Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Aufrechnungsverbot/Verjährung

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vn-mini:
Auch auf die Gefahr hin, dass die Konstellation schon erörtert wurde (trotz Suchfunktion nicht richtig fündig geworden), bitte ich um Eure Meinung.

-Kunde hat(te) gegenüber Gaslieferanten nach Vollzahlung wegen unwirksamer Preisanpassungsklausel Anspruch auf Teilrückerstattung. Die Ansprüche wären jetzt verjährt.

-Aus der Zeit danach hat derselbe Lieferant Ansprüche wegen Lieferung aus Vollversorgung gegen denselben Kunden aus unbezahlten Gaslieferungen.

-Beide Forderungen standen sich zeitlich aufrechenbar gegenüber.

-Lieferant klagt unbezahlte Rechnungen ein.

-In der Klageewiderung rechnet der Kunde mit (höheren) Überzahlungen aus der Zeit der Sonderbelieferung auf.

-Lieferant bestreitet nicht das zugrundeliegende Zahlenmaterial, wohl aber den Anspruch.

-Wenn das Aufrechnungsverbot des § 17 Abs. 3 GasGVV tatsächlich greift, hilft dann noch (Eventual-)Widerklage,
oder ist der worst case möglich: Klage (+), Widerklage (-) wegen Verjährung? 
 

Netznutzer:
Hallo,

Sonderbelieferung und GVV passt nicht zusammen!

Gruß

NN

RR-E-ft:
Die Aufrechnungserklärung im Prozess erhöht den Streitwert.

Ausnahmsweise kann das Berufen auf einen Aufrechnungsausschluss gegen die Aufrechnung mit dem Rückerstattungsanspruch, der in der Zeit des Bestehens des Sondervertrages entstanden war, wegen Treuwidrigkeit dann nicht greifen, wenn beide Ansprüche (Anspruch des Grundversorgers und Gegenanspruch des Kunden auf Rückzahlung) ohne Weiteres zugleich entscheidungsreif sind, § 242 BGB.

Der BGH verneint jedoch eine dafür notwendige Treuwidrigkeit bei einem - von Amts wegen zu berücksichtigenden - gesetzlichen Aufrechnungsverbot.

http://forum.energienetz.de/index.php?topic=15811.0

Ist wegen der zur Aufrechnung gestellten Rückforderungsansprüche etwa eine Beweisaufnahme erforderlich,
die eine Entscheidung über den Zahlungsanspruch des Grundversorgers verzögern würde,
so greift der Aufrechnungsausschluss des § 17 III GVV jedenfalls.

Wenn der Rückzahlungsanspruch, welcher ggf. Gegenstand einer Widerklage werden soll, bereits verjährt ist,
wird der Widerklage deshalb nach der Verjährungseinrede, mit welcher gerechnet werden muss, wohl der Erfolg versagt sein.

Erfolgt die Verjährungseinrede des Versorgers erst nach Zustellung der Widerklage, müsste der Rechtsstreit hinsichtlich der Widerklage sogleich in der Hauptsache für erledigt erklärt werden.

Solange der Versorger sich gegen die Rückerstattungsansprüche die Verjährungseinrede noch nicht erhoben hat, bleibt folglich eine Eventualwiderklage, für den Fall, dass das Gericht die Aufrechnung an § 17 III GVV scheitern lässt, eine Option.

Dann erhöht die Aufrechnung den Streitwert als auch die für den Fall des Scheiterns der Aufrechnung erhobene Widerklage, so dass der Gegenstandswert der Rückforderungsansprüche den Streitwert doppelt erhöht.

Es ist möglich, dass die Aufrechnung am gesetzlichen Aufrechnungsverbot scheitert und eine Widerklage an der Verjährungseinrede.

vn-mini:
Will meine Frage nochmal präzisieren:

Zunächst (Rngen. von 2008 und 2009) erfolgte Lieferung aufgrund von Sondervertrag. Dort sind Überzahlungen eingetreten infolge der bekannten Unwirksamkeit der Anpassungsklausel.

Danach (Rngen. von 2010 und 2011) erfolgte Lieferung nach dem Grundtarif ohne Bezahlung.

Die Überzahlungen liegen höher als die unbezahlten Rngen.

Die Überzahlungen erscheinen entscheidungsreif; die Gegenseite beruft sich (bislang) ausschließlich auf das Aufrechnungsverbot.

Ist jetzt die (Eventual-)Widerklage (vorsorglich) indiziert oder nicht. Mit der Verjährungseinrede muss natürlich gerechnet werden. Oder könnte man im Blick auf § 215 BGB die Aufrechnungslage erzwingen durch einen Antrag auf Feststellung, dass die Gegenansprüche entstanden sind? Das käme es wenigstens zu einer gerichtlichen Feststellung über die Gegenansprüche, die spätestens in der zweiten Instanz auch rechtskräftig würde.

 

RR-E-ft:
Die Aufrechnung ist in der konkreten Situation zwar nach § 215 BGB nicht wegen Vejährung ausgeschlossen, wohl aber nach § 17 Abs. 3 GVV.

Unter Zugrundelegung von BGH, Urt. v. 06.04.11 VIII ZR 31/09, juris wird der Aufrechnung das gesetzliche Aufrechnungsverbot des § 17 Abs. 3 GVV wohl selbst dann entgegenstehen,
wenn der zur Aufrechnung gestellte Gegenanspruch zugleich entscheidungsreif ist, also selbst wenn es um eine logische Sekunde geht,
in welcher der zur Aufrechnung gestellte Gegenanspruch noch nicht durch die Entscheidung in diesem Prozess festgestellt ist.

Und selbst wenn der Gegenanspruch in diesem Prozess nicht nur entscheidungsreif, sondern auch festgestellt wäre,
wäre er wohl im Sinne von § 17 Abs. 3 GVV noch nicht rechtskräftig festgestellt,
wenn das Urteil erst später (nach Ablauf der Rechtsmittelfrist oder nach rechtskräftigem Abschluss des Rechtsmittelverfahrens) in Rechtskraft erwachsen kann.


--- Zitat von: vn-mini am 25. März 2013, 22:26:14 ---Ist jetzt die (Eventual-)Widerklage (vorsorglich) indiziert oder nicht. Mit der Verjährungseinrede muss natürlich gerechnet werden. Oder könnte man im Blick auf § 215 BGB die Aufrechnungslage erzwingen durch einen Antrag auf Feststellung, dass die Gegenansprüche entstanden sind? Das käme es wenigstens zu einer gerichtlichen Feststellung über die Gegenansprüche, die spätestens in der zweiten Instanz auch rechtskräftig würde.
--- Ende Zitat ---

Für die gem. § 17 Abs. 3 GVV zulässige Aufrechnung muss der bestrittene Gegenanspruch
im Zeitpunkt der Aufrechnung bereits rechtskräftig gerichtlich festgestellt sein. 

In der Folge wird wohl der Gegenanspruch des Kunden nur mit einer (Eventual-) Widerklage geltend gemacht werden können.

Auch für die Widerklage wird wohl gelten, dass die Leistungsklage Vorrang vor einer Feststellungsklage hat,
mithin eine Feststellungsklage unzulässig ist.

Auch der Leistungsklage in Form einer Widerklage wird wohl die Verjährungseinrede gem. § 214 Abs. 1 BGB
erfolgreich entgegengesetzt werden können.

Wäre die Feststellungsklage als Widerklage hingegen zulässig,
müsste wohl eine Wider- Widerklage gewärtigt werden, nämlich auf Feststellung, 
dass der Gegenanspruch, dessen Feststellung mit der Widerklage begehrt wird,
seinerseits bereits verjährt ist.

Das Ergebnis, wonach der Leistungsklage in Form der Widerklage die Verjährungseinrede entgegengehalten werden kann, mag unbillig erscheinen.
 Es erscheint dann wohl allenfalls fraglich, ob in dieser besonderen  Konstellation die Verjährungseinrede gegen die Widerklageforderung ihrerseits
ggf. als rechtsmissbräuchlich gewertet werden kann.

Erhebt der Versorger erstmals  im Prozess über die anhängige Widerklage die Einrede der Verjährung,
muss die Widerklage in der Hauptsache für erledigt erklärt werden,
weil die erstmalige Verjährungseinrede im Prozess ein erledigendes Ereignis darstellt.

Nur bei glücklicher Fügung würde die Widerklage erfolgreich sein, wenn der Versorger keine Verjährungseinrede erhebt,
und das Widerklageurteil hiernach unangefochten rechtskräftig werden,
bevor das auf die Zahlungsklage des Grundversorgers ergangene Urteil  rechtskräftig wird,
so dass zwischen den Instanzen oder in der weiteren Instanz die Aufrechnung gem. § 17 Abs. 3 GVV erst zulässig wird.
 
Wenn die sodann die erst zulässig gewordene  Aufrechnung (nochmals) erfolgt, müsste der Versorger deshalb sodann in der Rechtsmittelinstanz
den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären, weil die dann erst zulässige und erfolgreiche Aufrechnung ein erledigendes Ereignis darstellt.

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