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Autor Thema: Sondervertrag mit Preisgleitklausel-was nun?  (Gelesen 9487 mal)

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Offline bemaba54

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Sondervertrag mit Preisgleitklausel-was nun?
« am: 17. November 2005, 22:34:29 »
Habe der Preiserhöhung meines GVU mit Musterschreiben (§ 315 BGB) widersprochen und die Abschlagsraten von 145,- auf 117,- € gekürzt.
Wird von diesem auch akzeptiert, die Anwendbarkeit des § 315 BGB jedoch ausgeschlossen, da sich in meinem Sondervertrag die Presiformel am Heizöl orientiert:

\"Der Arbeitspreis (AP) wird in Abhängigkeit vom Heizölpreis nach folgender Formel ermittelt
AP = 0,092 HEL + 0,15 zuzüglich der Verbrauchssteuer.
HEL bedeutet, das aus 6 Monatswerten gebildete arithmetische Mittel der vom statistischen Bundesamt veröffentlichten monatlichen Preisnotierungen für leichtes Heizöl....
Der Arbeitspreis ändert sich zum 01. April und zum 1. Oktober....
Der Grundpreis ändert sich zum 1. Juli.....\"

Hat schon jemand Erfahrungen, wie ich nun weiterverfahren soll
 :?:

Vielen Dank

Grüße aus dem Wartburgland!

Offline RR-E-ft

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Sondervertrag mit Preisgleitklausel-was nun?
« Antwort #1 am: 18. November 2005, 17:39:23 »
@bemaba54

Solche Preisgleitkaluseln, die vom Versorger vorgegeben wurden, unterliegen selbst einer Inhalts- und Billigkeitskontrolle gem. §§ 307, 315 BGB.

Zunächst ist zu fragen, ob es der Billigkeit entsprechen kann, mit einem Kunden überhaupt eine HEL- Preisbindung zu vereinbaren.

Diese Frage wurde bisher vom OLG Rostock lediglich für Energieversorgungsunternehmen untereinander wegen der Handelsbräuche in der Energiebranche für gerechtfertigt angesehen.
Aber auch dabei legte das Gericht seiner Entscheidung einen unzutreffenden Sachverhalt zugrunde, wie sich aus dem Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamtes ergibt.

Im Verhältnis Versorger / Kunde wurde diese Frage nicht entschieden.

Selbst wenn eine solche HEL- Preisbindung auch mit Kunden dabei zulässig sein sollte, was sehr zweifelhaft ist, stellt sich die Frage nach der Billigkeit der konkreten Preisformel:

Fraglich ist, ob diese Preisgleitklausel überhaupt (noch) die Preisgleitklausel im Bezugsvertrag des Versorgers nachbildet.

Würde man die Preisgleitklausel im Bezugsvertrag des Versorgers in einem Graphen darstellen und in das selbe Diagramm auch den Graphen die Preisgleitkausel aus dem Kundenvertrag auftragen, so darf sich bekanntlich der Abstand der beiden Graphen zueinander, also die Differenz und somit die Marge des Versorgers nicht vergrößern.


Und exakt daran bestehen erhebliche Zweifel:

Schock und Überraschung bei Stadtwerke-Preisen !!!

Nutzen Sie die Suche- Funktion, um auch noch die weiteren Beiträge zu Preisgleitklauseln zu finden.

Es bedarf also einer besonderen Prüfung, wie und wann die Preisgleitklausel etwa überhaupt vertraglich vereinbart wurde, ob  die Klausel wirksam ist, und ob die neueren Marktentwicklungen an die Kunden weitergeben wurden.

Dies kann nicht hier im Forum geleistet werden.

Nach alldem können auch Sie sich grundsätzlich unter Berufung auf § 307, 315 BGB zur Wehr setzen, haben jedoch einen größeren argumentativen Aufwand als ohne Preisgleitklausel.



Freundliche Grüße
aus Jena


Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline Hennessy

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Sondervertrag mit Preisgleitklausel-was nun?
« Antwort #2 am: 18. November 2005, 21:45:10 »
Zitat
Würde man die Preisgleitklausel im Bezugsvertrag des Versorgers in einem Graphen darstellen und in das selbe Diagramm auch den Graphen die Preisgleitkausel aus dem Kundenvertrag auftragen, so darf sich bekanntlich der Abstand der beiden Graphen zueinander, also die Differenz und somit die Marge des Versorgers nicht vergrößern.


Dies würde ja im Umkehrschluss bedeuten, dass wenn ich die Heizölbindung im Bezugsvertrag mit dem Vorlieferanten habe, ich keine anderes Anpassungskriterium auf der Verkaufsseite zulässig wäre!?

Wo steht das?

Wenn diese Verträge alle unwirksam sind, wieso nehmen Sie dann nicht  bemaba54 und andere Anfrager an die Hand und führen einen Vorbildprozess gegen die Wirksamkeit der Verträge - dann hätten Sie mit der Billigkeitsfrage eine Doppelzange, der kein GVU entrinnen kann ?

Was ist eigentlich aus den 315er-Widersprüchen gegen die Allgemeinen Stromtarife geworden, die hier lauthals Anfang des Jahres mit ähnlichen Begründungen propagiert wurden? Warum gibt es hier keine Sammelklagen und Kundenprozesse? Verstehe ich nicht, denn der Zeitpunkt für die nächste Strompreiserhöhung ist doch schon in der Presse bekannt gegeben worden.

Offline RR-E-ft

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Sondervertrag mit Preisgleitklausel-was nun?
« Antwort #3 am: 18. November 2005, 22:28:29 »
@Hennessy

Danke für die Strategieberatung (Doppelzange).

Unterstellt, die Verträge  wären wirksam, dann gilt doch gerade folgendes:

Wenn im Bezugsvertrag und im Vertrag mit dem Kunden eine HEL- Bindung vereinbart ist, so muss doch wohl das resultierende Delta konstant bleiben, darf sich jedenfalls nicht vergrößern.
Denn dies wäre ja gerade unbillig.


Das steht nirgends, ergibt sich aber zwingend aus der Logik:

Unter sonst gleichen Bedingungen (ceteris paribus) dürfen Veränderungen der Bezugskosten doch nicht zu einer Vergrößerung dieses Deltas führen, weil dadurch der Gewinnanteil zwangsläufig steigen würde.

Oder wie würden Sie das sehen?


Solche Musterprozesse zur Unwirksamkeit von Vertragsklauseln- genauso wie bei Flüssiggas- Lieferverträgen sind doch bekanntlich gerade in Bearbeitung. Das dürfte auch in der Branche bekannt sein.

Und auch hinsichtlich der Billigkeitskontrolle von Allgemeinen Strom- Tarifen sind doch bereits bekanntlich Prozesse anhängig - bei Landgerichten. Möglicherweise schon am Monatsende haben wir die Entscheidungen erster Instanz....
 
Entsprechende Gerichtsentscheidungen werden alsbald erwartet.
Rückforderungsprozesse sind ebenso avisiert.

Insoweit überraschen Ihre Fragen.


Auf die Geschwindigkeit der Gerichte haben auch wir wenig Einfluss.
Auch die Verbraucher tatsten sich erst einmal voran....

Aber dann mit Macht.

Übrigends haben sich bekanntlich die ersten Stadtwerke schon gerichtlich verpflichtet, alle Preiskalkulationen Strom und Gas für die Vergangenheit wie für die Zukunft für jeden einzelnen Erhöhungszeitpunkt vollständig prüffähig und nachvollziehbar offen zu legen gem. BGH NJW-RR 1992, 183.

Das Stadtwerk wird vetreten durch BBH und weiß also wohl, worauf es sich eingelassen hat.  Ein Gutachten von BET reichte nicht aus.

Ich denke soweit wollen E.ON, Gasag und SWU bisher gar nicht gehen.





Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline Hennessy

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Sondervertrag mit Preisgleitklausel-was nun?
« Antwort #4 am: 18. November 2005, 22:51:40 »
@RR-E-ft


Überraschung ist immer gut!

Zitat
Wenn im Bezugsvertrag und im Vertrag mit dem Kunden eine HEL- Bindung vereinbart ist, so muss doch wohl das resultierende Delta konstant bleiben, darf sich jedenfalls nicht vergrößern.
Denn dies wäre ja gerade unbillig.



In der Wirtschaft ist es normalerweise so, dass ein größeres Risiko einen höheren möglichen Gewinn zulassen muss. Mal unabhängig davon, ob die deutsche Gaswirtschaft zurzeit ein großes Risiko eingeht , wäre es also im Bereich der Energieversorgung nicht möglich bei höheren Risiken niedrigere Preise und/oder gleichzeitig höhere Gewinne zu realisieren? Wenn man beispielsweise im Bezugsvertrag eine Heizölbindung hat und gleichzeitig Festpreisangebote für 12 oder 18 Monate macht, geht man doch wohl ein höherers Risiko ein, als wenn man die gleiche Systematik in Bezug- und Verkauf verankert?

... aber ich vergaß, dass es Ihre Aufgabe ist, alle Möglichkeiten in Erwägung zu ziehen - und es wäre natürlich eine Möglichkeit, dass eine veränderte Marge immer unbillig ist :--)

Offline RR-E-ft

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Sondervertrag mit Preisgleitklausel-was nun?
« Antwort #5 am: 19. November 2005, 00:40:36 »
@Hennessy


Nicht jede veränderte Marge ist unbillig.

Jede erhöhte Marge im konkreten Vertragsverhältnis ist unbillig.

Der Gewinnanteil am Preis darf sich im laufenden Vertragsverhältnis gerade nicht erhöhen. Dies wäre nach der Rechtsprechung unbillig.

An dieser Stelle gilt in der Rechtsprechung: Null Toleranz.

Wird der Gewinnanteil am Preis im laufenden Vertragsverhältnis erhöht, ist dies unbillig und deshalb unwirksam.

Das gilt selbst dann, wenn der ursprüngliche Preis zu einer Unterdeckung führte. Denn das Äquivalenzverhältnis ist zu wahren.

Im Fall einer erheblichen Unterdeckung hilft allenfalls Wegfall der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB.

Das ist auch konsequent.

Denn es sollen ja nur die allgemeinen und besonderen Kosten.... und ein angemessener Gewinn (der grundsätzlich in angemesener Höhe einkalkuliert sein soll und eben weil er schon bisher angemessen ist auch gar nicht mehr steigen braucht) in die Preise eingerechnet werden.


Die Risiken der Energiewirtschaft hinsichtlich des Absatzriskos würden sich alle anderen wohl wünschen... Es mag noch andere Risken geben.

Indes ist es ja gerade nicht so wie in der übrigen Wirtschaft, wo es vornehmlich um Gewinnmaximierung gehen darf.

Das ist doch gerade die Quintessenz aus der BGH- Rechtsprechung zu Energiepreisen. Es gelten andere Maßstäbe als sonst.

Ich glaube, für den besprochenen Fall alle Möglichkeiten eingeschlossen zu haben:

ceteris paribus- unter sonst gleichen Bedingungen.

Ändern sich auch noch andere Parameter, muss es insgesamt auch wieder zu einem Gleichgewicht kommen. Äquivalenz heißt ja nichts anderes.

Ein einzelner Vollbezugsvertrag gehört doch wohl schon der Vergangenheit an. Zunehemend gibt es ein Portfolio.

Das macht man, weil man günstiger bezieht, also Bezugskosten einspart.
Auch daran möchte der Kunde beteiligt sein.

Richtig ist aber auch, dass der Unternehmer trotzdem einen Anreiz braucht, zu einem günstigeren Bezug überzugehen. Den hat er nicht, wenn er die gesamte Kostenersparnis an die Kunden weitergeben muss.

Er macht es eben nur, wenn dadurch auch mehr übrig bleibt.

Das ist tatsächlich ein gewisses Problem. Man wird sich reinteilen müssen. Nur muss der Kunde erst einmal durch Markttransparenz davon erfahren, dass er einen Anteil an der Einsperung einfordern kann.

Sonst fusionieren alle mit Synergie- und Skaleneffekten immer weiter, machen Kostensenkungsprogramme und sagen aber den Kunden nichts davon, sondern erzählen nur von Asien...

Das ist auch Gegenstand der Problematik Anreizregulierung.
Es bedarf eines wirtschaftlichen Anreizes, Kosten zu senken.

Dies soll gerade einschließen, kosteneffiezienter zu wirtschaften.


Der Gewinn darf grundsätzlich nicht steigen.

Das Verständnis des Wortes \"grundsätzlich\" ist zwischen Juristen und Technikern vollkommen verschieden.... Ich rede hier als Jurist.

War der Gewinn bisher schon angemessen, ist dies unter den besonderen Verhältnissen auch gar nicht notwendig. Das ist die Systematik.

Natürlich gibt es verschiedene Stellschrauben.

Mit ceteris paribus habe ich gerade vereinfacht, um das System darstellen zu können. Das ist in der Betriebswirtschaftslehere nach meinem Kenntnisstand eine anerkannte Methode zur Modellbildung.

Jetzt kann natürlich jemand dahergehen und meinen, die bisherigen Gewinne seien alle viel zu gering, noch lange nicht angemessen.

Wer dieser Meinung ist, der stelle sich mit dieser These mutig der Diskussion und weise es nach.

Wie will man denn sonst eine Energieversorgung unter Beachtung all der weiteren Bedingungen so billig wie überhaupt möglich überhaupt bewerkstelligen?


Das ist doch die zentrale Frage, die uns alle bewegt:

Wie kommt man dem Ziel der Preisgünstigkeit möglichst nahe?

Die Musterbriefe sind doch nichts anderes als Ausdruck dieser Frage.

Dazu sind Ideen gefragt! -Man hört nur bisher wenig dazu.

Ich las:

Münster- neues GuD- Kraftwerk, Strompreis bleibt  stabil.

RWE will die Strompreise erhöhen, hat bloß noch keine überzeugende Begründung. Vielleicht kommt im nächsten Frühsommer wieder eine Wasserknappheit in Südwesteuropa.....

Es sieht also auf den ersten Blick so aus, als sei Münster auf dem richtigen Weg.

Oder täuscht das bloß?

Wir wollen doch konstruktiv unsere Gedanken zusammentragen, oder?



Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
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