Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Kündigung Netznutzung durch Netzbetreiber wegen Insolvenz  (Gelesen 13022 mal)

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Offline DieAdmin

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Da derzeit über Twitter viele Meldungen zu lesen sind, dass nicht nur den Flexstrom-Kunden im Stadtwerke Jena-Pößneck-Liefergebiet betroffen sind:

ab den Beitrag dort: http://forum.energienetz.de/index.php/topic,18183.msg99717.html#msg99717

(Danke Herr Fricke :) )

Auch tummeln sich so Meldung mit Ratschlägen , man solle kündigen. Wenn ich Vorkasse-Kunde wäre, würde mein Interesse eher darin liegen, dass das Vertragsverhältnis so lang wie möglich und am besten bis meine Vorkasse verbraucht ist, dauert. Um so geringer ist doch mein finanzieller Schaden.

Auch der BBH- Energieblog verweist darauf, dass nach der neueren Rechtsprechung des BGH
mit dem  Insolvenzantrag eines Lieferanten allein noch kein Recht zur außerordentlichen Vertragskündigung für den Netzbetreiber verbunden ist:

http://www.derenergieblog.de/alle-themen/energie/flexstrom-und-tochter-in-der-insolvenz-schnelles-handeln-ist-gefragt/#more-10352
« Letzte Änderung: 19. April 2013, 11:25:59 von Evitel2004 »

Offline us74

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Re: Kündigung Netznutzung durch Netzbetreiber wegen Insolvenz
« Antwort #1 am: 17. April 2013, 03:25:54 »
Die Stadtwerke Schkeuditz haben mich gestern via Brief informiert über die Beendigung des Lieferantenrahmenvertrag (aka Netznutzung) mit Flexstrom zum 30.04.2013 24:00 Uhr.

Dies passierte so schnell (Poststempel vom 15.04.2013), da haben die dem Insolvenzverwalter sicherlich auch kein Wahlrecht überlassen. Was ja nach aktueller Rechtssprechung illegal ist soweit ich als nicht Jurist hier in den Ausführungen und verlinkten Seiten lese. Danke an alle.

Was kann man jetzt tun ?

Den (vorläufigen) Insolvenzverwalter von Flexstrom informieren, damit der rechtlich gegen die Stadtwerke vorgeht, weil es für mich auch den größten Sinn und kleinsten finanziellen Verlust bedeutet, wie userin Evitel2004 ja schreibt.


Offline DieAdmin

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Re: Kündigung Netznutzung durch Netzbetreiber wegen Insolvenz
« Antwort #2 am: 17. April 2013, 20:32:06 »
@us74,

wie in diesem Beitrag zu lesen ist, haben die Stadtwerke Jena-Pößneck sich inzwischen - nach den netten Brief an den GF - eines anderes besonnen:

...
Nachdem ich die Rechtmäßigkeit der fristlosen Kündigungen angezweifet habe,
teilten die Stadtwerke der Presse mit, sie gingen von der Rechtmäßigkeit ihres Tuns aus, auch im Interesse der Stromkunden.
Überdies stünden sie jetzt mit dem Insolvenzverwalter der Flexstromgruppe im Kontakt.
"So wollen wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die weitere Netznutzung gegebenenfalls auch rückwirkend wieder möglich ist",
dies sagte Stadtwerke- Sprecherin Tina Schnabel.
...

Aufgrund der Dringlichkeit wäre wohl auch den Stadtwerke Schkeuditz direkt mitzuteilen, dass Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beendigung des Lieferantenrahmenvertrag (Netznutzung) bestehen. Ich würde die Email bzw Brief mit Links/Verweisen zu den Beiträgen hier im Forum ergänzen.
« Letzte Änderung: 17. April 2013, 20:39:44 von Evitel2004 »

Offline RR-E-ft

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Re: Kündigung Netznutzung durch Netzbetreiber wegen Insolvenz
« Antwort #3 am: 17. April 2013, 21:48:39 »
Nach der neueren Entscheidung BGH, Urt. v. 15.11.12 Az. IX ZR 169/11  ist die Zulässigkeit einer fristlosen Kündigung allein aus Anlass der Stellung eines Insolvenzantrages fraglich.

Es könnten jedoch andere Kündigungsgründe vorliegen, auf die eine Kündigung gestützt wird, denn eine generelle Kündigungssperre wie etwa nach § 112 InsO besteht nicht.

Schließlich könnte der betreffende Vertrag unter Einhaltung einer Kündigungsfrist ordentlich kündbar und danach gekündigt worden sein.  Eine ordentliche Kündigung bedarf regelmäßig keiner Rechtfertigung/ Begründung.  Da die ordentliche Kündigung jedoch regelmäßig einer Verweigerung des Netzzugangs iSv. 20 Abs. 1  EnWG gleichkommen wird, wird gem. § 20 Abs. 2 EnWG auch dabei eine Begründung erforderlich sein.


Offline Energiefachmann

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Re: Kündigung Netznutzung durch Netzbetreiber wegen Insolvenz
« Antwort #4 am: 17. April 2013, 23:00:49 »
um mal ein bißchen aus dem "Nähkästchen zu plaudern", wie Netzbetreiber mit solchen Themen generell umgehen:
genau, wie ein Lieferant bei einem gewissen Mahnstand oder der Insolvenz seines Kunden den Liefervertrag schnellst möglich kündigt, macht es ein Netzbetreiber mit den Lieferantenrahmenverträgen (= Vertrag zwischen Verteilnetzbetreiber (VNB) und Lieferant zur Netzdurchleitung) auch. Schnell raus! Aufgrund seiner Monopolstellung kann ein VNB aber nach neuester Rechtssprechung nicht so einfach kündigen (bin kein Jurist, habe das nur läuten hören).

Aber er kann etwas anberes machen: in der seit Mitte letztem Jahres in Kraft getretenen KoV V (Kooperationsvereinbarung des BDEW) ist in § 36 geregelt, dass von einem Lieferanten Sicherheiten oder ersatzweise Vorauszahlungen verlangt werden dürfen, wenn er kein gutes Ranking mehr hat (Creditreform Bonitätsindex II > 2,36).
Die KoV V ist zwar eigentlich für den Gasmarkt geschaffen worden, aber da die Anforderungen an einen Lieferanten praktisch im Strom und Gas identisch sind, wird diese Regelung häufig auch für Stromlieferanten angewendet. Das ist dann i.d.R. genau das gleiche k.o. für einen insolventen Lieferanten, wie die fristlose Kündigung. Dadurch konnte beispielsweise der Insolvenzverwalter der Energen Süd eG die Belieferung der Kunden - entgegen seiner eigentlichen Absicht - nicht fortführen.

Problem: im Zuge der Diskriminierungsfreiheit darf ein VNB nur alle Lieferanten gleich behandeln. Wenn er also von einem noch nicht insolventen Lieferanten, der diese Bonitätskriterien auch nicht erfüllt, wie z.B. der Energiegenossenschaft NordWest eG EGNW, keine Sicherheiten verlangt, darf er das auch nicht bei Flexstrom tun.

Offline RR-E-ft

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Re: Kündigung Netznutzung durch Netzbetreiber wegen Insolvenz
« Antwort #5 am: 18. April 2013, 00:25:42 »
Entsprechende Lieferantenrahmenverträge Strom sind meist im Netz veröffentlicht, etwa hier:

http://www.stadtwerke-jena.de/startseite/netzbetrieb/netzbetrieb_strom/netzzugangentgelte/vertraege.html

Interssant ist es etwa  bei den Stadtwerken Dachau, weil dort die BBH- Fußnoten mit den umfang- und aufschlussreichen Kommentaren der Verfasser - aus welchem Grund auch immer -  nicht entfernt wurden:

http://www.stadtwerke-dachau.de/images/netze/stromnetz/2013/B_1.2_Lieferantenrahmenvertrag-Strom_130114.pdf

In all diesen Verträgen ist die Möglichkeit zum Verlangen von Sicherheiten/ Vorauszahlungen vorgesehen (§ 16) wie auch Kündigungsrechte (§ 17).

Offensichtlich haben aber einige Netzbetreiber gar nicht erst Vorauszahlungen verlangt, sondern meinten, die Tatsache der Insolvenzantragstellung allein würde einen wichtigen Grund zur fristlosen bzw. außerordentlichen Kündigung des Lieferantenrahmenvertrages darstellen, auch wenn bei ihnen bisher noch gar keine offenen Forderungen aufgelaufen waren.

Hier mag das Interesse einer verbundenen Vertriebsgesellschaft, schnell und unkompliziert an profitable Ersatzversorgungsverhältnisse zu kommen, oft Pate gestanden haben.

Das funktioniert wohl nicht, weil es das Wahlrecht des Insolvenzverwalters aushebelt (BGH, Urt. v. 15.11.12 Az. VIII ZR 169/11 Rn. 18 ff.).

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=ec76cbf3c610be99fa855496e0420603&nr=63021&pos=0&anz=1

Der Insolvenzverwalter hat ein monopolisiertes Wahlrecht, ob er Vertragserfüllung verlangt oder sich für die Nichterfüllung (Vertragsbeendigung) entscheidet. Man kann ihn zur Ausübung dieses Wahlrechts auffordern, welches er unverzüglich (also nicht sofort) ausüben muss.

Entscheidet sich der Insolvenzverwalter auf entsprechende Aufforderung nicht für das Vertragserfüllungsverlangen, so ist die Sache im Sinne einer Vertragsbeendigung entschieden.

Wählt der Insolvenzverwalter indes das Vertragserfüllungverlangen, dann kommt die vertraglich eingeräumte Möglichkeit des Verlangens von Vorauszahlungen ins Spiel. Erfolgen vertragsgemäß geforderte Vorauszahlungen nicht, kann deshalb nach dem Vertrag ein außerordentliches Kündigungsrecht bestehen.

Natürlich muss das Ganze diskriminierungsfrei erfolgen, weil schon der  Netzzugang gem. § 20 Abs. 1 EnWG diskrimnierungsfrei zu gewähren ist, eine mit der Kündigung automatisch verbundene Verweigerung des Netzzugangs jeweils gem. § 20 Abs. 2 EnWG der sachlichen  Rechtfertigung (Begründung)  bedarf und unverzüglich auch der Regulierungsbehörde mitzuteilen ist.   
« Letzte Änderung: 18. April 2013, 00:45:43 von RR-E-ft »

Offline Energiefachmann

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Re: Kündigung Netznutzung durch Netzbetreiber wegen Insolvenz
« Antwort #6 am: 18. April 2013, 17:22:27 »
vor wenigen Minuten ist die Nachricht eines Übertragungsnetzbetreibers (ÜNB) an alle Verteilnetzbetreiber versendet worden, in der der die außerordentliche Kündigung der Bilanzkreisverträge für Flexstrom, OptimalGrün und Löwenzahn-Energie zum 18.04., 24:00 Uhr bekannt gegeben wird.

Auszug aus Originaltext:
"... Wir werden ab diesem Zeitpunkt keine Fahrpläne mehr für die o. a. Bilanzkreise akzeptieren. Die Energiemengen der Kunden der FlexStrom-Unternehmensgruppe müssen, falls nicht schon geschehen, spätestens ab 19.04.2013, 00:00 Uhr einem anderen Bilanzkreis zugeordnet werden. ..."

Damit dürfte sich das Thema der Lieferantenrahmenverträge der VNBs erledigt haben, da nun überhaupt keine Mengen mehr nominiert werden können!
Für die Kunden heißt das konkret: Willkommen in der Ersatzversorgung!

Bereits bezahlte Lieferungen können von Flexstrom nicht mehr ausgeführt werden, selbst, wenn sie wollten. Ohne Bilanzkreis geht das nun mal nicht.
Die anderen 3 ÜNBs werden bestimmt gleich nachziehen.

Offline DieAdmin

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Re: Kündigung Netznutzung durch Netzbetreiber wegen Insolvenz
« Antwort #7 am: 19. April 2013, 11:24:36 »
Grad auf der Website von Flexstrom zu lesen:

Zitat
....
Nach eingehender Prüfung der finanziellen Lage und aller Optionen stellt die FlexStrom Aktiengesellschaft die Belieferung der Kunden mit Strom ein.

Eine lückenlose Versorgung sämtlicher Kunden ist sicher gestellt. Unsere Kunden werden zukünftig von ihren Grundversorgern mit Strom im Rahmen der Ersatzversorgung beliefert.
...

http://www.flexstrom.de/


(P.S. hab die Fixierung von dem Thread entfernt)
« Letzte Änderung: 19. April 2013, 11:36:08 von Evitel2004 »

Offline Energiefachmann

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Re: Kündigung Netznutzung durch Netzbetreiber wegen Insolvenz
« Antwort #8 am: 23. April 2013, 11:06:03 »
hier habe ich noch eine fachliche Erläuterung zum Thema eingestellt:

http://forum.energienetz.de/index.php/topic,18192.msg99960.html#msg99960

 

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