Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Kündigung Netznutzung durch Netzbetreiber bei Insolvenz des Energieversorgers

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RR-E-ft:
Bitte hier lesen:

http://forum.energienetz.de/index.php/topic,18183.msg99718.html#msg99718

RR-E-ft:

--- Zitat von: RR-E-ft am 16. April 2013, 10:45:04 ---Wie der Pressemitteilung der Stadtwerke

http://www.stadtwerke-jena.de/startseite/unternehmen/aktuell/newsanzeige/hash/a8578439f6/article/stadtwerke-energie-jena-poessneck-untersagen-flexstrom-die-netznutzung.html

entnomen werden kann, kündigte der Netzbetreiber die Verträge mit den betroffenen Lieferanten  allein mit der Begründung fristlos, dass die Unternehmen selbst einen Insolvenzantrag gestellt haben.

Die Stellung eines Insolvenzantrages begründet jedoch gesetzlich kein Recht zur außerordentlichen Kündigung.

Ergibt sich kein Recht zur außérordentlichen Kündigung aus dem Gesetz, könnte sich ein solches allenfalls aus einer entsprechenden vertraglichen Abrede in den betroffenen Verträgen ergeben, zu denen der Netzbetreiber die außerordentliche Kündigung erklärt hat.

Sofern ein außerordentliches Kündigungsrecht für den Fall der Stellung eines eigenen Insolvenzantrages durch den Vertragspartner vertraglich eingeräumt wurde, erweist sich eine solche vertragliche Regelung gem. § 119 InsO als unwirksam, weil sie das gem. § 103 InsO bestehende Wahlrecht des Insolvenzverwalters einschränkt.

Eine deshalb auf eine solche unwirksame vertragliche Regelung gestützte außerordentliche Kündigung ist deshalb selbst unwirksam, wie der BGH in seinem genannten Urteil vom 15.11.12 Az. IX ZR 169/11 Rn. 22 entschieden hat.

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=246fbe005794d35cfcda61d6e7add83c&nr=63021&pos=0&anz=1

Diese jüngste höchstrichterliche Rechtsprechung erging ersichtlich lange nach der Teldafax- Pleite.

Es war demnach wohl am Netzbetreiber, zunächst den Insolvenzverwalter unter Fristsetzung zur Ausübung seines Wahlrechts aufzufordern.

Der Insolvenzverwalter kann sich dabei zwischen Vertragserfüllung und Vertragsbeendigung entscheiden.
Entscheidet er sich für Vertragsbeendigung, so geht die Vertragsbeendigung von diesem aus!

Erweisen sich die fristlosen Kündigungen der Stadtwerke nach der genannten höchstrichterlichen Rechtsprechung als unwirksam,
verbleibt es immer noch beim Wahlrecht des Insolvenzverwalters mit der möglichen Folge, dass dieser die Vertragserfüllung wählt.

Die Unterbrechung der Netznutzung der Stadtwerke kann sich demnach wohl als Vertragsverletzung erweisen, die Schadensersatzansprüche nach sich ziehen kann.

Schließlich sind auch die Lieferverträge zwischen den betroffenen Kunden und den betroffenen Lieferanten durch die Stellung der Insolvenzanträge nicht beendet.
Auch insoweit steht dem Insolvenzverwalter ein Wahlrecht zu.

Wählt der Insolvenzverwalter jeweils Vertragserfüllung, so sind die betroffenen Kunden durch die betroffenen Unternehmen weiter mit Energie zu beliefern und die Stadtwerke haben als Netzbetreiber hierfür ihr Netz weiter zur Verfügung zu stellen.

Schließlich hat der Insolvenzverwalter darüber zu entscheiden, ob die betroffenen Lieferanten saniert werden können und die Weiterbelieferung der betroffenen Kunden in einem Netzgebiet Teil der Sanierungslösung sein soll.

Der Netzbetreiber hat grundsätzlich eine solche Entscheidung des Insolvenzverwalters abzuwarten und kann sich deshalb nicht einfach die betroffenen Kunden als Kunden des Grundversorgers zuschanzen.

Ein Verstoß gegen den gesetzlichen Regelungsplan der Insolvenzordnung kann sich als Eigenmächtigkeit erweisen.

--- Ende Zitat ---

RR-E-ft:
Auch der BBH- Energieblog verweist darauf, dass nach der neueren Rechtsprechung des BGH
mit dem  Insolvenzantrag eines Lieferanten allein noch kein Recht zur außerordentlichen Vertragskündigung für den Netzbetreiber verbunden ist:

http://www.derenergieblog.de/alle-themen/energie/flexstrom-und-tochter-in-der-insolvenz-schnelles-handeln-ist-gefragt/#more-10352

RR-E-ft:
Der Netzbetreiber kann wohl angemessene Vorauszahlungen auf die Netzentgelte von den betroffenen Lieferanten verlangen.

So lange die Lieferanten solche an den Netzbetreiber zahlen, sollte es doch wohl möglich sein, dass diese Lieferanten die von den Kunden bereits im Voraus bezahlte Energie noch weiter liefern.

Bei anderen Stadtwerken als Netzbetreiber ist dies ersichtlich auch möglich, etwa bei den Stadtwerken Kempen:

http://www.rp-online.de/niederrhein-sued/kempen/nachrichten/flexstrom-pleite-stadtwerke-betroffen-1.3331583

An der Lieferung der bereits im Voraus bezahlten Energie haben die betroffenen Kunden ein vorangiges Interesse.
Denn sie selbst haben wegen des Insolvenzantrages auch kein Sonderkündigungsrecht und bleiben an die bestehenden Lieferverträge gebunden. Die Rückzahlung überzahlter Beträge können sie von einem betroffenen Lieferanten kaum erwarten.

Wenn diese betroffenen Kunden ihre im Voraus bezahlte Energie nicht mehr geliefert bekommen, Rückzahlungen auch nicht mehr erwarten können und dann auch noch für die weiteren – notwendigen laufenden – Energielieferungen die hohen Grundversorgungspreise zahlen sollen, dann werden sie – aus o. g. Gründen derzeit eigentlich wohl unnötig – besonders hart getroffen.

Im liberalisierten Markt kann es immer wieder dazu kommen, dass Lieferanten einen Insolvenzantrag stellen müssen.
Daraus resultierende überschaubare netzbetriebsspezifische unternehmerische Risiken für den Netzbetreiber sollten mit den Netzentgelten bereits abgegolten sein. Die Netzentgelte enthalten eine nicht geringe kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung gerade auch in Ansehung von Zuschlägen zur Abdeckung netzbetriebsspezifischer unternehmerischer Wagnisse.

Es wäre deshalb bedauerlich, wenn den betroffenen Kunden in der durchaus schwierigen Situation durch ein rechtlich fragwürdiges Agieren eines Netzbetreibers ein wirtschaftlicher Nachteil entstünde.

bolli:

--- Zitat von: RR-E-ft am 16. April 2013, 22:11:47 ---Es wäre deshalb bedauerlich, wenn den betroffenen Kunden in der durchaus schwierigen Situation durch ein rechtlich fragwürdiges Agieren eines Netzbetreibers ein wirtschaftlicher Nachteil entstünde.

--- Ende Zitat ---
Warum sind Sie auf einmal so vorsichtig in Ihren Formulierungen ? Oben hörte sich das noch deutlich bestimmter an:


--- Zitat von: RR-E-ft am 16. April 2013, 10:45:04 ---Erweisen sich die fristlosen Kündigungen der Stadtwerke nach der genannten höchstrichterlichen Rechtsprechung als unwirksam,
verbleibt es immer noch beim Wahlrecht des Insolvenzverwalters mit der möglichen Folge, dass dieser die Vertragserfüllung wählt.

Die Unterbrechung der Netznutzung der Stadtwerke kann sich demnach wohl als Vertragsverletzung erweisen, die Schadensersatzansprüche nach sich ziehen kann.
--- Ende Zitat ---

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