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OLG Hamm, Urt. v. 19.11.13 Az. 19 U 116/13 konkludenter Vertragsabschluss Strom
RR-E-ft:
Das Urteil des OLG Hamm v. 19.11.13 Az. 19 U 116/13 ist veröffentlicht:
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm/j2013/19_U_116_13_Urteil_20131119.html
Es betrifft den konkludenten Vertragsabschluss eines Grundversorgungsvertrages mit dem Grundstücks- bzw. Hauseigentümer als Vermieter, wenn dieser (selbst nur in geringem Umfange) Energie bezieht, um eine Wohnung zum Zwecke der Vermietung herzurichten bzw. herrichten zu lassen.
Weil bereits ein bisher noch ein ungekündigter, konkludent geschlossener Grundversorgungsvertrag mit dem Hauseigentümer bestand,
konnte es nicht zum konkludenten Abschluss eines Grundversorgungsvertrages mit dem Mieter durch dessen Energieentnahme kommen.
tangocharly:
Anzufügen wäre in diesem Zusammenhang noch die Entscheidung des BGH v. 10.12.2008 - VIII ZR 293/07.
Dort hebt der BGH unter Ziff. 1 hervor
--- Zitat --- .... dass in dem Leistungsangebot eines Versorgungsunternehmens grundsätzlich ein Vertragsangebot zum Abschluss eines Versorgungsvertrages in Form einer sogenannten Realofferte zu sehen ist, welche von demjenigen konkludent angenommen wird, der aus dem Leitungsnetz des Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt. Durch diesen Rechtsgrundsatz, der im seinerzeit geltenden § 2 Abs. 2 der Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Energie- und Wasserversorgung (AVBEltV, AVBGasV, AVBWasserV, AVBFernwärmeV ) lediglich wiederholt worden ist, wird der Tatsache Rechnung getragen, dass in der öffentlichen leitungsgebundenen Versorgung die angebotenen Leistungen vielfach ohne ausdrücklichen schriftlichen oder mündlichen Vertragsschluss in Anspruch genommen werden.
--- Ende Zitat ---
Nimmt man weiter hinzu, was der BGH an nächster Stelle ausgeführt hat
--- Zitat ---Er (sil.: der Vertragsschluss) zielt darauf ab, einen ersichtlich nicht gewollten vertragslosen Zustand bei den zugrunde liegenden Versorgungsleistungen zu vermeiden (Senatsurteil vom 15. Februar 2006 - VIII ZR 138/05, NJW 2006, 1667, Tz. 15 m.w.N.).
--- Ende Zitat ---
dann folgt hieraus, dass der (fiktive) Vertragsschluss auf der Grundlage einer Realofferte ein Konstrukt darstellt, welches Sekundärcharakter besitzt.
Man könnte auch sagen, neben der Existenz eines tatsächlich abgeschlossenen Vertrages kommt der Realofferte allenfalls subsidiäre Bedeutung zu. Subsidiär heißt aber im Klartext, dass die Realofferte einen bestehenden Vertrag nicht verdrängen kann.
Diese Konstellation wird sich vornehmlich in den sogenannten Umzugsfällen aufzeigen, namentlich dann, wenn der Umzug mit einem Versorgerwechsel nicht verbunden ist und der Grundversorgungsvertrag vom Letztverbraucher nicht gekündigt wurde.
Es gibt Versorger, die sehen ihre Kunden als Leibeigene an, die mit deren Umzug innerhalb des Versorgungsgebiets einen dort nicht geäußerten Willen auf Beendigung eines bestehenden Vertrages entdecken und dann sogleich - mit dem eingesteckten Stecker in der Steckdose in der neuen Wohnung - eine Realofferte ausmachen, die den Kunden in neue Konditionen zwingt (frei nach dem Motto "neues Spiel - neues Glück").
RR-E-ft:
Ein konkludenter Vertragsabschluss setzt die Energieentnahme an einer Abnahmestelle voraus, für welche bisher mit noch niemandem ein Lieferungsvertrag besteht. Besteht nämlich schon ein Liefervertrag vermöge der Versorger zu seiner Lieferung verpflichtet ist, erfolgt die Energielieferung als Erfüllungshandlung an den bereits vorhandenen Vertragspartner des Versorgers und stellt somit keine Realofferte auf Vertragsabschluss an einen Dritten dar.
Dabei kam jederman als neuer Tarifkunde bei einem konkludenten Vertragsabschluss gem. § 2 Abs. 2 AVBV in Betracht, wenn die Energieentnahme über eine Abnahmestelle in Niederspannung oder Niederdruck erfolgte.
Ein konkludenter Vertragsabschluss gem. § 2 Abs. 2 StromGVV/ GasGVV setzt hingegen die Energienetnahme an einem bisher vertragsfreien Niederspannungs- bzw. Niederdruckanschluss durch einen Haushaltskunden voraus. Nur Haushaltskunden haben gem. § 36 Abs. 1 EnWG Anspruch auf Versorgung in der Grundversorgung. Nur an solche richtet sich deshalb auch das Angebot des Grundversorgers zum Abschluss eines Grundversorgungsvertrages in Form einer Realofferte.
Nicht- Haushaltskunden, die bisher keinen Vertrag abgeschlossen haben, haben zwar auch einen gesetzlichen Versorgungsanspruch, jedoch nur einen solchen aus dem zeitlich befristeten gesetzlichen Schuldverhältnis der Ersatzversorgung gem. § 38 EnWG. Schließlich kann der Grundversorger in der Ersatzversorgung von Nicht-Haushaltskunden auch höhere Preise beanspruchen als von Haushaltskunden.
Ein Mieter, der verabsäumt hat, bei Auszug aus der alten Wohnung den Energielieferungsvertrag ordnungsgemäß zu kündigen und deshalb für den von der Messeinrichtung angezeigten Verbrauch dort weiter haftet, ist deshalb nicht gehindert, in seiner neuen Wohnung konkludent durch Energieentnahme einen neuen Liefervertrag zu begründen, so dass er im Ergebnis für zwei Abnahmestellen Grundgebühr schuldet. Es wäre wohl nicht vorteilhaft sondern abträglich, wenn man für den Vertragsabschluss über die Belieferung an einer neuen Abnahmestelle erst den Nachweis der ordnungsgemäßen Beendigung eines füheren Vertragsverhältnisses an einer anderen Abnahmestelle fordern wollte. Denn dann gäbe es in der neuen Mietwohnung womöglich bis auf weiteres keinen vertraglichen Anspruch auf Energielieferungen und somit auch keine Energielieferungen.
uwes:
--- Zitat von: RR-E-ft am 27. Juni 2014, 20:53:48 ---Ein Mieter, der verabsäumt hat, bei Auszug aus der alten Wohnung den Energielieferungsvertrag ordnungsgemäß zu kündigen und deshalb für den von der Messeinrichtung angezeigten Verbrauch dort weiter haftet, ist deshalb nicht gehindert, in seiner neuen Wohnung konkludent durch Energieentnahme einen neuen Liefervertrag zu begründen, so dass er im Ergebnis für zwei Abnahmestellen Grundgebühr schuldet. Es wäre wohl nicht vorteilhaft sondern abträglich, wenn man für den Vertragsabschluss über die Belieferung an einer neuen Abnahmestelle erst den Nachweis der ordnungsgemäßen Beendigung eines füheren Vertragsverhältnisses an einer anderen Abnahmestelle fordern wollte. Denn dann gäbe es in der neuen Mietwohnung womöglich bis auf weiteres keinen vertraglichen Anspruch auf Energielieferungen und somit auch keine Energielieferungen.
--- Ende Zitat ---
Wenn der Mieter nach Aufgabe seiner Wohnung aber das "Recht zum Gebrauch" verliert, dürfte er nicht mehr in der Lage sein, "Energie aus der Leitung zu entnehmen". Wird aber weiter Energie verbraucht, muss es jemand anderes sein, der entnimmt. Wird mit diesem Dritten aber durch die Energieentnahme ein Vertrag geschlossen (konkludent durch Energieentnahme) so muss der Vertrag mit dem -ausgezogenen - Mieter logischerweise beendet sein, denn mehrere Abnehmer für ein und dieselbe Abnahmestelle dürfte es - außer im Rahmen von Gesamtschuldnerschaften wohl nicht geben. Es sei denn, man stützt sich auf die vom BGH erwähnte weitere Variante, dass dort, wo bereits ein Vertragsverhältnis existiert, kein Raum für einen (weiteren) konkludenten Vertragsabschluss verbleibt.
Das LG Stuttgart hat in seiner Entscheidung vom 2.12.2011 dazu Interessantes ausgeführt:
"Bei der Zurverfügungstellung von Energie ist regelmäßig anzunehmen, dass die Person des Vertragspartners für das
Energieversorgungsunternehmen unbedeutend ist." (24 O 523/10 - BeckRS 2012, 18892)
Die Entscheidung ist nicht überragend, zeigt aber auf, dass die Instanzgerichte nach wie vor Schwierigkeiten mit der Rechtsanwendung in derlei Fällen haben.
RR-E-ft:
Besteht noch mit dem Vormieter ein ungekündigtes Vertragsverhältnis, so kann mit dem Nachmieter nicht konkludent durch Energieentnehme ein neuer Vertrag geschlossen werden.
Die Rechte und Pflichten des Vormieters gegenüber dem Grundversorger ergeben sich aus deren konkludent abgeschlossenen Grundversorgungsvertrag. Aus diesem ist der Kunde weiter berechtigt und nicht verpflichtet, Energie über den Zählpunkt zu beziehen. Die Bedarfsdeckungsverpflichtung des Kunden geht ins Leere, soweit der Kunde infolge Umzugs an diesem Zählpunkt keinen zu deckenden Bedarf mehr hat.
Für die gegenseitigen Rechte und Pflichten aus dem konkludent abgeschlossenen und ungekündigt fortbestehenden Grundversorgungsvertrag ist es grundsätzlich belanglos, ob der Kunde aus der dazugehörigen Wohnung ausgezogen ist, deshalb nicht mehr über den Zählpunkt verfügt und deshalb darüber keine Energie mehr beziehen kann. Der Grundversorger wird eben von seinem Verpflichtungen gegenüber einem konkreten Kunden nur durch Vertragsauflösung/ durch Kündigung frei.
Von dem Aus- bzw. Umzug des Kunden erfährt der Grundversorger auch regelmäßig nicht. Er kann regelmäßig auch nicht wissen, ob etwa ein über Monate auf NULL reduzierter Verbrauch auf Tod des Kunden, dessen Auszug oder aber auf einer längeren Abwesenheit infolge Weltumsegelung beruht.
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