Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Interpretation von AGB-Formulierungen
Amazone:
Angesichts mancher AGB-Formulierungen tut sich nicht nur Otto Normalverbraucher oft schwer mit der Interpretation.
Hier ein Beispiel für einen solchen Fall (betreffend die Möglichkeit der Weitergabe hoheitlich bedingter Umlageerhöhungen), in dem die AGB-Formulierung lautet:
„Der Lieferant ist nicht zur Weiterbelastung der Mehrkosten berechtigt, wenn bereits bei Abschluss des Vertrages zwischen dem Lieferanten und dem Kunden bekannt war, in welcher Höhe derartige Mehrkosten nach Vertragsschluss anfallen werden.“
Was genau heißt hier „wenn bereits bei Abschluss des Vertrages zwischen dem Lieferanten und dem Kunden bekannt war“? Aus meiner Sicht ergeben sich zwei Interpretationsmöglichkeiten:
A) Muss zwischen dem Lieferanten und dem Kunden bei Vertragsabschluss eine explizite Verständigung darüber stattgefunden haben, dass und in welcher Höhe hoheitlich bedingte Mehrkosten anfallen werden?
B) Oder kommt es lediglich darauf an, ob zu dem Zeitpunkt, als der Vertrag zwischen dem Lieferanten und dem Kunden abgeschlossen wurde, bereits öffentlich bekannt war, in welcher Höhe solche Mehrkosten später anfallen werden?
Praktische Bedeutung hat diese Frage z.B. dann, wenn am 15.10.2013 um 8.30 Uhr durch Pressemeldungen im Internet öffentlich bekannt gemacht wurde, welche EEG-Umlageerhöhung zum 01.01.2014 beschlossen worden war und ein Kunde dann am Nachmittag des 15.10.2013 bei irgendeinem Lieferanten einen Vertrag abschließt, dem u.a. obige AGB-Bestimmung zu Grunde lag. Hier könnte es nur zu leicht zum Streit kommen, wenn der Lieferant nach Vertragsabschluss versuchen sollte, unter Berufung auf Interpretationsalternative A) die EEG-Umlagenerhöhung an den Kunden weiterzureichen, dieser dies jedoch unter Hinweis auf Interpretationsalternative B) ablehnt.
In der Praxis dürfte es tatsächlich etliche dieser Fälle geben.
Dankbar wäre ich, wenn zu diesem Thema nicht lediglich persönliche Meinungen geäußert, sondern diese auch juristisch sauber begründet werden.
RR-E-ft:
Die Wirksamkeit der gesamten Preisänderungsklausel vorausgesetzt, käme es darauf an, ob solche Mehrkosten dem Lieferanten bei Vertragsabschluss bereits bekannt waren, so dass dieser sie schon in die Kalkulation seines Angebotspreises einfließen lassen konnte.
Eine Preisänderungsklausel kann imer nur zur einseitigen Abänderung eines vereinbarten Preises insoweit berechtigen, als der Lieferant ihn treffende Mehrkosten bei Vertragsasbschluss noch nicht absehen konnte, so dass er die ihm zu diesem Zeitpunkt noch unbenannten Kosten noch nicht in den von ihm angebotenen Preis einkalkulieren konnte.
Waren dem Lieferanten bei Vertragsabschluss (genauer: Bei Abgabe seines Angebots zum Vertragsabschluss) zB. die Höhe der ab 01.01.14 geltenden EEG- Umlage bereits bekannt, so konnte er diese bereits von Anfang an in sein Preisangebot einkalkulieren, so dass etwa ein Preis für die Zeit vom Vertragsabschluss bis zum 31.12.13 und ein höherer Preis für die Lieferungen ab 01.01.14 vom Lieferanten angeboten und mit dem Kunden vereinbart werden konnte.
Amazone:
@ RR-E-ft
Die Frage ist, was ist unter "bereits bekannt" zu verstehen?
Um bei dem Eingangsbeispiel zu bleiben: Wenn am Morgen des 15.10.2013 bereits um 8.30 Uhr in diversen Pressemeldungen zu lesen war, dass die EEG-Umlage zum 01.01.2014 um den Betrag X erhöht wird, war dann dies allen Versorgern ab diesem Zeitpunkt als bekannt zu unterstellen bzw. hätte ihnen dies bekannt sein müssen?
Oder könnten sie sich z.B. darauf zurückziehen, dass sie diese Information erst am Folgetag von der Bundesnetzagentur mitgeteilt bekommen hätten? Oder auch z.B. darauf, dass sie zwar schon seit dem Vormittag von der Umlagerhöhung gewusst hätten, aber bis zum Nachmittag aus organisatorischen Gründen nicht dazu in der Lage gewesen seien, diese Änderung auch auf ihrer Internet-Angebotsseite in neue Preise einfließen zu lassen?
RR-E-ft:
Für die Bekanntgabe der Höhe der EEG- Umlage 2014 kommt es auf folgende Veröffentlichung an:
http://www.eeg-kwk.net/de/file/Pressemitteilung_EEG-Umlage_2014.pdf
Die Bekanntgabe der ab 01.01.14 geltenden EEG- Umlage erfolgte am 15.10.13, so dass sie von ihrer Veröffentlichung an in allen Vertragsangeboten der Lieferanten berücksichtigt werden konnte.
Schließlich war auch den Lieferanten bekannt, wann und wo die Bekanntgabe durch die ÜNB erfolgt, siehe
http://www.eeg-kwk.net/de/EEG-Umlage.htm
Lieferanten veröffentlichen im Internet regelmäßig keine Angebote auf Abschluss eines Energielieferungevertrages im Sinne des § 145 BGB, sondern lediglich eine sog. Einladung zur Abgabe eines Angebots auf Vertragsabschluss, so dass der Antrag auf Vertragsabschluss dabei regelmäßig vom Kunden ausgeht, welchen der Lieferant annehmen oder ablehnen kann, ähnlich wie bei einer Schaufensterauslage, bei der die Zurschaustellung einer ausgepreisten Ware nach h.M. auch noch kein Vertragsangebot = Antrag auf Abschluss eines Vertrages im Sinne von § 145 BGB darstellt.
Siehe auch:
http://de.wikipedia.org/wiki/Aufforderung_zur_Abgabe_eines_Angebots
Demnach kommt es auf den Zeitpunkt an, zu dem der Lieferant den Antrag des Kunden auf Vertragsabschluss überhaupt erst angenommen hat, §§ 145 ff. BGB, folglich auf den Zeitpunkt der Abgabe der Annahmeerklärung durch den Lieferanten.
Dies gilt auch, wenn die Annahmeerklärung des Lieferanten fingiert wird, etwa gem. § 362 Abs. 1 HGB.
Amazone:
--- Zitat von: RR-E-ft am 19. Dezember 2013, 15:35:44 ---
Demnach kommt es auf den Zeitpunkt an, zu dem der Lieferant den Antrag des Kunden auf Vertragsabschluss überhaupt erst angenommen hat, §§ 145 ff. BGB, folglich auf den Zeitpunkt der Abgabe der Annahmeerklärung durch den Lieferanten.
Dies gilt auch, wenn die Annahmeerklärung des Lieferanten fingiert wird, etwa gem. § 362 Abs. 1 HGB.
--- Ende Zitat ---
Nehmen wir der Einfachheit halber einmal an, der Kunde erhält nach Abgabe seines Vertragsangebots vom 15.10.2013 vom Lieferanten eine Vertragsbestätigung, die ebenfalls vom 15.10.2013 datiert und in der die Preise bestätigt werden, wie sie am 15.10.2013 galten. Eine Einpreisung der EEG-Umlage ist nicht vorgenommen worden. Hinsichtlich der Weitergabe von Veränderungen hoheitlicher Belastungen wird auf die zum Zeitpunkt der Abgabe des Vertragsangebotes gültigen AGB verwiesen.
Nehmen wir (wie schon eingangs) weiter an, dass die AGB dem Lieferanten grundsätzlich die Möglichkeit einräumen, Mehrkosten, die aus Veränderungen hoheitlicher Belastungen resultieren, an den Kunden weiterzugeben. Dies jedoch mit der Einschränkung: „Der Lieferant ist nicht zur Weiterbelastung der Mehrkosten berechtigt, wenn bereits bei Abschluss des Vertrages zwischen dem Lieferanten und dem Kunden bekannt war, in welcher Höhe derartige Mehrkosten nach Vertragsschluss anfallen werden.“
Und nehmen wir drittens an, dass angesichts dessen, dass die kundenseitige Abgabe des Vertragsangebots und die Vertragsannahme durch den Lieferanten auf denselben Tag fielen, zwischen den Vertragsparteien Streit darüber entstanden ist, ob der Lieferant – wie von diesem nach Lieferbeginn gefordert – aus der Erhöhung der EEG-Umlage entstehende Mehrkosten an den Kunden weiterbelasten darf. Wobei der Kunde ein solches Recht mit der Begründung bestreitet, dass dem Lieferanten zum Zeitpunkt der Abgabe seiner Vertragsannahmeerklärung ebenso wie ihm selbst bereits bekannt war, in welcher Höhe Mehrkosten durch die EEG-Umlagenerhöhung nach Vertragsschluss anfallen würden. Und der Lieferant darauf erwidert, dass ihm die genaue Höhe der Umlagenveränderung erst am nächsten Tag durch die Bundesnetzagentur mitgeteilt worden sei und außerdem eine taggleiche Einpreisung von Umlagenerhöhungen auch organisatorisch nicht möglich sei.
Angesichts der Taggleichheit der Veröffentlichung der EEG-Umlageerhöhung, des Vertragsangebots des Kunden und der Vertragsannahme des Lieferanten kommt es dann m.E. darauf an, zu welchen Uhrzeiten diese Handlungen jeweils stattfanden. Bekannt ist, dass die Pressemeldung unter http://www.eeg-kwk.net/de/file/Pressemitteilung_EEG-Umlage_2014.pdf am 15.10.2013 um 11:12 Uhr erfolgte. Annehmen wollen wir darüber hinaus, dass das Vertragsangebot des Kunden um 15:55 Uhr erfolgte und die Vertragsannahme durch den Lieferanten um 16:00 Uhr.
Hier stellt sich nun die Frage: Ist RR-E-ft darin zu folgen, dass es für die Kenntnis beider Vertragsparteien von der genauen Höhe der zum 01.01.2014 anstehenden EEG-Umlagenerhöhung ausschließlich auf den Zeitpunkt der offiziellen Veröffentlichung (hier 11:12 Uhr) ankommt (was im Ergebnis wohl dazu führen würde, dass dem Lieferanten kein Recht zur Weitergabe der EEG-Umlagenerhöhung zustünde) oder könnte die eingangs genannte AGB-Formulierung („bei Abschluss des Vertrages zwischen dem Lieferanten und dem Kunden bekannt“) auch so ausgelegt werden, dass Kunde und Lieferant sich bei Vertragsabschluss ausdrücklich über die Höhe der anstehenden Umlagenerhöhung ausgetauscht haben müssten?
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