Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Auf Sonderkündigungsrecht nicht hingewiesen
Spezialfrage:
Hallo zusammen,
ich hoffe, dass ich hier richtig bin. Wenn ich mich hier so im Forum umsehe, erkenne ich da einiges an Fachkompetenz, die so noch nirgendwo anders gesehen habe. Nachfolgende Fragestellung bewegt mich seit einigen Tagen. Aber irgendwie habe ich dazu noch fast nichts Passendes gefunden.
Man liest immer, dass die Versorgungsunternehmen von Strom und Gas dazu verpflichtet wären, bei Preiserhöhungen deutlich auf das Sonderkündigungsrecht hinzuweisen.
Frage: Was sind die Rechtsfolgen, wenn die Anbieter den Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht bei einer Preiserhöhrung unterlassen haben?
Überall liest man, dass die Versorger auf das Sonderkündigungsrecht hinweisen müssen aber nirgendwo steht, was die Konsequenzen und Folgerungen sind, wenn sie es nicht machen.
Angenommener Fall:
Schon länger bestehender Gasliefervertrag, der sich jeweils um 12 Monate verlängert, wenn nicht rechtzeitig gekündigt wird. In 2011 wird Preiserhöhung angekündigt ohne auf das Sonderkündigungsrecht hinzuweisen. Der Kunde unternimmt darauf hin nichts. In 2012 wird die Jahresrechnung anstandslos mittels Lastschrifteinzug bezahlt.
Kann sich der Kunde hier noch auf sein Sonderkündigungsrecht berufen, weil er bei der letzten Preiserhöhung darüber nicht belehrt wurde?
Kann der Kunde evtl. sogar Geld in Höhe der Preiserhöhung zurückfordern?
Soweit ich es erkenne, scheint hier Dreh- und Angelpunkt der § 41 Abs. 3 Energiewirtschaftsgesetz zu sein, aus dem scheinbar der Pflichthinweis auf das Sonderkündigungsrecht "hineininterpretiert" werden kann. Aber was die Konsequenzen sind, wenn sich die Energieversorger an den Hinweis mit dem Kündigungsrecht nicht halten, ist da nicht normiert. Und als juristischer Laie hat man leider auch keinen Zugriff auf einen Kommentar zum hier einschlägigen Gestz.
Für Eure Antworten im Voraus vielen Dank!
bolli:
--- Zitat von: Spezialfrage am 19. Februar 2013, 00:47:40 ---
Kann sich der Kunde hier noch auf sein Sonderkündigungsrecht berufen, weil er bei der letzten Preiserhöhung darüber nicht belehrt wurde?
--- Ende Zitat ---
Zunächst einmal ist immer zu klären, ob es sich tatsächlich um eine Preiserhöhung handelt. Derzeit laufen ja viele Preiserhöhungen mit der Begründung "EEG-Umlage etc." (oftmals ist in den Verträgen eine eingeschränkte Preisbindung vereinbart). Viele Juristen sagen, dass auch die reine Weitergabe dieser Steuern/Umlagen eine Preiserhöhung darstellt , mit all ihren Folgen. Andere vertreten jedoch die Meinung, es sei ein reines weiterreichen wie z.B. bei der Mehrwertsteuer und sehen darin eher eine gesetzliche Abgabe. Hierzu können Sie ja mal diese Mitteilung des BdEV lesen.
Wichtig ist dabei ggf. auch, ob wirklich NUR die reine Umlagenerhöhung weitergegeben wurden oder ob eine Erhöhung über diese reine Umlagenerhöhung hinaus vorgenommen wurde.
Wenn Sie damit meinen, dass Sie den Vertrag rückwirkend lösen möchten wahrscheinlich keine gute Lösung, denn wenn Sie zwischenzeitlich weiterhin mit Energie beliefert wurden, würde diese zu teureren Grundversorgungstarifen abgerechnet (da Sie ja nicht nachträglich einen neuen Sondervertrag mit einem anderen Anbieter abschließen können). Sie könnten zwar versuchen, im Wege des Schadensersatzes vom alten Anbieter den Differenzbetrag einzufordern, aber das bedeutet, dass SIE hinter dem Geld herlaufen müssen. Anders herum ist besser. ;) Wenn Sie meinen, dass Sie zwar nicht rückwirkend, aber mit der Begründung der fehlenden Belehrung bei der letzten Preiserhöhung dann ggf. ein Jahr später einfach so Sonderkündigen möchten, so meine ich, dass dieses nicht möglich wäre, da die Sonderkündigung nur innerhalb einer gewissen Toleranzfrist möglich wäre. (Ich meine, ich hkönnte mich da an ein Urteil erinnern, wo von 3-4 Wochen die Rede war).
--- Zitat von: Spezialfrage am 19. Februar 2013, 00:47:40 ---Kann der Kunde evtl. sogar Geld in Höhe der Preiserhöhung zurückfordern?
--- Ende Zitat ---
Zunächst einmal ist immer zu klären, ob der Versorger übeerhaupt eine Berechtigung hatte, die Preise zu erhöhen. Dazu bedarf es der Pürfung, ob eine Preisanpassungsklausel wirksam in den Vertrag einbezogen wurde. Nur wenn dieses der Fall ist, muss überhaupt weiter geprüft werden, ob diese wirksam einbezogene Klausel bzw. die daraus resultierende Preisänderung im konkreten Fall ggf. unwirksam war, weil nicht auf ein bestehendes Sonderkündigungsrecht hingewiesen wurde. Die Rechtsfolge aus der Tatsache, dass auf ein solches Sonderkündigungsrecht nicht hingewiesen wurde, ist nach Meinung vieler Experten, dass dioe Preiserhöhung nicht rechtmäßig ist. So urteilte auch das OLG Düsseldorf in einem Urteil vom 13.06.2012 - VI-2 u (Kart) 10/11. Hier ging es zwar um einen Fall in der Grundversorgung, jedoch dürfte bezüglich der europarechtlichen Auslegung zugunsten der Verbraucher bei Sonderverträgen nichts anderes gelten.
Der BGH hat in seinem Urteil vom 12.03.2012 - VIII ZR 113/11 für Rückforderungen aus unwidersprochenen Preiserhöhungen eine gewisse "beschränkte Rückwirkungsfrist" eingeführt, nämlich drei Jahre. Das bedeutet, ich kann heute gegen frühere Preiserhöhungen in meinem "Vertrag mit WIRKSAM EINGEBUNDENER Preisanpassungsklausel" (nur hierfür gilt dieses Urteil) Widerspruch einlegen und damit diese Preiserhöhungen angreifen. Sollten diese tatsächlich unwirksam gewesen sein, wird aber nicht der Preis der letzten wirksamen Preiserhöhung oder der Anfangspreis als zu zahlender Preis festgelegt sondern der Preis, der 3 Jahre vor diesem Widerspruch galt. Dieses soll die Energieversorger vor zu hohen Rückforderungen schützen.
Wenn keine wirksam in den Vertrag einbezogene Preisanpassungsklausel exstiert oder eine wirksame einbezogene nicht gültig ist, so besteht die Möglichkeit der Rückforderung, meist wegen Ansprüchen aus § 812 BGB.
Wenn man noch beim gleichen Versorger ist, sollte man ggf. überlegen, ob man nicht über Einbehaltungen versucht, ggf. bestehende Rückforderungsansprüche zu realisieren. In jedem Fall sollte man aber zukünftig keine Überzahlungen leisten. Dazu empfliehlt sich eine Selbstausrechnung, was man beri welchem rechtmäßigen Preis zu zahlen hätte und eine anschließende Mitteilung an den versorger, warum man wie verfährt. Danach sind etwaige Lastschriftermächtigungen zu widerrufen und zukünftig regelmäßig die angepassten Abschläge unter Angabe des Verwendungszwecks vom Verbraucher zu überweisen.
RR-E-ft:
Bei dem Gasliefervertrag, der sich jeweils um 12 Monate verlängern soll, kann es sich nur um einen Sondervertrag handeln.
Fraglich, ob in diesen Sondervertrag überhaupt eine Preisänderungsklausel wirksam einbezogen wurde (vgl. BGH, Urt. v. 22.02.12 Az. VIII ZR 34/11)
und ob diese ggf. wirksam ist.
Wurde eine Preisänderungsklausel wirksam einbezogen, die jedoch unwirksam ist,
sollen sich die Rechtsfolgen zB. aus den Leitsatzentscheidung des BGH vom 23.01.13 Az. VIII ZR 52/12 und VIII ZR 80/12 ergeben.
Wurde in den Sondervertrag eine Preisänderungsklausel schon nicht wirksam einbezogen,
kommt eine ergänzende Vertragsauslegung wie in den genannten Leitsatzentscheidungen nicht in Betracht,
wiel diese die Unwirksamkeit einer einbezogenen Preisänderungsklausel zur Voraussetzung hat.
Dann würde es folglich dabei verbleiben müssen, dass der bei Vertragsabschluss ursprünglich vereinbarte Preis weiter gilt.
Sofern noch nicht geschehen, sollte man jedenfalls noch Widerspruch einlegen und dabei auch das Preisänderungsrecht bestreiten.
Damit gibt man dem Versorger hinreichend Anlass, sich durch ordentliche Kündigung aus dem Vertragsverhältnis zu lösen.
Die Rechtsfolgen, die das OLG Düsseldorf im Urteil v. 13.06.12 Az. VI-2 U (Kart) 10/11
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/duesseldorf/j2012/VI_2_U__Kart__10_11urteil20120613.html
für die unterlassene Belehrung über das bestehende Sonderkündigungsrecht für die Grundversorgung aufgestellt hat,
müssten - wenn diese Rechtsprechung Bestand hat - wohl auch für Sonderverträge gelten,
welche eine Preisänderungsklausel enthalten,
die vollinhaltlich dem gesetzlichen Preisänderungsrecht des § 4 AVBV/ 5 GVV entspricht.
Die Rechtsfolgen beschreibt das OLG Düsseldorf in der genannten Entscheidung wie folgt:
--- Zitat ---Aufgrund dessen sind die Richtlinienbestimmungen und die darin an Preisanpassungen normierten Anforderungen im Wege richtlinienkonformer Auslegung in die genannten Vorschriften der AVBGasV und der GasGVV hineinzulesen und genauso bei der ergänzenden Vertragsauslegung zu berücksichtigen. Der Verordnungswortlaut steht einer richtlinienkonformen Auslegung nicht entgegen. Gegebenenfalls widerstreitende Motive des nationalen Gesetzgebers und der diesbezügliche Vortrag der Klägerin sind unbeachtlich. Das Richtlinienrecht der Union geht nationalen Rechtsvorschriften und deren Interpretation vor.
Daran gemessen hat die Klägerin Haushaltskunden wie die Beklagte durch Bekanntmachungen bei Preiserhöhungen zu keinem Zeitpunkt auf ihr Kündigungsrecht hingewiesen. Das Kündigungsrecht ist bei Verbrauchern nicht als ohne Weiteres bekannt vorauszusetzen. Die Klägerin hat außerdem lediglich selektiv unmittelbar (brieflich) von Preiserhöhungen unterrichtet (Anlage K 40). Mithin hat sie - ungeachtet der Anforderungen des § 315 BGB - die durch Anhang A Buchst. c der Richtlinie 2003/55 geforderten Voraussetzungen für Preiserhöhungen nicht erfüllt.
Wegen dieser Mängel sind die von der Klägerin vorgenommenen Preiserhöhungen rechtlich nicht durchsetzbar. Zahlung kann nicht verlangt werden. Verbraucher wie die Beklagte sind entgegen der Meinung der Klägerin (wie die Klägerin auch Hartmann, in Danner/Theobald, Energierecht, § 5 StromGVV, Rn. 16) insoweit nicht lediglich auf Schadensersatzansprüche beschränkt. Dies widerspricht der Bedeutung und dem Rang, die dem Verbraucherschutz, insbesondere dem Schutz von Haushaltskunden, sowie dem Transparenzgebot in der Richtlinie 2003/55 zuerkannt worden sind. Der Umstand, dass die Beklagte auf Preiserhöhungen der Klägerin zunächst geschwiegen und diesen erst mit Schreiben vom 5.10.2006 widersprochen hat, ist ihr unschädlich. Bloßem Schweigen kommt im Rechtsverkehr keine Erklärungsbedeutung zu.
--- Ende Zitat ---
In diesem Fall sollte man Abschlagszahlungen und Rechnungsbeträge nach Widerspruch entsprechend kürzen.
Rückforderungsansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 BGB
aus eingetretenen Überzahlungen unterliegen
jedenfalls der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren,
für deren Beginn die Erteilung der Verbrauchsabrechnung maßgeblich ist
(vgl. BGH, Urt. v. 26.09.12 Az. VIII ZR 249/11; Urt. v. 23.01.13 Az. VIII ZR 52/12 und VIII ZR 80/12).
khh:
--- Zitat von: bolli am 19. Februar 2013, 08:42:10 ---... Wenn Sie damit meinen, dass Sie den Vertrag rückwirkend lösen möchten wahrscheinlich keine gute Lösung, denn wenn Sie zwischenzeitlich weiterhin mit Energie beliefert wurden, würde diese zu teureren Grundversorgungstarifen abgerechnet (da Sie ja nicht nachträglich einen neuen Sondervertrag mit einem anderen Anbieter abschließen können). ...
--- Ende Zitat ---
Die "Gefahr" einer nachträglichen/rückwirkenden Abrechnung durch den Grundversorger wurde hier im Forum schon mal geäußert. Daher meine Frage: Und wie soll ein Grundversorgungsvertrag nachträglich und rückwirkend (womöglich für Monate?) zustande kommen? :-\
Didakt:
Diese hypothetische Frage stellt sich doch im vorliegenden Fall gar nicht! Die mögliche/notwendige Handlungsweise hat RR-E-ft in seinem vorstehenden Beitrag (s. 5. u. 6. Absatz) doch zweifelsfrei vorgegeben. Weitere zielgerichtete Alternativen bestehen wohl kaum.
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