nicht erfüllen, zudem gegenüber den Kunden des Versorgers 1 diskrininierend sind und möglicherweise doch recht willkürlich und somit verfassungswidrig.
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