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Autor Thema: BGH, Urt. v. 22.7.14 VIII ZR 313/13 konkludenter Vertragsschluss Gas  (Gelesen 4984 mal)

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Offline RR-E-ft

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Bisher gibt es zu dem Urteil vom 22.07.14 Az. VIII ZR 313/14 zum stillschweigenden Vetragsschluss durch Energienentnahme nur die PM Nr. 116/14:

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&Seite=1&nr=68357&linked=pm&Blank=1

Zitat
Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

Nr. 116/2014

Zum stillschweigenden Vertragsschluss durch Energieverbrauch

Der Bundesgerichtshof hat heute eine weitere Entscheidung zu der Frage getroffen, mit wem ein Vertrag durch die Entnahme von Energie zustande kommt, wenn ein schriftlicher Liefervertrag nicht abgeschlossen worden und das mit Energie versorgte Grundstück vermietet oder verpachtet ist.

Die Klägerin, ein Energieversorgungsunternehmen, begehrt von der Beklagten als Mitmieterin eines Einfamilienhauses in Berlin eine Vergütung in Höhe von 6.964,75 € für das in dem Einfamilienhaus in der Zeit vom 1. Oktober 2005 bis zum 23. Juli 2008 verbrauchte Gas. Die Beklagte hatte den gemeinsam mit ihrem damaligen Lebensgefährten abgeschlossenen Mietvertrag aus "Bonitätsgründen" als zweite Mieterin unterschrieben, in dem Einfamilienhaus allerdings nicht gewohnt.

Das Landgericht hat der Zahlungsklage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Kammergericht das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie ihr Zahlungsbegehren weiterverfolgte, hatte Erfolg.

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat seine Rechtsprechung, dass sich das in dem Leistungsangebot des Energieversorgungsunternehmens schlüssig enthaltene Angebot zum Abschluss eines Versorgungsvertrags (sogenannte "Realofferte") typischerweise an denjenigen richtet, der nach außen erkennbar die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübt, präzisiert. Es kommt danach nicht maßgeblich auf die Eigentümerstellung, sondern auf die hierdurch vermittelte Zugriffsmöglichkeit auf den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt an. Soweit das Grundstück vermietet oder verpachtet ist, steht die tatsächliche Verfügungsgewalt entsprechend der aus dem Mietvertrag folgenden rechtlichen Befugnis dem Mieter zu. Das gilt auch für mehrere gemeinschaftliche Mieter eines Einfamilienhauses. Dementsprechend richtet sich mangels anderer Anhaltspunkte das Vertragsangebot des Versorgungsunternehmens regelmäßig an sämtliche Mieter.

Das typischerweise an alle Mieter gerichtete Angebot des Energieversorgungsunternehmens wird von demjenigen, der die Energie entnimmt, konkludent angenommen, und zwar sowohl für sich selbst als auch im Wege der Stellvertretung für die übrigen Mieter. Die Vertretungsmacht beruht im Streitfall jedenfalls auf den Grundsätzen der Duldungsvollmacht. Indem die Beklagte den Mietvertrag unterzeichnete und den Mitmieter im Anschluss daran allein in das Haus einziehen ließ, duldete sie es willentlich, dass er die – zur Nutzung zwingend erforderliche – Heizung in Betrieb nahm, Gas verbrauchte und damit die Realofferte der Klägerin annahm.

Urteil vom 22. Juli 2014 – VIII ZR 313/13

LG Berlin - Urteil vom 1. August 2012 - 13 O 201/1

KG Berlin - Urteil vom 10. Oktober 2013 - 22 U 233/12
« Letzte Änderung: 23. Juli 2014, 13:51:00 von RR-E-ft »

Offline RR-E-ft

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Dass im Streitfall - wie vom Senat festgestellt - die Voraussetzungen einer Duldungsvollmacht vorgelegen haben sollen, darf bezweifelt werden.

http://www.jura-schemata.de/duldungsvollmacht.htm

Zweifelhaft ist nämlich, ob der Mieter beim stillschweigenden Vertragsabschluss durch Energienentnahme (auch) als Vertreter der Beklagten aufgetreten war.
Hierzu wäre wohl erforderlich gewesen, dass der Mieter eine eigene Willenserklärung (auch) in fremden Namen abgab (Offenkundigkeitsprinzip), also im Namen der Beklagten.
Worin nun aber diese Erklärung des Mieters (auch) in fremden Namen zu handeln, im Streitfall gesehen werden soll, ist nicht recht ersichtlich.
 
Grundsätzlich gilt, dass dann, wenn der Vertreter im Namen eines anderen handelt und dieses nicht zum Ausdruck bringt, ein Eigengeschäft des Vertreters vorliegt.

Mag man noch unterstellen, dass der Mieter durch Energieentnahme eine  Realofferte des Versorgers annimmt, so kann man aber wohl nicht unterstellen,
dass er dabei zugleich auch die Annahme auch im Namen eines von ihm Vertretenen erklärt hat.

Bei Lichte betrachtet wurde dabei wohl ausdrücklich gar nichts erklärt, schon gar nicht, dass die Annahme der Realofferte des Versorgers (auch) im Namen eines Vertretenen erfolgt.
Nur durch eine solche in der Regel ausdrückliche Erklärung, im Namen eines Vertretenen zu handeln, kann der Rechtsschein erweckt werden,
auf welchem die Duldungsvollmacht letztlich gründet.

Für den stillschweigenden Abschluss eines Energielieferungsvertrages durch den Mieter erscheint es schließlich schon nicht notwendig, dass dieser eine Annahmeerklärung auch als Vertreter im Namen evtl. vorhandener Mitmieter abgibt:
 
Ohne Erklärung, im Namen eines Vertretenen zu handeln, ist die stillschweigende Annahmeerklärung durch Energieentnahme ein Eigengeschäft des einzelnen Mieters,
so dass mit diesem und nur mit diesem durch Energieentnahme stillschweigend ein Vertrag geschlossen wird.

Selbst wenn die Beklagte gewusst haben sollte, dass zur Nutzung zwingend eine Heizung und für deren Betrieb Gas erforderlich war, so geht damit jedoch nicht die Kenntnis einher,
dass dafür ein Energielieferungsvertrag auch mit ihr notwendig ist. Denn letztgenannte Notwendigkeit bestand gar nicht.

Schließlich hätte es vollkommen ausgereicht, wenn allein der Mieter hierfür mit einem Gaslieferanten seiner Wahl einen Energielieferungsvertrag abschließt,
was einen stillschweigenden Vertragsabschluss mit dem Grundversorger durch bloße Energieentnahme mit einschließt.         
« Letzte Änderung: 24. Juli 2014, 11:08:10 von RR-E-ft »

Offline tangocharly

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Das Modell der stillschweigenden Vertragsschlüsse - von der einen Krücke (Realakt) zur nächsten (Anscheins- und Duldungsvollmacht) - beginnt langsam zum Ausreißer zu wuchern.

Es war halt schon immer so: Die Einen bauen Luftschlösser - und die Anderen die wohnen sogar darin.
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline RR-E-ft

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