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OLG Hamm, Urt. v. 19.11.13 Az. 19 U 116/13 konkludenter Vertragsabschluss Strom
RR-E-ft:
Wie den Terminshinweisen des BGH entnommen werden kann, stehen am 2.Juli 2014 zu den Aktenzeichen VIII ZR 313/13 und VIII ZR 316/13 Verhandlungen an,
welche den Vertragsabschluss von Energielieferungsverträgen Strom bzw. Gas durch Energieentnahme zum Gegenstand haben.
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass seit 2005 Grundversorger gem. § 36 Abs. 1 EnWG nur noch verpflichtet sind, mit Haushaltskunden Grundversorgungsverträge für die Belieferung mit Strom bzw. Gas abzuschließen. Das Angebot zum Abschluss von Grundversorgungsverträgen für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck zu den gem. § 36 Abs. 1 EnWG öffentlich bekannt gegebenen und im Internet veröffentlichten Allgemeinen Preisen und Bedingungen des Grundversorgers richtet sich demnach auch nur an Haushaltskunden iSv. § 3 Nr. 22 EnWG.
[Haushaltskunden sind per gesetzlicher Definition nur Letztverbraucher, die Energie überwiegend für den Eigenverbrauch im Haushalt
oder für den einen Jahresverbrauch von 10.000 kWh nicht übersteigenden Eigenverbrauch für berufliche, landwirtschaftliche oder gewerbliche Zwecke kaufen.]
Dies muss auch dann gelten, wenn man in der Leistungsbereitstellung eine Realofferte des Grundversorgers sehen will, welche durch Energieentnahme angenommen werden kann (§§ 2 Abs. 2 StromGVV/ GasGVV). In Betracht kommt dabei deshalb nur ein konkludenter Vertragsabschluss des Grundversorgers mit einem Haushaltskunden in Niederspannung oder Niederdruck.
Oftmals üben Grundstückseigentümer die tatsächliche Sachherrschaft über an das Netz der allgemeinen Versorgung angeschlossene vertragsfreie Abnahmestellen aus,
bei denen es sich jedoch gem. § 3 Nr. 22 EnWG nicht um Haushaltskunden handelt.
Kann es demnach durch die Energieentnahme von Energie in Niederspannung oder Niederdruck nicht zum konkludenten Abschluss eines Grundversorgungsvertrages kommen, weil es sich bei demjenigen, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Abnahmestelle ausübt und dem deshalb die Energieentnahme zugerechnet wird,
um keinen Haushaltskunden handelt, erfolgt die Energielieferung deshalb gleichwohl nicht rechtsgrundlos, so dass sich die gegenseitigen Leistungen allein nach Bereicherungsrecht zu richten hätten.
Vielmehr erfolgt dann die Belieferung des Letztverbrauchers, der die tatsächliche Sachherrschaft über die vertragslose Abnahmestelle ausübt und dem deshalb die Energieentnahme über jene zugerechnet wird, im gesetzlichen Schuldverhältnis der Ersatzversorgung mit Energie (§ 38 EnWG).
Dieses gesetzliche Rechtsverhältnis endet jedoch spätestens nach drei Monaten.
Eine über den Zeitpunkt des Endes der Ersatzversorgung hinausgehende Energieentnahme führt aus o. g. Gründen auch nicht zum Abschluss eines Grundversorgungsvertrages. Die Fiktion eines weiteren Ersatzversorgungsverhältnisses im Anschluss (in Kette) stünde im Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers, eine zeitlich unbegrenzte Ersatzversorgung nicht zuzulassen. Eine zeitlich unbegrenzte Ersatzversorgung hat der Gesetzgeber ausdrücklich nicht gebilligt.
tangocharly:
Wir wollen doch hierzu zwei Dingen auseinander halten. Eine Realofferte im Bereich der Daseinsvorsorge (hier: elektrische Energie) beinhaltet zwei Vertragselemente:
(1) Mietvertrag über die Messstelleneinrichtung (vulgo: Zähler);
(2) Kaufvertrag über elektrische Energie (bzw. Bezugsvertrag).
Wenn der Mieter auszieht und seinen Auszug dem Versorger anzeigt, dann erklärt er (auch wenn das Wort Kündigung nicht fällt) seinen Beendigungswillen den Zählermietvertrag betreffend.
Wenn der Mieter auszieht und zudem den Versorger wechselt, dann muß er sich klar und verständlich ausdrücken (z.B. Sonderkündigungsrecht). Erst damit wird auch der Bezugsvertrag/Strom beendet.
Wenn der Vermieter einen Leerstand hat und auch keinen Strom entnimmt (Heizung, Hausbeleuchtung, etc.), dann muß er dem Versorger eine Stilllegung anzeigen, will vermieden sein, dass die Grundgebühren (Messstelleneinrichtung) weiter laufen.
Hat der Mieter dem Versorger seinen Umzug innerhalb des gleichen Versorgungsgebietes rechtzeitig angezeigt (und an seiner neuen Wohnung den Stecker in die Steckdose gesteckt), dann fehlt jeglicher Vertragswille des Mieters dazu, an seiner alten Wohnung Strom beziehen zu wollen.
Bezieht der neue Mieter die (alte) Wohnung, ohne dass er oder der Vermieter dies dem Versorger mitgeteilt haben, dann richtet sich die Realofferte (Stecker in die Steckdose) an den Eigentümer/Vermieter. Letzterer hat die Verfügungsgewalt über die Messstelle, deshalb beißen ihn nun auch die Hunde, wenn der (neue) Mieter sich sein Süppchen in der neuen Wohnung kocht.
Aus welchem Grunde sollte also der alte Mieter, der bereits einen Grundversorgungsvertrag sein eigen nennt, in seiner neuen Wohnung eine Realofferte über die Fortsetzung seines Strombezugs und dazu noch genau zu den gleichen Konditionen wie zuvor abgeben können/müssen ?
Denn, so der BGH, die Realofferte soll einen vertragslosen Zustand vermeiden - und ein solcher existiert ja gerade nicht, was die Bezugsbedingungen des bestehenden Vertrages anbelangt.
RR-E-ft:
@tangocharly
--- Zitat von: tangocharly am 01. Juli 2014, 19:53:46 ---Wir wollen doch hierzu zwei Dingen auseinander halten. Eine Realofferte im Bereich der Daseinsvorsorge (hier: elektrische Energie) beinhaltet zwei Vertragselemente:
(1) Mietvertrag über die Messstelleneinrichtung (vulgo: Zähler);
(2) Kaufvertrag über elektrische Energie (bzw. Bezugsvertrag).
--- Ende Zitat ---
Ihre Darstellung ist unzutreffend.
Der Kunde schließt regelmäßig nur einen Energielieferungsvertrag ab, der dem Kaufrecht unterfällt.
Der Kunde schließt regelmäßig daneben keinen Mietvertrag über die Messeinrichtung ab!
Der Zähler steht schon nicht im Eigentum des Vermieters der Wohnung und wird auch nicht von diesem mitvermietet.
Vielmehr ist es so, dass der Zähler im Eigentum des Messstellenbetreibers steht, welcher entweder mit dem Netzbetreiber identisch ist oder diesem den Zähler gegen Entgelt überlässt.
Der Netzbetreiber preist das Entgelt für die Zählernutzung ein, welches er vom Anschlussnutzer beansprucht (Netzentgelt).
Anschlussnutzer ist zumeist ein Stromhändler, der über den Zählpunkt Strom liefert.
Ein solcher Stromhändler ist auch der Grundversorger.
Die vom Stromhändler zu zahlenden Netzentgelte einschließlich Kosten für Messstellenbetrieb und Messung werden regelmäßig in den Strompreis eingepreist (vgl. § 40 Abs. 2 Nr. 7 EnWG).
Der Stromkunde schuldet aufgrund eines bestehenden Energielieferungsvertrages nur die Zahlung des Strompreises gegenüber dem Stromlieferanten, in welchem die Netzenetgelte und in diesen die Entgelte für den Messstellenbetrieb und die Messung enthalten sind.
Wenn ein Mieter auszieht, ohne den bestehenden Stromlieferungsvertrag mit dem Grundversorger ordnungsgemäß zu kündigen, so bleibt er weiter aus diesem ungekündigten Vertragsverhältnis berechtigt und verpflichtet. Darauf, ob der ausziehende Mieter noch den Willen hat, dort noch weiter Energie zu beziehen, kommt es für den weiteren Fortbestand eines abgeschlossenen Vertragsverhältnisses mit dem Grundversorger schlicht nicht an. So wie auch ein Mietvertrag nicht dadurch beendet wird, dass der Mieter ohne Erklärung auszieht und nicht mehr den Willen hat, die Wohnung weiter zu nutzen.
Wenn deshalb der ausziehende Mieter weiter Vertragspartner des Grundversorgers ist, kann nicht zugleich den Vermieter eine entsprechende Verpflichtung treffen.
Denn eine Realofferte des Grundversorgers zum Neuabschluss eines Vertrages kann nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH nur dann angenommen werden, soweit kein anderes früher begründetes Vertragsverhältnis noch unbeendet besteht.
Zieht dieser ausziehende Wohnungsmieter nun in eine neue Wohnung ein, zu deren Abnahmestelle noch keinerlei Energielieferungsvertrag besteht, so genügt für den Neuabschluss eines Grundversorgungsvertrages die Energienetnahme aus dem Netz über den Zählpunkt, über welchen er als Mieter die Verfügungsgewalt inne hat.
Dann hat er eben zwei Verträge mit dem Grundversorger abgeschlossen, aus denen er zugleich berechtigt und verpflichtet ist.
Der Abschluss von mehreren parallel laufenden Grundversorgungsverträgen für mehrere Abnahmestellen ist niemandem verwehrt.
tangocharly:
.... und Ihre remonstratio erklärt nicht, auf welcher Rechtsgrundlage der für die Stromentnahme an der Übergabestelle wichtige Hausanschlusskasten in den Rechtsbereich des Mieters, Eigentümer gelangt,
im Rechtsbereichs des Hausbesitzers (Eigentum) verweilen darf und
dem Netzbetreiber das Recht vermitteln soll, Zutritt zu dieser Installation zu verlangen, um dort eine Verplombung durchzuführen (Sachbeschädigung ?)
RR-E-ft:
Der BGH stellt darauf ab, dass derjenige durch bloße Energieentnahme stillschweigend einen Energieliefervertrag abschließen kann, der die tatsächliche Sachherrschaft über eine vertragsfreie Abnahmestelle ausübt. Das kann der Grundstückseigentümer oder auch dessen Pächter/ Mieter sein, womöglich aber auch Hausbesetzer.
Die Frage nach der Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft hat nicht unbedingt etwas mit der Rechtmäßigkeit des Besitzes zu tun.
Wer sich über den Anschluss auf vertraglicher Grundlage durch einen Lieferanten versorgen lässt, hat zugleich als Anschlussnutzer mit dem Netzbetreiber ein Anschlussnutzungsverhältnis (vgl. § 3 NAV) und hat dem Netzbetreiber deshalb auch den Zutritt zu gewähren (vgl. § 21 NAV).
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