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Die EWE-Gaspreiserhöhungen seit 2010 können zurückgefordert werden

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janto:
Nach dem EuGH-Urteil vom 21.3.2013 und dem BGH-Urteil vom 31.7.2013 können Gas-Sondervertragskunden (bei EWE wie in ganz Deutschland über 70%) Gaspreiserhöhungen für die letzten 3 Jahre zurückverlangen, wenn die Preisänderungsklausel der Versorger, angelehnt an die für die Grundversorgung geltende AVBGasV bzw. GasGVV,  lediglich formale Hinweise zur Ankündigungspflicht und zum Kündigungsrecht enthält, aber keine Angaben dazu macht, unter welchen Umständen und nach welchen Kriterien Preiserhöhungen durch den Versorger zu erwarten sind. Da Sondervertragskunden nicht wie in der Grundversorgung die Möglichkeit haben, Preiserhöhungen gerichtlich auf ihre Angemessenheit überprüfen zu lassen ("Billigkeitsprüfung"), sondern diese nur akzeptieren oder kündigen können, muss bei Vertragsschluss aus den AGB ersichtlich sein, unter welchen Bedingungen es zu einseitigen Preiserhöhungen durch den Versorger kommen kann. Sonderkunden müssen solche Preiserhöhungen "voraussehen" (EuGH) oder "absehen" (EuGH, BGH) können, sich darauf einstellen können, wissen worauf sie sich bei Vertragsabschluss einlassen. Solche sachlichen Hinweise oder inhaltliche Kriterien für mögliche Preiserhöhungs-Anlässe und Gründe (etwa Erhöhung der Bezugspreise, Netzkosten, Steuern oder Abgaben, Vertriebskosten usw.) gibt es bisher in so gut wie keinen Gas-Sonderverträgen, so dass die Preiserhöhungen für die letzten 3 Jahre fast überall angefochten und mit besten Aussichten zurückgefordert werden können. Die von EuGH und BGH genannten Kriterien sind für die untere Rechtssprechung bindend. Notfalls muss man sich natürlich nach oben durchklagen, bis dies für den jeweiligen Versorger wie durch BGH-Urteil für alte RWE-Verträge höchstinstanzlich festgestellt ist.

EWE gibt in der seit September 2010 gültigen Preisänderungsklausel (§ 5) für Gas-Sonderkunden nur die üblichen formalen Hinweise auf Ankündigungspflicht und Kündigungsrecht (angelehnt an die GasGVV für die Grundversorgung), nicht aber wie gefordert Hinweise auf mögliche sachliche  Anlässe oder Gründe für Preiserhöhungen. Somit können auch die beiden EWE-Preiserhöhungen der letzten 3 Jahre - um 0,72 Cent je kWh am 1.12.2010 und um 0,83 Cent je kWh am 1.9.2011 - mit besten Aussichten auf Erfolg zurückgefordert werden. EWE hat zwar schon einmal Erhöhungen zurückbezahlt, aber das war für 2008/2009. In einer Vergleichsvereinbarung haben die Kunden damals zwar unterschrieben, dass sie die ab September 2010 geltenden AGB anerkennen, dies aber vorbehaltlich von deren Rechtswirksamkeit. "Die Rüge der materiellen Unwirksamkeit bleibt dem Kunden vorbehalten", heißt es in der von EWE unterschriebenen Vereinbarung. Nach den Kriterien der jüngsten Urteile von EuGH und BGH sind die AGB von 2010 rechtsunwirksam. Die Preiserhöhungen seitdem können also zurückgefordert werden.

Weil die Preiserhöhungen 2010 und 2011 jeweils über 15% betrugen und seit Dezember 2010 bald 3 Jahre vergangen sind, sind die Ansprüche jetzt schon fast dreimal so hoch wie bei der Rückforderung für 2008/2009. Damals bekam ein Durchschnittskunde mit 20.000 kWh Jahresverbrauch 270 € zurück, der neue Anspruch ab 2010 beträgt jetzt schon über 700 € und täglich kommt etwas hinzu. Über Winter wird der Anspruch auf über 1.000 € ansteigen.

Die Verbraucherzentralen Niedersachsen, NRW usw. haben allgemein gehaltene, auf keinen bestimmten Versorger zugeschnittene Forderungsschreiben zum Download ins Netz gestellt (bei VZ NRW auch kostenlos) und ausführlich und gut dargestellt, warum sich aus den EuGH/BGH-Urteilen Ansprüche für fast alle Gassonderkunden ergeben. Der im EWE-Gebiet tätige gemeinnützige Verein "Bezahlbare Energie e.V." hat ein speziell auf EWE zugeschnittenes Forderungsformular zum kostenlosen Download ins Netz gestellt. Mit der Rechenhilfe auf dem Formular kann man seine Ansprüche auch genau berechnen - siehe www.bezahlbare-energie.de.

janto:
Inzwischen gibt es, soweit uns bekannt, 3 verschiedene Reaktionen von EWE auf die Rückforderung der Gaspreiserhöhungen seit 2010:
1. Die Rückforderung wird von der Geschäftsregion Varel mit dem Hinweis zurückgewiesen, dass es für 2008/2009 ja bereits eine Rückzahlung gegeben habe. - Hierzu wurde uns inzwischen erklärt, dass die EWE-Mitarbeiter die neue Forderung mit der alten verwechselt hätten und dies nicht die offizielle Antwort sei.
2. Die wohl offiziellste Antwort von "info@ewe.de" lautet: "Zur Zeit gehen bei uns mehr Anfragen als sonst ein. Bitte haben Sie diesmal für eine längere Bearbeitung Ihres Anliegens Verständnis. Wir melden uns bei Ihnen und bitten bis dahin um Ihre Geduld." - Hierzu wurde uns erklärt, dass EWE die Veröffentlichung der Begründung des BGH-Urteils vom 31.7.13 abwarten und sich dann öffentlich und offiziell zur Reaktion auf das Urteil erklären wolle. Bisher heißt es dazu wie bei anderern Versorgern: Urteil betrifft nur RWE und eine Klausel, die EWE nicht verwendet. Die EWE-Klausel erfüllt die Anforderungen von EuGH + BGH aber in gleicher Weise nicht!
3. Der Kunde wird von der Geschäftsregion Leer angerufen und mündlich aufgefordert, seinen Widerspruch zurückzuziehen, andernfalls werde EWE kündigen, weil der Kunde die AGB nicht mehr anerkenne.
Noch wissen wir nicht, ob diese Ankündigung wahr gemacht wird. Uns würde aber interessieren, ob die Beanstandung einer Klausel, die den Anforderungen von EuGH + BGH an Transparenz und Ausgewogenheit nicht genügt, den Versorger zur Kündigung berechtigt. Kann uns das jemand beantworten?

JJ Verein Bezahlbare Energie

khh:

--- Zitat von: janto am 29. August 2013, 13:26:59 ---... Uns würde aber interessieren, ob die Beanstandung einer Klausel, die den Anforderungen von EuGH + BGH an Transparenz und Ausgewogenheit nicht genügt, den Versorger zur Kündigung berechtigt. Kann uns das jemand beantworten?
--- Ende Zitat ---

Eine ordentliche, fristgemäße Kündigung, ggf. zum Ablauf einer vereinbarten Vertragsdauer, steht dem Versorger in jedem Fall offen.

Ein außerordentliches, fristloses Kündigungsrecht dürfte m.E. eher nicht gegeben sein. Was sagen denn unsere Juristen dazu ?

janto:
Die Einschläge kommen dichter. Nach einer Kündigungsdrohung aus dem Geschäftsbereich Leer nun eine aus dem Bereich Bremervörde:

"Hallo ihr Mitstreiter,
habe gestern einen Anruf von der EWE bekommen. Sie hätten mit dem Urteil nichts zu tun und betreffe nur die RWE. Ob ich gewillt wäre, die Rückforderung zurück zu nehmen. Dann würden sie mir eine Erklärung zu senden, die ich dann unterschrieben zurück schicken soll. Ich habe dann gefragt, was passieren würde, wenn ich die Erklärung nicht unterschreiben würde. Dann müssten sie mich über kurz oder lang kündigen. Ich lasse es jetzt drauf ankommen, da ich zum Jahresende sowieso kündigen will. Dieses Jahr war ich ja etwas zu spät.
Mit freundlichen Grüßen"

Noch wissen wir nicht, ob es nur Drohung und Einschüchterung ist. Möglicherweise will EWE sich durch Kündigung auch gegen das weitere Ansammeln von Rückzahlungsansprüchen beim Kunden schützen, denn der kommende Winter erhöht den Anspruch von im Schnitt derzeit 700 € auf 1.000 €. Dann wäre die Kündigung ein Indiz dafür, dass EWE vom Erfolg der Rückforderungen ausgeht. Dieser Erfolg liegt allerdings auf der Hand!

janto:
Inzwischen fordert die EWE-Geschäftsstelle Cloppenburg auch schriftlich zur Rücknahme von Widersprüchen gegen die Gaspreiserhöhungen seit 2010 auf und legt eine vorformulierte "Rücknahme-Erklärung" zum Unterschreiben bei. Wir haben dies hier http://www.bezahlbare-energie.de/aktuell/neue-r%C3%BCckzahlungsanspr%C3%BCche-gegen-ewe-wegen-gaspreiserh%C3%B6hungen-seit-2010/reaktionen-von-ewe-auf-neue-r%C3%BCckzahlungsforderung/ dokumentiert.
Die Aktion wirkt aber verloren:
- Der in diesem Fall Angeschriebene ist schon seit März 2013 nicht mehr EWE-Kunde, weil er zu einem preiswerteren Gasanbieter gewechselt ist. Welchen Vorteil sollte er vom Unterschreiben der Rücknahme-Erklärung haben oder welchen Nachteil davon, wenn er nicht unterschreibt?
- Für andere, die noch EWE-Gaskunden sind, wäre selbst eine "Kündigungsdrohung" wenig Furcht einflößend, weil es viele preiswertere Gasanbieter gibt. EWE kann diese Kunden also höchstens zu ihrem Glück zwingen.
- Die Geschäftsstelle schreibt, das BGH-Urteil betreffe nach ihrem "jetzigen Informationsstand" EWE nicht. Wenn ihre Einschätzung eingestandenermaßen nur eine Momentaufnahme ist (und eine schlechte noch dazu, weil die in der Presseerklärung des BGH knapp wiedergegebene Urteilsbegründung komplett ausgeblendet wird), warum wartet sie dann nicht wie der eigene Unternehmensvorstand und die gesamte Branche die Veröffentlichung des BGH-Urteils ab?
Eine hilflose Aktion, die so recht niemanden schrecken kann.

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